Toyota hat am Freitag den Anfang gemacht, jetzt war auch Porsche dran: Die Zuffenhausener haben ihren neuen LMP1-Rennwagen für die Langstrecken-Weltmeisterschaft 2017 präsentiert. Porsche stellte den neuen 919 Hybrid kurz vor dem Beginn des Prologs in Monza, mit dem die WEC am Wochenende offiziell in die Saison startet, vor. Mit dem Neuen will der Hersteller nach 2015 und 2016 auch in diesem Jahr die legendären 24 Stunden von Le Mans sowie die Langstrecken-WM gewinnen.

Der 919 Hybrid leistet insgesamt rund 900 PS und startet auch 2017 in der höchsten Energie-Effizienzklasse, die das Reglement vorsieht. Heißt: Auf einer 13,629 Kilometer langen Runde in Le Mans darf er 8 Megajoule aus der Energierückgewinnung einsetzen, dafür aber maximal 4,31 Liter Benzin verbrauchen.

Absolute Grenzerfahrung

"Standfestigkeit ist die Basis", sagte Porsches LMP1-Leiter Fritz Enzinger. "Sechs Stunden im dichten Verkehr der verschiedenen Rennwagen-Kategorien mit ihren Geschwindigkeitsunterschieden machen jeden Lauf unberechenbar und am Ende entscheiden oft nur Sekunden über den Sieg. Dabei bildet Le Mans mit der vierfachen Dauer der normalen Rennen die Spitze. Dieses 24-Stunden-Rennen ist eine absolute Grenzerfahrung für Mensch und Material."

Nicht nur der Motor wurde überarbeitet, auch am Chassis werkelten die Porsche-Ingenieure. Der 919 muss sich dem neuen WEC-Reglement anpassen, durch das der Abtrieb verringert werden soll, um für langsamere Kurvengeschwindigkeiten zu sorgen. Auf dieser Basis baute Porsche zwei komplett neue Aerodynamik-Pakete für den 919-Rennwagen. Im vergangenen Jahr hatte Porsche noch auf drei unterschiedliche Aero-Konfigurationen gesetzt.

Der neue Porsche 919 Hybrid leistet rund 900 PS, Foto: Porsche
Der neue Porsche 919 Hybrid leistet rund 900 PS, Foto: Porsche

Le Mans wird langsamer

Eines der Aero-Pakete ist komplett auf die 24 Stunden von Le Mans ausgelegt - also mit möglichst wenig Abtrieb. Das zweite Package kommt auf kurvigeren Strecken zum Einsatz. An der Sarthe erwartet Porsche einen Anstieg der Rundenzeiten von drei bis vier Sekunden. "Insgesamt lässt sich der Anteil der Neuentwicklungen für die Saison 2017 auf 60 bis 70 Prozent des Gesamtfahrzeugs beziffern", erklärte Teamchef Andreas Seidl. "Das Monocoque blieb gegenüber 2016 identisch, alle anderen Bauteile wurden auf ihr Optimierungspotenzial überprüft und mehrheitlich verändert."

Beim neuen 919 stechen gleich die höheren, breiteren und längeren Radhäuser ins Auge. Seitlich sind sowohl die angepassten hinteren Lufteinlässe für die Kühler als auch der neue Durchlass vom Monocoque zum Radhaus auszumachen. Seidl: "2016 saugte die Frontpartie zu leicht Gummiabrieb von der Strecke auf. Dieser setzte sich fest und störte die Fahrzeugbalance. Das Phänomen wurde analysiert. In der Folge konnten wir die entsprechenden Karosserie-Teile optimieren."

Gelingt Porsche der Hattrick in Le Mans?, Foto: Porsche
Gelingt Porsche der Hattrick in Le Mans?, Foto: Porsche

900 PS kombiniert

Vieles ist neu unter der Haube des 919 Hybrid, der allerdings nicht mehr wiegen soll als sein erfolgreicher Vorgänger. Überarbeitet wurden das Getriebe an Vorder- und Hinterachse, der Verbrennungsmotor, die E-Maschine und die Rückgewinnungssysteme. Das Prinzip des Antriebs bleibt unverändert: Die Hinterachse des 919 wird von einem 2 Liter V4-Motor mit knapp 500 PS angetrieben. Darüber hinaus speisen zwei unterschiedliche Energierückgewinnungssysteme - Bremsenergie von der Vorderachse und Abgasenergie - über eine Lithium-Ionen-Batterie den Elektromotor, der auf Abruf die Vorderachse mit zusätzlich über 400 PS antreibt.

