Für Michelin ist es das Rennen des Jahres: die 24 Stunden von Le Mans zählen auch in dieser Saison wieder zu den absoluten Höhepunkten des Rennkalenders. Am kommenden Wochenende peilt der französische Reifenspezialist insbesondere als Partner der Werksteams von Audi und Toyota den 21. Sieg bei diesem Langstreckenklassiker und den 15. Erfolg am Stück an - und hat dafür einige Innovationen im Gepäck. Audi hat 2006 als Erster in Le Mans mit einem Diesel gewonnen - nun will der Hersteller diesen Erfolg mit Hybrid-Technologie wiederholen.

National Geographic hegt keinen Zweifel: das US-amerikanische Wissenschaftsmagazin von internationaler Geltung hat die 24 Stunden von Le Mans Anfang 2012 zum wichtigsten Sportereignis des Jahres gekürt - noch vor den Olympischen Spielen und der Fußball-Europameisterschaft. Für Michelin trifft diese Einschätzung auf jeden Fall zu: Auch in dieser Saison rückt das Unternehmen das Sportwagen-Highlight im Westen Frankreichs wieder in den Mittelpunkt seiner Motorsporttätigkeiten.

In diesem Jahr soll der 21. Le Mans-Erfolg der Firmengeschichte folgen. Gemeinsam mit seinen Partnerteams hat sich Michelin hierauf wieder aufwändig vorbereitet und im Verlauf der vergangenen zwölf Monate gut 80 Prozent seines Rennreifen-Angebots komplett erneuert. Hinzu kommen zwei Weltpremieren: neu entwickelte, speziell für die LM P1-Prototypen und abtrocknende Strecke konzipierte "ntermediate Slicks sowie die speziellen Pneus für das innovative DeltaWing-Konzept.

Besonders schnell, ausgesprochen haltbar und unter allen Bedingungen zuverlässig sicher - das sind die wesentlichen Attribute, die erfolgreiche Rennreifen für die 24 Stunden von Le Mans mitbringen müssen. Vor zwei Jahren zum Beispiel hat Peugeot-Pilot Anthony Davidson am Steuer des 908 HDI FAP den schnellsten Vierfach-Stint in der Geschichte dieses Langstreckenklassikers vorgelegt: Der Brite spulte auf einem Satz Reifen 627 Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 243 km/h ab. 2011 legte Benoit Tréluyer mit einem Fünffach-Turn sogar 55 Runden oder 750 Kilometer mit seinen Pneus zurück und sparte auf diese Weise wertvolle Zeit beim Boxenstopp -gemeinsam mit seinen Audi-Teamkollegen André Lotterer und Marcel Fässler gewann der Franzose das Rennen mit 13,854 Sekunden Vorsprung. Aus Sicht von Michelin wären sogar noch längere Distanzen denkbar, doch das Reglement limitiert die maximale Lenkzeit pro Fahrer auf vier Stunden am Stück.

Kann nach dem Diesel in diesem Jahr die Hybrid-Technologie triumphieren?

2006 war es Audi, das auf speziell entwickelten Pneus den ersten Erfolg eines Diesel-Rennwagens bei den 24 Stunden von Le Mans errang. In dieser Saison könnte ein weiterer technologischer Meilenstein folgen: der erste Sieg eines LMP1-Prototypen mit Hybrid-Antrieb. Während Audi im R18 e-tron quattro einen V6-Turbodiesel mit elektrischer Extra-Power kombiniert, die jenseits von 120 km/h auf die Vorderräder einwirkt und somit eine Art Allradeffekt erzeugt, setzt Le Mans-Rückkehrer Toyota im TS030 Hybrid auf einen Benzinmotor und reinen Heckantrieb. Die Reifen, die Michelin in enger Kooperation mit beiden Autoherstellern für diese Boliden konzipiert hat, halten der zusätzlichen Beanspruchung sicher stand, ohne Kompromisse in puncto konstanter Leistungsfähigkeit oder Haltbarkeit einzugehen.

Besonderheit dabei: in Absprache mit Audi kommen auf dem R18 e-tron quattro die gleichen Reifen zum Einsatz wie auf dem konventionell angetriebenen R18 ultra. Beide Unternehmen versprechen sich von dieser gemeinsam getroffenen Entscheidung interessante Rückschlüsse auf das Abriebverhalten der Pneus und die Performance-Unterschiede der beiden Rennwagen-Technologien.

Nissan-DeltaWing: Ungewöhnliche Reifen für ein außergewöhnliches Projekt

Zu den aufsehenerregendsten Teilnehmer der diesjährigen 24 Stunden von Le Mans zählt zweifellos der innovativ konzipierte Nissan-DeltaWing, der in der neu geschaffenen Experimental-Klasse startet. Der futuristisch gestaltete Zweisitzer setzt radikale Vorgaben um und will mit dramatisch reduziertem Gewicht, günstigerem Luftwiderstand und deutlich geringerem Kraftstoffverbrauch das gleiche Performance-Niveau wie seine Kontrahenten erreichen. Michelin steht diesem Projekt als Technologie-Partner aktiv zur Seite und hat maßgeschneiderte Rennreifen entwickelt.

So sind zum Beispiel die vorderen Pneus gerade mal ein Drittel so breit und halb so schwer wie üblich, halten aber dennoch Höchstgeschwindigkeiten von 300 km/h sicher stand. Zugleich können sie rein theoretisch zehn Le Mans-Stints oder eine Distanz von 1.600 Kilometern bewältigen. "Die Vorderreifen sind dreimal so stark wie konventionelle LMP1-Pneus, bringen aber nur fünf statt 13 Kilogramm auf die Waage", verrät Jean Lhomme, Entwicklungs-Chef für den Vierrad-Motorsport bei Michelin Competition. "Sie sehen ein wenig so aus, als hätten wir sie für einen Citroën 2CV entwickelt - tatsächlich aber halten sie Tempo 300 problemlos aus."

Ein Großteil des Feldes

Auch in diesem Jahr rüstet Michelin wieder den größten Teil des Starterfeldes mit Reifen aus. Exakt 32 der 56 Starter vertrauen auf Michelin. Hierfür hat das Unternehmen mit 18 Sattelschleppern gut 5.500 Reifen und das entsprechende Material für ihre Montage nach Le Mans transportiert. Aufbewahrt werden die Pneus in einem 800 Quadratmeter großen Zelt, während in einem gleich großen zweiten Zelt 50 Mitarbeiter in zwei Schichten und an vier Montagestraßen den Service für die Teams sicherstellen. Jedem einzelnen Team steht dabei ein eigener Ingenieur oder Techniker von Michelin beratend zur Seite. Hinzu kommen weitere Experten, die bereits benutzte Reifen präzise kontrollieren und analysieren.