Wie schon im Vorjahr rücken in Spa-Francorchamps einmal mehr die Reifen in den Fokus der Aufmerksamkeit, sind am bisherigen Wochenende in Belgien neben dem Hype um Max Verstappen das große Thema. Bereits in den Trainings am Freitag kam es zu Klagen über rasanten Reifenabbau, Blasenbildung und zu hohe Reifendrücke.

Nach dem Qualifying setzen sich nun die Beschwerden in aller Härte fort - und das quer durch die Fahrergesellschaft. "Mit diesen Reifen, so wie sie sind, wird es hier für uns alle hart. Die Drücke sind so hoch, so etwas habe ich in meiner ganzen Rennfahrer-Karriere noch nie gesehen. Das ist lächerlich. Das hilft nicht, noch dazu ist es sehr heiß und mit diesen Drücken bekommen wir dann Blasen", poltert Lewis Hamilton. "Schon nach der dritten Runde sind die Reifen so schlecht, bauen so ab, so schnell ...", klagt der Weltmeister.

Vor allem Lewis Hamilton wetterte gegen die Reifen, Foto: Mercedes-Benz
Vor allem Lewis Hamilton wetterte gegen die Reifen, Foto: Mercedes-Benz

Wolff: Supersoft geht einfach ein

Damit zielt Hamilton insbesondere auf die superweiche Mischung. "Die Fahrer haben gesagt, dass man nach Kurve eins schon gemerkt hat, dass die Performance auf dem Supersoft nachgelassen hat. Wir sind nicht in der Lage mehr aus dem Reifen herauszuholen, weil er dann einfach eingeht", bestätigt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

In allen Session bislang seien die Reifen überhitzt. Auch deshalb tut sich Mercedes in Belgien bislang schwer, die sonst übliche Dominanz auf den Asphalt zu bringen. "Alle fahren hier auch sehr langsame Einführungsrunden, damit der Reifen nicht rausschießt", sagt Wolff.

Hier setzt auch Jenson Button seine Kritik an. "Du siehst es daran, wie langsam wir auf dem weg zur Startaufstellung rumfahren: Die meisten Autos fahren auf dem Weg in ihre Qualifying-Runde überhaupt nicht mit Vollgas. Sie bremsen nicht, sie pushen den Reifen nicht im geringsten", schildert der Weltmeister von 2009. "Wenn du in der Outlap pushen würdest, wären sie in Kurve drei fertig - mit Blasen und überhitzt. Was wir hier tun müssen, ist verrückt. Ich habe das nie zuvor in meiner F1-Karriere erlebt", ergänzt der McLaren-Pilot.

Jenson Button zeigt seine Meinung zu den Reifen in Belgien auch mimisch, Foto: Sutton
Jenson Button zeigt seine Meinung zu den Reifen in Belgien auch mimisch, Foto: Sutton

Hohe Reifendrücke das Zentrum der Kritik

Wie Landsmann Hamilton macht Button die Reifendrücke verantwortlich: "Es liegt an den Drücken, und die Temperaturen helfen natürlich auch nicht. Es ist schade, dass wir mit den Drücken so hoch liegen, weil wir mit den Reifen im Moment in einer Position sind, in der du das Auto nicht mehr pushen kannst. Du rollst die ganze Zeit nur rum mit diesen Reifen. Das ist gerade kein schönes Gefühl!"

Auch Nico Rosberg stimmt mit ein in den Kritiker-Chor. "Mit den Reifen ist es enorm schwierig da draußen. Die Reifen gehen sehr schnell kaputt. Es ist einfach heiß hier und Pirelli hat die Minimum-Reifendrücke sehr hoch gesetzt. Noch nie zuvor waren die so weit oben. Deswegen ist es einfach eine sehr ungewöhnliche Situation", sagt Rosberg. Alles Beschweren helfe jedoch nicht, man müsse jetzt eben damit zurechtkommen.

Doch das muss im Rennen nun final auf lange Distanz funktionieren. Ein Ding der Unmöglichkeit? Sergio Perez jedenfalls warnt: "Im Rennen wird das Problem erst richtig kommen, wie du die Reifen managen musst." Der Force-India-Pilot geht nicht einmal mehr davon aus, dass sich Blasenbildung überhaupt vermeiden lässt: "Es geht nur darum, wie früh die Blasen kommen. Und wenn es dich im ersten Sektor erwischt, kann es dir das wirklich vermasseln. Es ist so eine lange Runde und sobald du Blasen hast ist das Auto unfahrbar. Das kann echt wehtun."

Vor dem Rennen graut es Sergio Perez erst richtig, Foto: Sutton
Vor dem Rennen graut es Sergio Perez erst richtig, Foto: Sutton

Im Rennen geht der 'Spaß' erst richtig los

Auch Felipe Massa graut es bereits vor dem Rennen. Bereits am Freitag bezeichnete er die Reifen als Witz, jetzt legt der Brasilianer nach: "Bei diesen Temperaturen ist es, als würdest du mit einem Ballon fahren. Sie sind so anfällig. Ich habe keine Ahnung wie das Verhalten der Reifen sein wird. Ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben so einen hohen Reifendruck." Immerhin: Für Sonntag sagt der Wetterbericht leicht niedrigere Temperaturen voraus

Doch warum die ganze Aufregung um die Reifen? Hintergrund ist zuallerst der Belgien GP des Vorjahres, in dem Sebastian Vettel spektakulär mit einem Reifenschaden wegen Schnitten im Gummi ausschied. Seitdem gehören die Reifendruckvorgaben zum Alltag in der Formel 1. Bei der Rückkehr nach Belgien hat Pirelli daher besondere Vorsicht walten lassen und die Reifendrücke noch einmal erhöht, doch noch dazu schlichtweg nicht mit derartiger Hitze gerechnet, die das ganze Dilemma zusätzlich beschleunigt.

Pirelli schiebts aufs Wetter

Zumindest berufen sich die Italiener einzig auf diesen Faktor. "Die hohen Streckentemperaturen haben die Verschleiß- und Abbrieb-Raten auf einem Kurs, der bereits sehr belastend für die Reifen ist, erhöht", sagt Motorsport-Chef Paul Hembery. Entsprechend empfiehlt der Reifenhersteller für Spa, den superweichen Reifen maximal neun, den weichen 16 und den Medium 24 Runden zu nutzen.