Etwa 60 Prozent der zurückgewonnenen Energie trägt das KERS der Vorderachsbremsen bei. 40 Prozent liefert die Abgasenergierückgewinnung. Von der an der Vorderachse gewonnenen Bremsenergie wiederum werden durchschnittlich 80 Prozent direkt in Antriebsenergie umgewandelt. Zur Abgasenergierückgewinnung sitzt im Abgastrakt eine kleine Turbine. Sie dreht mehr als 120.000 Mal pro Minute und treibt einen Generator an. Der so erzeugte Strom wird Batterie zwischengespeichert. Von dort kann der Fahrer die Energie per Knopfdruck abrufen.

Der Porsche 919 rekuperiert Energie nicht nur beim Bremsen, sondern auch beim Beschleunigen, Foto: Porsche
Der Porsche 919 rekuperiert Energie nicht nur beim Bremsen, sondern auch beim Beschleunigen, Foto: Porsche

Mit diesen Fahrern greift Porsche an

Nach drei Jahren konstanter Fahrerbesetzung startet Porsche 2017 mit zwei neu zusammengestellten Trios. Den Hybrid-Rennwagen mit der Startnummer 1 teilen sich Neel Jani, Andre Lotterer und Nick Tandy. Jani ist amtierender Weltmeister und Le-Mans-Sieger von 2016. Lotterer wurde 2012 mit Audi Weltmeister und bringt die Erfahrung von drei Le-Mans-Gesamtsiegen mit. Tandy gehörte 2015 zur siegreichen Porsche-Mannschaft in Le Mans.

Am Steuer des Schwesterautos mit der Startnummer 2 wechselt sich Timo Bernhard, Weltmeister 2015, mit den beiden Neuseeländern Earl Bamber und Brendon Hartley ab. Bamber siegte 2015 zusammen mit Tandy in Le Mans, Hartley wurde im selben Jahr gemeinsam mit Bernhard Langstrecken-Weltmeister.

Porsche startet 2017 mit zwei 919 Hybrid in der WEC und in Le Mans, Foto: Porsche
Porsche startet 2017 mit zwei 919 Hybrid in der WEC und in Le Mans, Foto: Porsche

Porsche belässt es in der Saison 2017 bei zwei Einsatzboliden. Der große LMP1-Gegner Toyota schickt beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans sogar drei TS050-Autos ins Rennen. Zur Vorbereitung auf den Klassiker an der Sarthe startet ein dritter Toyota auch beim vorigen Rennen in Spa-Francorchamps. Toyota hatte sein neues Auto für die Saison 2017 am Freitagmorgen der Öffentlichkeit präsentiert.

Folgt der 19. Sieg in Le Mans?

Porsche blickt auf eine große Vergangenheit in Le Mans zurück. Im vergangenen Jahr gelang dem Hersteller der insgesamt 18. Gesamtsieg beim wohl berühmtesten Rennen der Welt. Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb profitierten dabei vom Drama rund um Toyota, die in Führung liegend eine Runde vor Schluss ausfielen. 2015 schnappte sich Porsche den Le-Mans-Sieg mit Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg, Earl Bamber und Nick Tandy am Steuer. Der erste Gesamtsieg datiert aus dem Jahr 1970, damals siegten Hans Hermann und Richard Atwood auf einem Porsche 917 Kurzheck Coupe.

Porsche 919 Hybrid - Technische Spezifikationen

Monocoque Verbundfaser-Konstruktion aus Carbonfasern mit Aluminium- Wabenkern
Verbrennungsmotor Vierzylindermotor mit Turboaufladung, 4 Ventile pro Zylinder, DOHC, Garrett-Turbo, Benzin-Direkteinspritzung
Höchstdrehzahl ca. 9.000/min
Motor-Leistung 500 PS Hinterachse
MGU-Leistung 400 PS Vorderachse
Hybridsystem KERS mit Motor-Generator-Einheit an der Vorderachse, ERS zur Rückgewinnung von Abgasenergie
Antrieb Heckantrieb, Traktionskontrolle, temporärer Allradantrieb per Boost über E-Maschine an der Vorderachse
Fahrwerk Vorne und hinten Einzelrad-Aufhängung, Pushrod-System
Räder Magnesium-Schmiedefelgen von BBS; Michelin Radialreifen, vorne und hinten: 310/710-18