Marussia ist 2014 am Start - das klingt selbstverständlicher als es ist, denn das Team zahlte erst Ende Januar die Einschreibegebühr an die FIA. "Wir sind ein kleines Team und müssen unsere Geldflüsse managen", betont Teamchef John Booth. "Manchmal muss man Prioritäten setzen, aber wir wussten, dass bezahlt werden muss und haben bezahlt."

Lehrgeld bezahlte das Team während der Testfahrten in Jerez und Bahrain, wo es mit geringer Kilometerlaufleistung und qualmenden Boliden auffiel - nicht zu vergessen der beeindruckende Sprung von Max Chilton. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht im Geringsten besorgt bin", gibt Booth zu. "Es ist ok, zu denken, dass man die Probleme lösen kann, aber man muss es beweisen."

Max Chilton nahm seinen Hüpfer mit Humor., Foto: Max Chilton/Twitter
Max Chilton nahm seinen Hüpfer mit Humor., Foto: Max Chilton/Twitter

Das Team: Zu beweisen hat Marussia einiges, denn das immer wieder genannte Ziel, den ersten Punkt einzufahren, wurde bislang nicht erreicht. Das britisch-russische Team mit Sitz in Banbury geht in seine fünfte Saison, die dritte unter dem Namen Marussia. "Nach unserem Erfolg, dem zehnten Platz in der Konstrukteurs-WM, legen wir unser Augenmerk auf ein noch besseres Jahr 2014", kündigt Booth an. "Wir sehen jetzt wie ein echtes Formel-1-Team aus und agieren wie ein solches."

Zur Vorbereitung auf die anspruchsvolle Saison setzte Marussia auf Kontinuität - mit einer Ausnahme. Unter der Motorabdeckung werkelt ab 2014 ein Ferrari-Motor, da Cosworth derzeit nicht mehr als Motorenlieferant in der Formel 1 agiert. Auf personeller Seite verkündete das Teams jüngst eine prominente Verpflichtung: Luca Colajanni, der unter anderem als Leiter der Presseabteilung lange für Ferrari tätig war, erhält einen eigens kreierten Posten. Als Partnership Director soll er sich in technische und kommerzielle Partnerschaften einbringen. Vor allem seine hervorragenden Kontakte zur Scuderia dürften Marussia dabei zugutekommen.

Team - Note: gut

Neuzugang von Ferrari: Luca Colajanni., Foto: Sutton
Neuzugang von Ferrari: Luca Colajanni., Foto: Sutton

Das Auto: Unauffällig, unauffälliger, Marussia. Heimlich, still und leise rollte das Team den MR03 in Jerez aus der Garage, nachdem es ihn mit zwei Tagen Verspätung an die Strecke gebracht hatte. Der Grund: Ein Problem, das sich kurz vor der Abreise auftat, wollte die Mannschaft lieber in der heimischen Fabrik beheben als an der Rennstrecke. "Das Auto war rechtzeitig fertig - wir mussten nur einige Systemprobleme mehr als alles andere ausbügeln", versichert Lowdon.

Die Optik des MR03 polarisiert kaum, wie Leserumfragen auf Motorsport-Magazin.com zeigen. Bei der Wahl für das schönste Auto 2014 erhielt der schwarz-rot-weiße Bolide zwei Prozent der Stimmen. Bei der Wahl des hässlichsten Autos entfiel nur ein Prozent der Stimmen auf das Arbeitsgerät von Chilton und Bianchi.

Auto - Note: befriedigend

Der MR03 polarisiert nicht., Foto: Sutton
Der MR03 polarisiert nicht., Foto: Sutton

Die Zuverlässigkeit: Die Liste der Probleme, vor denen Marussia bei den Testfahrten stand, ist ebenso lang wie die abgespulte Distanz auf der Strecke kurz ist. Ob die - bei allen Teams obligatorischen - Schwierigkeiten mit der neuen Power Unit, Probleme bei der IT-Konfiguration, ein Trojaner-artiger Virus, Defekte beim Benzin-System oder Ausfälle im elektrischen System - Marussia hat so ziemlich alles durch. Immerhin soll laut Teamchef Booth kein Problem zwei Mal aufgetreten sein. Das ist allerdings nur ein schwacher Trost angesichts der Unmengen an Zeit, die das Team für Reparaturen aufbringen musste.

