Kompakt, aber trotzdem knallhart: Auch die 27. "Dakar" machte ihrem Ruf einmal mehr alle Ehre, die härteste Herausforderung zu sein, die im modernen Motorsport existiert. Auf dem 8.956 Kilometer langen Weg von Barcelona bis in die Hauptstadt des Senegals bewies sich auch in diesem Jahr eine der ältesten Weisheiten der Rennerei: "To finish first, you first have to finish" – wer das Ziel als Erster erreichen will, muss zuallererst das Ziel erreichen. Mitsubishi-Werksfahrer und BFGoodrich-Partner Stéphane Peterhansel wusste wie: Mit klugem Kalkül hielt sich der Vorjahressieger aus heißblütigen Positionskämpfen heraus und sicherte sich dadurch – Erfolge als Motorradfahrer eingerechnet – seinen neunten (!) Dakar-Sieg. Auf Platz zwei erreichte der ehemalige Ski-Abfahrt-Weltmeister Luc Alphand in einem weiteren Mitsubishi Pajero das Ziel. Jutta Kleinschmidt – "Dakar"-Siegerin von 2001 – erkämpfte sich mit ihrem VW Race Touareg einen überaus beachtenswerten dritten Rang. Reifenausrüster BFGoodrich verbessert mit diesem Ergebnis die eigene Erfolgsbilanz auf nunmehr sechs Siege, davon vier in Folge.

Wer sie auf die leichte Schulter nimmt, hat bereits verloren: Die "Dakar", berühmtester Marathon-Raid der Welt, zeigte sich auch in diesem Jahr wieder von ihrer besonders gnadenlosen Seite. Viele, die auf den ersten Metern bereits wie Anwärter auf den Sieg aussahen, mussten nur wenig später einsehen: schnell sein allein genügt nicht – mindestens ebenso wichtig ist es, irgendwann plötzlich zu schnell zu sein…

Prominente Beiträge zu diesem Thema können auch nach der diesjährigen Ausgabe einige Dakar-Teilnehmer leisten, die sich im Motorsport bereits einen wohlklingenden Namen gemacht haben – wie zum Beispiel Collin McRae. Der ehemalige Rallye-Weltmeister glänzte bei seinem zweiten Start mit flotten Zeiten – bis zur sechsten Etappe. "Dass die Bodenwelle so tückisch sein würde, war nicht zu erkennen", so der sichtlich beeindruckte Schotte, der nach einem mehrfachen Tulup mit angedeuteter Bielmann-Pirouette einen nachhaltig zerstörten Werks-Nissan zwischen Smara und Zouerat zurückließ. Eines jedoch stellte McRae, der den Mega-Crash ebenso wie Beifahrerin Tino Thörner unverletzt überstand, unverzüglich klar: Dass er mit der "Dakar" noch eine Rechnung offen hat, die er im kommenden Jahr begleichen möchte...

US-Boy Robby Gordon überrascht vom eigenen Tempo

Nicht viel besser erging es noch am gleichen Tag und nur wenige Kilometer später dem US-Amerikaner Robby Gordon: Der NASCAR-Star aus Kalifornien, der zuvor in seinem Heimatland mehrfach die ebenfalls berühmte "Baja California" gewonnen hatte, übernahm wohl auch zu seiner eigenen Überraschung schon früh die Führung in der Gesamtwertung, büßte diese kurz an McRae ein, um sie auf Etappe fünf wieder zurückzuerobern. Doch zu diesem Zeitpunkt begann das Afrika-Abenteuer erst richtig – wie der VW-Werksfahrer kurz nach seinem 36. Geburtstag leidvoll erleben musste: Eine Bodenwelle hebelte die Hinterachse seines Race Touareg heftig aus, die mehrfache Rolle seitlich blieb unvermeidlich – aus der Traum von der eigenen Operation Wüstensturm. Doch den Mechanikern von Volkswagen Motorsport gelang im Biwak das Kunststück, das ramponierte Renngerät des US-Boys wieder in einen konkurrenzfähigen Zustand zu versetzen. Fortan sammelte Gordon als fliegender Service für Jutta Kleinschmidt weitere Sahara- und Sahel-Zonen-Erfahrungen – und schwört, im kommenden Jahr auf jeden Fall wieder für Volkswagen an den Start zu gehen.

