Der erste Abschnitt der Saison 2014 ist bereits Geschichte, in drei Wochen reist der Formel-1-Zirkus zum ersten Europa-Rennen nach Barcelona. Zeit, für David Coulthard eine erste Bilanz zu ziehen. In seiner Kolumne bei der BBC nimmt der Schotte vor allem die Teamkollegen-Duelle unter die Lupe. Speziell nach dem China GP eine interessante Angelegenheit, wie auch aus der Renn-Analyse von Motorsport-Magazin.com hervorgeht.

Räikkönen sieht kein Land

Im Zentrum seiner Betrachtungen steht Kimi Räikkönen. Der Finne war in vier Rennen viermal langsamer als Teamkollege Fernando Alonso. "Es ist noch früh, aber es erinnert bereits an Räikkönens ersten Auftritt bei Ferrari, der nicht besonders eindrucksvoll war", schreibt Coulthard. Der Titelgewinn im Jahr 2007 ist ihm dabei nicht entgangen: "Das lag zum größten Teil daran, dass sich die McLaren-Fahrer gegenseitig das Leben schwer gemacht haben. Außerdem hat er immer noch den geschenkten Sieg beim letzten Rennen von Felipe Massa benötigt, um den Titel zu gewinnen."

Coulthard und Räikkönen kennen sich noch aus McLaren-Zeiten, Foto: Sutton
Coulthard und Räikkönen kennen sich noch aus McLaren-Zeiten, Foto: Sutton

Dafür, dass Räikkönen bei seinem Comeback im Lotus eine gute Figur macht, hat der Vizeweltmeister von 2001 zwei mögliche Erklärungen. "Lag es an einem sehr guten Paket und daran, dass Romain Grosjean einfach nicht so gut ist? Oder hat einfach für Räikkönen alles gepasst? Es ist schwierig zu beurteilen."

Nur auf Räikkönen einschlagen wollte Coulthard aber nicht. "Er ist ganz klar ein sehr talentierter Rennfahrer." Das Problem: "Wenn die Dinge nicht so gut laufen, dann hat er nicht die gleiche Arbeitsmoral wie beispielsweise Alonso." Ein Vorwurf, den der Finne erst in China vehement zurückzuweisen versuchte - allerdings sprach er dabei nur die Journalisten an, nicht die Experten: "Ich weiß nicht, warum ihr Journalisten jedes Mal mit diesem Mist von fehlender Motivation ankommt. Wenn mir die Motivation fehlen würde, dann würde ich nicht hier sitzen und solche Fragen beantworten."

Alonso ein Über-Fahrer

Coulthard sieht aber auch, dass Räikkönen mit Alonso einen schweren Brocken an seiner Seite hat. "Alonso war in China in einer fantastischen Form", räumt er ein. Daran, dass Alonso zu den besten Piloten seiner Generation gehört, besteht kein Zweifel, aber 43-Jährige geht noch weiter: "Abgesehen von 2007, als er Hamilton zur Seite hatte, hatte er nie Probleme mit seinen Teamkollegen."

"Und das lag nicht dran, dass einer besser als der andere war: Es war nur so, dass sich Alonso nicht wohlgefühlt hat. Zuerst wurden ihm von Ron Dennis Flitterwochen versprochen, dann wurde er vor dem Altar stehengelassen, weil Ron Dennis sich lieber auf Hamilton konzentrierte", so Coulthard.

Ricciardo mit Weltmeister-Potential

Lob gibt es aber nicht nur für Fernando Alonso. Auch Daniel Ricciardo hat David Coulthard schwer beeindruckt. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein. Jean Alesi sprach unlängst bei Motorsport-Magazin.com von der "größten Überraschung der Saison", auch Dauer-Kritiker Jacques Villeneuve zeigte sich beeindruckt, vor allem von der Renn-Performance.

Bei Red Bull ist das Duell eng, Foto: Red Bull
Bei Red Bull ist das Duell eng, Foto: Red Bull

"Der Australier hat den Deutschen in den letzten beiden Rennen offen und ehrlich geschlagen", meint DC. Dass er sich der Teamorder in Shanghai nicht sofort beugte, habe einmal mehr den Charakter des vierfachen Weltmeisters unterstrichen. "Wir wissen schon länger, dass Seb einen kleinen Krieger in sich trägt, der hervorkommt, wenn es hart auf hart kommt und schnell als negativ angesehen wird. Alonso ist da ähnlich."

Ricciardos Leistungen hätten gezeigt, dass der Australier "kein Mauerblümchen" ist, so der Schotte weiter, der dem 24-Jährigen weitere Qualitäten attestiert: "Er behandelt Vettel einfach wie einen Konkurrenten, aber einen, den er bis zu einem gewissen Grad beeinflussen kann, weil sie im selben Team fahren. Der Australier sagt dem Team genau, was er sich denkt. Das zeigt Rückgrat und Weltmeister-Potential."

Irgendwie sei die Situation auch nur zu verständlich bei Red Bull, meint Coulthard. Vettel hat gerade vier Titel in Folge gewonnen, Ricciardo kommt hungrig zum Weltmeisterteam. "Das zeigt aber alles nur, wie gut Ricciardo ist, es stellt nicht Sebastian Vettel in Frage." Für Coulthard steht fest: Niemand ist unbesiegbar. "Hamilton wurde besiegt. Auch Michael Schumacher und Ayrton Senna wurden besiegt. Es ist egal, wer du bist, man geht durch Höhen und Tiefen in seiner Form."

Gold für Alonso, Hamilton und Ricciardo

Jetzt müsse Ricciardo noch das machen, was Vettel die letzten Jahre geschafft hat: Zeigen, dass er mit dem richtigen Auto dann auch um die Weltmeisterschaft kämpfen kann. Das hat Lewis Hamilton bereits geschafft. Nico Rosberg musste sich die letzten drei Rennen hinter dem Briten anstellen, in Australien verhinderte ein technischer Defekt einen weiteren Hamilton-Triumpf.

"Bedeutet das, dass er [Rosberg] kein hervorragender Fahrer ist, keine Rennen und auch nicht die Weltmeisterschaft in diesem Jahr gewinnen wird? Natürlich nicht", gibt sich Coulthard die Antwort selbst. "Aber wenn ich als Lehrer Beurteilungen abgeben müsste, dann würde Hamilton den goldenen Stern bekommen und Rosberg den silbernen."

"Alonso würde auch einen goldenen bekommen, Räikkönen einen aus Bronze. Und bei Red Bull würde ich Ricciardo einen goldenen Stern geben und Vettel vielleicht einen bronzenen oder im Notfall einen silbernen. Aber diese Jungs sind alle außergewöhnlich und werden irgendwann auf den Gold-Pfad finden."