Am Ende fehlte vor 240.000 Zuschauern zwar eine Runde zum Sieg in der LMP2-Klasse, doch konnte sich Nissan im Ziel der 24 Stunden von Le Mans dank der Plätze zwei bis zehn über eine starke Mannschaftsleistung freuen. Auch im Team Highcroft Racing überwogen trotz des Ausfalls des DeltaWing nach sechs Stunden Renndauer die positiven Aspekte: Der radikal gestylte Wagen hatte sein Versprechen, nur halb so viel Benzin und Reifen wie ein konventioneller Sportprototyp zu verbrauchen, wahr gemacht. Und war nur durch das Foul eines Konkurrenten vorzeitig ins Abseits befördert worden.

Das spektakuläre Aus für den DeltaWing kam unmittelbar nach Ende einer Safety Car-Phase im Bereich der Porsche Kurven. Toyota LMP1-Pilot Kazuki Nakajima übersah im dichten Pulk seinen rechts neben ihm fahrenden Landsmann Satoshi Motoyama - und drückte dessen Nissan brüsk in die Begrenzungsmauer. Im Anschluss versuchte der zum Glück unverletzt gebliebene Japaner unter Anleitung seiner hinter dem Absperrzaun stehenden Crew, das Auto wieder in Gang zu bringen. Doch nach 90 Minuten intensiver Arbeit vereitelte die zu stark beschädigte Lenkung die Weiterfahrt zur nahegelegenen Nissan-Box.

Nur halb so viel Verbrauch wie die führenden LMP1-Boliden

Unterm Strich bleiben Nissan und Highcroft dennoch erfreuliche Erkenntnisse: Der außer Konkurrenz in der Experimentalklasse gestartete Nissan DeltaWing legte 1.005 Kilometer und damit die Distanz eines regulären Langstreckenrennens zurück. In seinem besten Stint fuhr das Fahrzeug Zeiten auf gutem LMP2-Niveau, zugleich lag der Benzinverbrauch im vorausberechneten Fenster - sprich 50 Prozent unter dem Konsum der um den Gesamtsieg fahrenden LMP1-Fahrzeuge. Motoyama: "Der DeltaWing hat ein großes Potenzial für die Zukunft. Für mich war es eine große Ehre, bei diesem Projekt dabei gewesen zu sein. Der Unfall ereignete sich in einer sehr schnellen Kurve, und der Aufprall gegen die Betonmauer war heftig. Hätte ich es bis zu den Boxen zurückgeschafft, hätten die Mechaniker den DeltaWing sicher wieder flott bekommen."

Krumm: "Satoshi hat alles richtig gemacht"

Motoyamas Partner Michael Krumm kommentierte den Vorfall so: "Satoshi hat in dieser Situation alles richtig gemacht, er gab den Führenden genug Platz zum Überholen. Doch Nakajima schätzte die Situation leider falsch ein."

Darren Cox, General Manager, Nissan Europa, nahm den Vorfall so gelassen wie eben möglich: "Das ist Motorsport, wir wissen, dass auch so etwas passieren kann. Zunächst waren wir am Boden zerstört, doch schnell wich der Frust einem Gefühl von Stolz auf das Erreichte. Man darf nicht vergessen, dass zwischen dem Roll-out des Fahrzeugs und Le Mans nur 107 Tage lagen. Wir hatten kaum mehr als drei Monate Vorbereitungszeit."

Welchen nachhaltigen Eindruck der zigarrenförmig gestylte Zukunfts-Renner mit den beiden extrem schmalen Vorderreifen erzeugte, zeigte laut Cox die gewaltige und durchweg positive Resonanz in den Social-Media-Foren. Auch mit der weltweiten Medien-Resonanz auf den DeltaWing-Auftritt sei Nissan äußerst zufrieden.

Martin Brundle: "Die Kids haben einen tollen Job gemacht!"

In der LMP2-Klasse lief der schnellste Sportwagen mit Nissan-Power auf Platz acht im Gesamtklassement ein. Für Martin Brundle, Le Mans-Sieger des Jahres 1990 auf Jaguar, reichte es zusammen mit Sohn Alex und GT Academy-Sieger Lucas Ordonez im Greaves Motorsport Zytek Nissan zu Platz acht in der Klasse und Position 15 in der Gesamtwertung. "Das Rennen war härter als erwartet, nachdem wir gleich zu Beginn Probleme mit einem gerissenen Keilriemen der Lichtmaschine hatten. Später gab es noch Ärger mit der Drosselklappe, daher kam ich auch einmal in der ersten Schikane von der Piste ab. Zum Glück touchierte ich die Leitplanke nur leicht und schlitterte an ihr entlang, sodass nichts weiter kaputt ging. Wäre unser Wagen so zuverlässig gewesen wie das Schwesterauto, wäre ein Podiumplatz möglich gewesen. Was mich aber am meisten gefreut hat, war die Pace von Alex und Lucas - die Kids haben einen tollen Job gemacht, wir waren alle drei in etwa gleich schnell", sagte der im Hauptberuf als Formel-1-Kommentator tätige Brite.

Lucas Ordonez peilte nach Platz zwei im Vorjahr diesmal den LMP2-Sieg an. Sein Traum erfüllte sich zwar nicht, aber dafür lieferte er sich in der Schlussphase noch einen schönen Fight mit seinem Nachfolger als GT Academy-Champion, Jordan Tresson. "Das Rennen war am Anfang wirklich hart für uns. Doch nachdem wir die Probleme gelöst hatten, ließen wir es richtig fliegen. Leider landete ich wegen der Probleme mit der Drosselklappe einmal in einem Kiesbett, aus dem man mich gottlob schnell wieder rauszog. Das Rennen war definitiv härter als im Vorjahr, die Konkurrenz in der LMP2 diesmal deutlich stärker. Auf ein Neues in 2013!"

Zwei GT Academy-Sieger gingen im knappen Abstand durchs Ziel

Jordan Tresson, der im Signatech Oreca-Nissan in der gleichen Runde wie Ordonez als 16. abgewunken wurde, war "schon etwas enttäuscht, dass es nicht zu mehr gereicht hat". Dennoch genoss der Franzose sein erstes Le Mans-Rennen überhaupt in vollen Zügen. "Ich habe zwei Vierfach-Stints absolviert, da war es sehr anstrengend, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Ich denke, das Team war zufrieden mit mir, nicht nur, weil ich nichts kaputt gemacht habe. Am meisten störte mich der Sonnenaufgang am Sonntag - auf der Geraden konnte ich meine Augen mit der Hand noch etwas schützen, aber in den Kurven wurde es heikel...."

Nach 24 Stunden und 240 Runden trennten gerade einmal 2:47 Minuten die beiden Nissan GT-Academy-Sieger. "Ich habe seine Rundenzeiten bei Nacht genau studiert - sie waren sehr gut. Ich freue mich, dass ein weiterer GT Academy-Champion in Le Mans dabei ist", sparte Lucas Ordonez nicht mit Komplimenten.