Einige hatten bei Red Bull die Pole beim letzten Qualifying von 2023 in Abu Dhabi abschreiben wollen. Allen voran Dr. Helmut Marko. Der hatte nach schwachen Trainings von Max Verstappen die Hoffnung aufgegeben. "Realistisch gesehen wird es zwischen fünf und zehn, aber es kann immer noch den Max-Faktor geben", so seine pessimistische Schätzung kurz vor dem Qualifying im ORF. "Es kann aber auch weiter nach hinten gehen."

Teamchef Christian Horner hielt dagegen. Geld kam ins Spiel, 500 Euro lagen auf dem Tisch. Horner setzte auf Reihe eins, Marko auf Reihe zwei. "GP [Lambiase, Verstappens Renningenieur] wollte auch noch aufspringen, aber der ist ein bisschen ein Zauderer", verrät Marko nach dem Qualifying Motorsport-Magazin.com. "Der war nicht sicher, dass er Pole fährt." Ein großer Fehler.

Verstappen verzweifelt an unberechenbarem Red Bull

Zweifel waren angebracht gewesen. Nachdem Red Bull im 1. Training zwei Rookies ins Auto gesetzt hatte und das 2. Training durch rote Flaggen halbiert worden war, hatte besonders Verstappen schwer zu kämpfen. Änderungen schienen keinen Fortschritt zu bringen, auch im 3. Training das gleiche Problem: Der RB19 untersteuerte, besonders im ersten Sektor, saß auf den Bodenwellen zu hart auf und hüpfte. Wie ein Känguru, so das Feedback.

"Es war richtig unberechenbar", erklärt Verstappen. "Übersteuern zu Untersteuern, dann versuchten wir das Untersteuern auszuräumen und es wurde zu Übersteuern, und dann hatten wir Übersteuern zu Untersteuern." Permanent rutschte das Auto, und hier in Abu Dhabi ist das ein Todesurteil für die Reifen, die durch die Kombination aus Hitze und Kurven hier besonders leiden.

Red Bull-Fahrer Max Verstappen
Verstappen hatte in den Trainings mit dem Auto zu kämpfen, Foto: LAT Images

"Wir hatten schon viel ausprobiert, und nichts schien das Problem zu lösen, aber GP blieb ruhig, und wir gingen durch viele Optionen", so Verstappen. Marko lobt: "Weil wir ein tolles Engineering-Team haben, das die richtigen Stellschrauben gestellt hat. Auch der Temperatur-Unterschied hat geholfen." Ein großer Umbau sei es nicht gewesen, auch Verstappen unterstreicht: "Das zeigt, dass Details massive Unterschiede machen können."

Verstappen erteilt Marko eine Lektion: Nicht gegen mich wetten

"Von der ersten Runde an schien es besser, ich konnte mehr pushen", erklärt Verstappen Schon im ersten Q1-Versuch übernahm er die Führung und gab sie danach nicht mehr her. Bestzeit in Q1, in Q2, und dann in Q3 schon im ersten Umlauf mit einer 1:23,445 schnell genug für Pole. Und Helmut Marko war um 500 Euro ärmer.

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"Ich denke, Helmut hat seine Lektion gelernt, nicht gegen mich zu wetten", grinst Verstappen. "Wie Blut aus einem Stein ziehen", scherzt Wettgegner Horner. Marko selbst hat die Pole lieber als das Geld: "Ich hab' mich wahnsinnig gefreut und werde mich heute einschränken. Wenn man so falsch liegt, muss man das eingestehen."

Späte Verstappen-Wende sorgt für zweifelhaftes Rennen

Der Qualifying-Job ist erledigt, aber die Zweifel sind nicht überall ausgeräumt. Bloß sind sie auf das Rennen weiterverschoben worden. "Ich habe keine Ahnung wie gut wir im Rennen sind", mahnt Verstappen. Die finale Fassung des Setups ist er nur im Qualifying gefahren, hat keine Runde damit im Renntrimm absolviert: "Natürlich ist es immer ein bisschen ein Gamble."

Q3-Top-3 mit Charles Leclerc (Ferrari), Polesetter Max Verstappen (Red Bull) und Oscar Piastri (McLaren) im Parc Ferme
Charles Leclerc und Oscar Piastri sind Verstappens erste Gegner, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

"Normalerweise sind wir solide", kann Verstappen nur auf den Trend setzen. Der RB19 ist im Qualifying 2023 sowieso nicht immer das beste Auto. Im Rennen hat er aber 20 von 21 möglichen Siegen eingefahren. Jetzt ist Marko der, der auf Sieg setzt: "Ich nehme nicht an, dass wir da von einer Seite ... Norris fährt 10, 15 Runden, dann ist der Fehler da. Piastri kann keine Renndistanz fehlerfrei fahren. Und der Ferrari auf gebrauchten Reifen, das kennen wir ja."

Für Verstappen und das Team wäre es aber nur mehr Kür, würde die Rekorde für meiste Siege und meiste Podien in einem Jahr bloß weiter nach oben schrauben. Und es wäre Verstappens 54. Sieg - einer mehr als Sebastian Vettel.