Red Bull und Max Verstappen haben der Formel 1 2023 ihren Stempel aufgedrückt wie es selten zuvor einer Team-Fahrer-Kombo gelang. Der Niederländer drang mit seiner Dominanz in neue Sphären vor und geht eigentlich spätestens seit Monaco in beinahe jedes Rennen als Topfavorit. Das gilt natürlich auch für das Saisonfinale in Abu Dhabi. Dort haben Ferrari, McLaren, Mercedes und Co zum letzten Mal die Chance, dem dreifachen Weltmeister ein Bein zu stellen.

Nach dem Trainings-Freitag scheint diese Aussicht sogar real zu sein. Denn für Verstappen verlief das sowieso schon viel zu kurze Training alles andere als nach Plan. An FP1 konnte er gar nicht erst teilnehmen, da Red Bull reglementbedingt einen Formel-1-unerfahrenen Rookie an seiner Stelle in die Session schicken musste, FP2 dauerte aufgrund der roten Flaggen in Summe nur etwa 20 Minuten.

Verstappen in Balance-Problemen: Untersteuern und Bodenwellen

Doch auch in dieser Zeit war Verstappen alles andere als zufrieden mit der Balance seines Boliden. "Ich habe nicht erwartet, dass uns bei der Balance so viel fehlt. Wir hatten sehr viel Untersteuern und das Auto hüpfte viel", beklagte er sich. Laut Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko beschränkt sich das Problem von Verstappen in erster Linie auf den Abschnitt rund um Kurve 1. "Der Grip an der Vorderachse war nicht vorhanden", ergänzte der Österreicher.

Die Datenanalyse gibt ihm nur teilweise recht. Verstappen verliert bis zur ersten DRS-Gerade vier Zehntelsekunden Zeit auf Lando Norris. In diesem Abschnitt gibt es nur zwei Kurven, für die man tatsächlich anbremsen muss: Kurve 1 und Kurve 5. Alle anderen gehen voll.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn der Trainings-Schnellste, Charles Leclerc, verliert bis Kurve 2 sogar noch mehr Zeit. Aufgrund der Bodenwellen in Turn 2 und 3 wirkt sich das 'Känguru'-Problem des Red Bulls erst nachher wirklich aus. Dieser Streckenabschnitt ist wie für den McLaren geschaffen, deshalb ist Norris auch dort der Schnellste der Top 3.

Red Bull hatte schon öfter in diesem Jahr Probleme damit, das Auto auf Anhieb ins richtige Fenster zu bringen. Abgesehen von Singapur reichte die Zeit aber trotzdem immer aus, um am Sonntag den Sieg davonzutragen. Es wäre also alles andere als eine Überraschung, wenn die Bullen nach FP3 ihre Setup-Probleme in den Griff bekommen würden. Ohnehin ist der Rückstand nicht allzu groß.

Ferrari-Bestzeit mit Windschatten erkauft?

Leclerc hat seine stärksten Stellen ebenfalls dort, wo man es sich vom Ferrari erwarten würde: In der Schikane nach der langen Geraden - Kurve 6/7. Dass er auch auf der langen DRS-Geraden sowohl Verstappen als auch Norris viel Zeit abknöpfen konnte, liegt an einem dezenten Windschatten, der ihm von Fernando Alonso gespendet wurde. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass Verstappen dafür auf der zweiten DRS-Gerade etwas von Windschatten profitierte - allerdings nicht so stark.

Mercedes ließ sich am Freitag am wenigsten in die Karten blicken. Eine Auffälligkeit bei den schwarzen Silberpfeilen: Aus Kurve 7 heraus verlieren beide viel Zeit, in Summe etwa drei bis vier Zehntelsekunden gegenüber Leclerc und Norris. Abgesehen davon sind sie auf der restlichen Strecke voll bei der Musik dabei.

Formel 1 in Abu Dhabi: Longruns mit wenig Aussagekraft

Die wichtigste Frage bleibt aber nach dem Trainingsfreitag unbeantwortet, und zwar jene nach der Rennpace. Kaum Trainingszeit, das bedeutet auch, dass kaum Zeit für aussagekräftige Longruns vorhanden war. Leclerc war der schnellste Longrunner auf den Soft-Reifen, er war allerdings nur unwesentlich schneller als Lando Norris. Verstappen und Sergio Perez fuhren überhaupt keine Renn-Simulation.

Ferrari wird im Qualifying von Red Bull als potenzielle Gefahr gehandelt - bei drei Poles in den letzten vier Rennen auch nicht weiter überraschend. Doch Leclerc will seiner Freitags-Bestzeit keine Bedeutung beimessen, denn: "Das Reifenmanagement ist der wichtigste Aspekt an diesem Wochenende", so der Monegasse. Wie dieses sich am Renn-Sonntag auswirken wird, ist mangels Trainings-Zeit noch nicht wirklich ersichtlich.

Crash-Freitag in Abu Dhabi: Verstappen schimpft auf Bummler! (09:53 Min.)