Hatschi! Daniel Ricciardo kommen fast die Tränen, als er versucht, sein Rennen auf dem Nürburgring in Worte zu fassen. Hatschi! Immer wieder unterbricht er seine Erklärung unter einer neuen Niesattacke. Hatschi!! Motorsport-Magazin.com bietet dem Australier ein Taschentuch an. "Dieser verdammte Heuschnupfen!", sagt er dankend und mit einem entwaffnenden Lächeln.

Weder das hartnäckige Niesen noch die verlorene Gelegenheit auf WM-Punkte von Startplatz sechs können die Stimmung des Australiers an diesem sonnigen Nachmittag in der Eifel vermiesen. Ricciardo ist der typische australische Sunnyboy. Mit seinen kurzen Hosen und dem breiten Grinsen wirkt er in jeder Situation entspannt und freundlich. Er hat stets ein Lächeln auf den Lippen, Zeit für ein kurzes Gespräch und kommt auch als einer der 22 schnellsten Rennfahrer der Welt immer sympathisch rüber.

Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com: Ricciardo hat stets ein Lächeln auf den Lippen, Foto: Sutton
Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com: Ricciardo hat stets ein Lächeln auf den Lippen, Foto: Sutton

Er selbst sieht diese Einstellung als typisch australisch an. "Wir sind ehrliche Menschen, sagen meistens, was wir denken", erklärt er im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Es macht in meinen Augen keinen Sinn, mich anders zu geben, als ich tatsächlich bin. In so einer Rolle würde ich mich nicht wohl fühlen. So lange es nichts Kontroverses ist, sage ich zu 99,9% auch das, was ich denke. Die Leute sollen mich kennen, wie ich bin."

Wo andere Formel-1-Piloten sich gerne einmal zu gut dafür sind, anderthalb Minuten ihrer kostbaren Zeit für eine Aussage zu ihrem Qualifying oder Rennen zu investieren, steht der Toro-Rosso-Fahrer ohne Diskussionen Rede und Antwort - selbst wenn ihn der fiese Heuschnupfen plagt. Dafür erhält er von uns auch gerne das eine oder andere Taschentuch geschenkt.

Die traute Dreisamkeit - die Pressesprecherin immer im Schlepptau - ist spätestens seit den Young Driver Tests in Silverstone allerdings vorbei. Nach seinem doppelten Testauftritt für Red Bull Racing und Toro Rosso und dem möglichen Aufstieg als Webber-Nachfolger zum Vettel-Team steht Ricciardo im Mittelpunkt des Medieninteresses.

Bei seiner Medienrunde am Donnerstag in Budapest ist er von Journalisten umlagert. Wo sonst fünf Kollegen sitzen, sind es jetzt gut und gerne fünf Mal so viele. Der Tisch quillt vor Diktiergeräten fast über, wer zu spät kommt, hat keine Chance, sich durch die Menschentraube bis nach vorne durchzuwühlen.

Der letzte Ausweg führt an den Nebentisch - dort sitzt Ricciardos Teamkollege Jean-Eric Vergne, von ein paar französischen Kollegen abgesehen, nahezu unbehelligt und beobachtet das Spektakel aus sicherer Entfernung. Also ähnlich wie im Cockpitkampf gegen Ricciardo, der sich spätestens mit seiner Nominierung für einen Red-Bull-Test im internen Duell durchgesetzt hat. Und auch Kimi Räikkönen wird von vielen nicht mehr als echte Gefahr angesehen. Für sie hat Ricciardo das Rennen in der Webber-Nachfolge bereits gemacht.

Aber was zeichnet diesen 24-jährigen Australier aus Perth eigentlich aus? Ein sympathisches Auftreten ist die eine Sache, aber der Speed im Cockpit muss trotzdem stimmen. Das ist bei Ricciardo der Fall. Bereits bei seinem ersten Formel-1-Test im Dezember 2009 in Jerez beeindruckte er am Steuer eines RB5. Platz 4 am ersten Tag, Platz 3 am zweiten Tag und Bestzeit am letzten Testtag. So ging es weiter: Zweiter F1-Test bei den Young Driver Tests in Abu Dhabi 2010, die nächsten beiden Bestzeiten im Weltmeisterauto. Die Diskussionen um das zweite Red-Bull-Cockpit für 2014 schienen ihn noch einmal mehr zu beflügeln.

Der Medien-Andrang hat sich vervielfacht, Foto: Red Bull
Der Medien-Andrang hat sich vervielfacht, Foto: Red Bull

Einfach war sein Weg in die Königsklasse nicht. Ricciardo ist der 17. Formel-1-Fahrer aus Down Under, nur drei davon haben auch Grands Prix gewonnen, zwei wurden Weltmeister. Nicht jeder junge Aussie ist eben dafür geschaffen, den Sprung nach Europa zu wagen - ohne Familie und Freunde, ganz auf sich allein gestellt. "Das ist der Knackpunkt, an dem viele Talente zerbrechen", weiß Ricciardo. Ohne die nötige Disziplin und Training statt Partys geht die Karriere schnell den Bach hinunter. Ricciardo ließ sich nicht in Versuchung führen, blieb stark und sagte sich: "Ich liebe das Rennfahren und am Ende war es für mich keine schwierige Entscheidung, mich zwischen Partys und Racing zu entscheiden."

Das bedeute jedoch nicht, dass man als Fahrer keinen Spaß haben könne, man habe ihn vielleicht nur etwas später, betont er. Möglicherweise nachdem er den besten Ratschlag seiner bisherigen Formel-1-Karriere befolgt hat. Die Motorsport-Magazin.com Redakteure wollen wissen, wie dieser denn lautete? Ricciardo überlegt kurz, setzt ein schelmisches Grinsen auf und antwortet: "Werde Weltmeister und trete dann zurück." Vielleicht könnte sich schon bald die Gelegenheit dazu ergeben.