Für Carlos Sainz ist die Schlussphase der Formel-1-Saison 2023 ein Spießrutenlauf. Nach dem Gullideckel-Desaster von Las Vegas geht beim Ferrari-Fahrer auch am Final-Wochenende in Abu Dhabi jeder Schuss nach hinten los. Auf seinen Highspeed-Unfall im Freitagstraining folgte im Qualifying das nächste Debakel. Während Teamkollege Charles Leclerc seinen Ferrari neben Weltmeister Max Verstappen in die erste Startreihe stellte, flog der Spanier schon im Q1 mit einem dicken Hals raus.

"Die machen das mit Absicht!", schimpfte Sainz im Funk, nachdem er im ersten Teil des Zeittrainings mit seinem letzten Versuch am Einzug ins Q2 scheiterte. Als 16. fehlten ihm anderthalb Zehntelsekunden auf Pierre Gasly, was zum K.o. nach nur 18 Minuten führte. Auf seinem entscheidenden Run geriet Sainz in den ersten beiden Sektoren in den Verkehr der Fahrer, die nach ihrer fliegenden Runde auf der In-Lap waren.

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"Wir Fahrer wissen, dass es jemanden hinter dir ein oder zwei Zehntelsekunden kosten wird, wenn du ein bis zwei Sekunden vor ihm fährst", so der 29-Jährige, der keinen Zweifel daran hat, dass die Konkurrenz mit ihm Spielchen getrieben hat. "Wenn es im Q1 oder Q2 eng zugeht, sehe ich Leute, die dir vorsätzlich in ein paar Kurven etwas Dirty Air geben."

In Kurve drei fuhr Gasly in deutlichem Abstand vor ihm und blieb am Ausgang neben der Ideallinie, um Sainz vorbeizulassen. Der Ferrari-Pilot musste weder ausweichen noch verlangsamen, und dennoch ist er überzeugt, dass es ihn die entscheidenden Zehntelsekunden kostete. "Das ist etwas, das nicht als Behinderung gewertet wird, weil du nicht vom Gas gehen musst. Aber du weißt, dass du demjenigen [hinter dir] die Dirty Air gibst und ihm die Kurve versaust."

Ferrari-Strategie nicht an schlechtem Timing schuld

Noch ärgerlicher war für ihn, dass er und sein Team überhaupt erst in die Lage gerieten, auf der fliegenden Runde reihenweise Bummler auf ihren In-Laps überholen zu müssen. "Wir haben uns in einer sehr schlechten Situation wiedergefunden, als letztes Auto, das aus der Box gefahren ist, mit allen anderen vor uns. Wir standen dadurch zum Schluss richtig unter Druck", sagt er. Der Umstand war allerdings nicht einer taktischen Fehlentscheidung geschuldet.

"Wir sind im Q1 so spät auf den letzten Run gegangen, nachdem wir ein Problem mit dem Frontflügel hatten", erklärt er. Für sein Qualifying war das schlechte Timing der Todesstoß. "Unsere Pace war das ganze Wochenende schon nicht sonderlich stark und wir brauchten ein perfekt ausgeführtes Q1 und Q2, so eng wie das Feld ist, und das hatten wir nicht."

Ferrari braucht Sainz im Kampf gegen Mercedes

Für Ferraris Kampf um Platz zwei in der Konstrukteursweltmeisterschaft, ist seine Startposition eine denkbar schlechte Ausgangslage. Nur vier Punkte trennen die Italiener von Mercedes. "Wir brauchen morgen einen sehr starken Tag, um noch Punkte zu machen", so Sainz. Durch seinen Unfall im zweiten Training konnte kein Team sein Longrun-Programm bei repräsentativen Bedingungen abspulen. Dafür absolvierte er im Gegensatz zu vielen seiner Konkurrenten das FP1, als diese ihre Autos an Young Driver abgeben mussten.

"Ich hoffe, es wird besser [als im Qualifying]. Aus irgendeinem Grund haben wir auf dem weichen Reifen unsere Schwierigkeiten. Die Longruns sahen aber nicht so schlecht aus. Wir wissen, dass wir uns morgen gut zurückkämpfen müssen", kündigt er an. Mit George Russell und Lewis Hamilton auf den Startplätzen vier und elf hat Mercedes ebenfalls nicht alle Trümpfe in der Hand.

Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur will Sainz am Sonntag möglichst schnell in die Nähe der beiden Briten befördern. " Wir werden mit Carlos auf jeden Fall eine aggressive Strategie fahren", kündigt der Franzose bei Sky Sports F1 an. "Morgen ist alles möglich. Wir können uns zurückkämpfen, denn unser Auto ist auf dem Longrun mittlerweile ziemlich konstant."