Dabei soll die Zuverlässigkeit der Trumpf werden bei Marussias Versuch, endlich einen WM-Zähler einzufahren. "Wir haben hart an unserer Zuverlässigkeit gearbeitet", sagt Lowdon. "Wir sind ein kleines Team, da ist Zuverlässigkeit ein großer Schub. In unserer Hydraulik-Abteilung arbeitet beispielsweise wahrscheinlich nur eine einzige Person - für den ist die Zuverlässigkeit am Auto eine unmittelbare Belohnung, weil er weiß, dass nur er dafür verantwortlich war." Die Früchte dieses Konzepts lassen allerdings noch auf sich warten. Immerhin war Marussia nicht das Schlusslicht der Testfahrten: Mit 1.685 gefahrenen Testkilometern liegt das Team vor Lotus.

Zuverlässigkeit - Note: mangelhaft

Der MR03 litt an zahlreichen Kinderkrankheiten., Foto: Sutton
Der MR03 litt an zahlreichen Kinderkrankheiten., Foto: Sutton

Die Fahrer: Erstmals in der Geschichte des Teams bleibt das Fahreraufgebot unverändert. Jules Bianchi wurde nach seinen überzeugenden Auftritten bereits früh bestätigt und zeigt sich vor seiner zweiten Formel-1-Saison ehrgeizig. "Wir wollen in Melbourne und auch bei allen anderen Rennen bis zum Ende dabei sein, aber vielleicht werden wir ja auch in der Lage sein, unter regulären Bedingungen um Punkte zu kämpfen - das ist es, was wir wollen."

Max Chilton, alias Mister Zuverlässig, der in der Saison 2013 als einziger Pilot alle Rennen beendete, wurde offiziell erst im Januar für ein weiteres Jahr verpflichtet. "Kontinuität ist wichtig für das Team und auch für mich als Fahrer. Man lernt sehr viel in seiner Debütsaison, aber erst im zweiten Jahr kann man die neuen Erfahrungen richtig anwenden und sein wahres Potenzial zeigen", unterstreicht er. Eine Steigerung wird allerdings auch dringend nötig sein, wenn er sich in der Königsklasse halten will.

Fahrer - Note: befriedigend

Redaktionskommentar

Holt er für Marussia den ersten Punkt?, Foto: Sutton
Holt er für Marussia den ersten Punkt?, Foto: Sutton

Saisonziel: Raus aus der Punktewüste

PRO: Marussia setzt im Gegensatz zu Hauptkonkurrent Caterham auf Kontinuität. In wichtigen Punkten aber geht das Team neue Wege. Der Ferrari-Motor sieht zwar (noch) nicht so stark aus wie der von Mercedes, aber sehr viel besser als der Renault. Und mit Luca Colajanni hat das Team einen Top-Mann verpflichtet. Das Selbstverständnis von Marussia ist ganz offensichtlich ein anderes und deshalb glaube ich, dass es dieses Jahr mit dem ersten Punkt klappen wird. (Annika Kläsener)

CONTRA: Schlecht, schlechter, Marussia. Nach der mieserablen zweiten Saisonhälfte 2013 knüpft das Team bislang nahtlos an diese Horrorperformance an. Unzählige technische Probleme, die zweitwenigsten Testkilometer, Rundenzeiten jenseits von gut und böse - bei normalem Saisonverlauf dürfte Marussia der letzte Platz bei den Konstrukteuren nicht zu nehmen sein. Ein Punktgewinn ist dabei ähnlich utopisch wie in der vergangenen Saison, als das Team zumindest zu Saisonbeginn ordentliche Platzierungen um den 15. Rang erzielte. Den Sprung in die Turbo-Ära der Formel 1 hat Marussia definitiv gehörig verschlafen. (Samy Abdel Aal)

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