Doch auch Routinier mussten früh die Segel streichen. Wie zum Beispiel Hiroshi Masuoka und sein deutscher Beifahrer Andreas Schulz. Sie demolierten auf der vierten Etappe die Radaufhängung ihres von BFGoodrich bereiften Werks-Mitsubishi Pajero nachhaltig und fielen zurück. Ein Überschlag beendete die Veranstaltung für den Gesamtsieger von 2002 und 2003 wenige Tage später.

Vorjahressieger Stéphane Peterhansel indes, von einer Grippe geplagt, ging die diesjährige "Dakar" eher vorsichtig an: Erst auf der siebten Etappe – dem ersten Tag des ersten von zwei Marathon-Abschnitten, die sich durch einen Service-Verbot beim Übernacht-Stopp auszeichnen – legte der einstige Motorrad-Star sein wahres Tempo offen und übernahm mit seinem zweiten Etappensieg die Spitze. Eine Position, die der erfahrene Afrika-Spezialist bis ins Ziel nicht mehr abgeben sollte...

Stellte ihre Klasse unter Beweis: Jutta Kleinschmidt

Fast zeitgleich hat sich auch Peterhansels Mitsubishi-Teamkollege Luc Alphand auf die zweite Position vorgeschoben – vor Jutta Kleinschmidt, die sich im ebenfalls von BFGoodrich ausgerüsteten Volkswagen Race Touareg einmal mehr nicht nur durch fahrerische Klasse, sondern auch durch ihr taktisches Gespür auszeichnete. Während die Positionen an der Spitze auf dem weiteren Weg durch Mauretanien und Mali unverändert blieb, musste die in Köln geborene Wahl-Monegassin allerdings noch derbe Schreckminuten verkraften: Auf der 14. Etappe – also praktisch kurz vor dem Ziel – versagte nach einer Wasserdurchfahrt zuerst die Servounterstützung und wenig später auch die Lenkung selbst ihren Dienst. Des einen Pech, des anderen Glück – diesesmal nur andersherum: "Ein riesiges Dankeschön an Robby", so die VW-Fahrerin in Gedanken an ihren "fliegenden Service" aus den Vereinigten Staaten. "Er ist ein sensationeller Mechaniker, denn er hat in weniger als zwei Stunden die Lenkung gewechselt."

Aus dem Kampf um den Gesamtsieg durfte sich die sympathische BFGoodrich-Fahrerin damit zwar verabschieden, Rang drei in der Gesamtwertung jedoch konnte Kleinschmidt behaupten und noch dazu einen Etappensieg auf ihr Konto verbuchen – ebenso wie die Nissan-Piloten Giniel de Villiers, der gleich zweimal die Tagesbestzeit an sich reißen konnte, und Ari Vatanen. Der ehemalige Rallye-Weltmeister und heutige Europa-Abgeordnete stellte sein unvermindertes fahrerisches Talent auf der 529 Wertungsprüfungs-Kilometer langen Etappe 14 unter Beweis. Allerdings profitierte er auch davon, dass Robby Gordon zwecks Reparatur des Kleinschmidt-VW seine eigene Zeitenjagd einstellte.

Stéphane Peterhansel konnten diese Zwischenfälle nicht mehr beunruhigen: Mit einem beruhigenden Vorsprung von 27,13 Minuten startete der Franzose vor seinem Landsmann und Teamkollegen Alphand zur letzten, kaum noch 30 Kilometer umfassenden Schlussetappe der diesjährigen Dakar, die traditionell am "Lac Rosé" endete. Für seinen Reifenpartner BFGoodrich erfüllt sich damit ein langgehegter Traum: Der sechste Erfolg beim weltberühmten "Dakar"-Marathon.

Gesamtstand

Platz Fahrer (Team) Etappenzeit Zeit/Rückstand
1. St. Peterhansel/J.-P. Cottret (Mitsubishi) 22.09 Min. (11.), 52:31.39 Std.
2. L. Alphand/G. Picard (Mitsubishi) 22.10 Min. (12.) + 27.14 Min.
3. J. Kleinschmidt/F. Pons (VW) 20.15 Min. (4.) + 3:22.00 Std.
4. G. de Villiers/J.-M. Lurquin (Nissan) 20.15 Min. (4.) + 4:02.36 Std.
5. B. Saby/M. Périn (VW) 19.00 Min. (1.) + 8:44.14 Std.