Ein bekannter Name ziert das diesjährige Starterfeld der WEC sowie in Le Mans: Manor. Das britische Team, dessen Name seit den 90er Jahren im Motorsport vertreten ist, tritt mit einem Oreca 05-Nissan in der LMP2-Klasse an. Federführend beteiligt sind Graeme Lowdon sowie John Booth, die beide das gleichnamige Formel-1-Team Ende 2015 im Zuge weitreichender Umstrukturierungsmaßnahmen verließen.

"Wir sind begeistert, an der Langstrecken-Weltmeisterschaft teilnehmen zu können", verlautbarte Booth auf einer Pressekonferenz in Paris. "Es ist eine fantastische Serie, die sich auf Kultstrecken auf der ganzen Welt präsentiert. Der Wettbewerb ist sehr hoch und wir freuen uns sehr darauf, wieder am Renngeschehen teilnehmen zu können", erklärte Booth weiter. Wie bereits in der Formel 1, so wird Booth auch in der WEC die Rolle als Teamchef ausüben.

Als das Manor-Team 2010 unter dem Namen "Virgin Racing" in die Formel 1 einstieg, waren Booth und Lowdon nach Jahren in den Nachwuchsserien am Ziel angekommen. Doch die folgende Zeit entwickelte sich nicht wie erhofft, regelmäßig zierte man das Ende des Feldes. Ende 2014 schaffte man es mit Hilfe des Investors Stephen Fitzpatrick, die Insolvenz abzuwenden, doch aufgrund diverser Meinungsverschiedenheiten trennten sich die Wege im vergangenen Jahr. Mit der LMP2 hat man nun aber echt schnell ein neues Betätigungsfeld gefunden.

Le Mans als Lebenstraum

"Für uns ist es eine neue Herausforderung. Besonders Graeme ist seit vielen Jahren ein großer Fan von Le Mans und es erschien für uns als der logische nächste Schritt", gab Booth zu, dass Lowdon den Stein ins Rollen brachte. "Es war uns klar, dass wir im Formelsport nichts anderes machen werden, als die Formel 1. Wir hatten kurz über die IndyCar nachgedacht, aber die Liebe zu Le Mans hat uns übermannt und wir spürten, dass die LMP2 für Privatteams aktuell die beste Möglichkeit bietet, konkurrenzfähig zu sein", klärt Booth über die Denkweise auf.

Manor ist also in der LMP2, aber worin besteht die Verbindung zum Formel-1-Team? Und wer wird in der WEC fahren? Auf diese und weitere Fragen gibt Motorsport-Magazin.com die Antworten.

Was hat das WEC-Manor mit dem F1-Manor zu tun?

Kurz gesagt: nichts mehr. Die Ursprünge des Formel-1-Teams liegen bei Manor Motorsport. Dieses Unternehmen wurde 1990 durch John Booth gegründet, im Jahr 2000 stieß Graeme Lowdon hinzu. Nach vielen Jahren in verschiedenen Nachwuchsserien - unter anderem in der Formel-3-Euroserie - gelang mit Hilfe des Milliardärs Richard Branson 2010 als "Virgin Racing" der Einstieg in die Formel 1. 2012 stieg der russische Autohersteller Marussia als Hauptsponsor und Namensgeber ein, Ende 2014 zog er sich jedoch wieder zurück und hinterließ ein bankrottes Team. Der Investor Stephen Fitzpatrick übernahm den Rennstall, Lowdon und Booth blieben zunächst jedoch in den leitenden Positionen als Teamchef (Booth) respektive Sportdirektor (Lowdon).

Im Laufe des Jahres 2015 kam es vermehrt zu Unstimmigkeiten, die schlussendlich zum Abgang von Booth und Lowdon zum Saisonende führten. Nun gründeten sie die neue Firma Manor Endurance Racing Ltd., die als Tochterfirma von Manor Motorsport die Einsätze in der LMP2 durchführt. "Ich hatte keinen Kontakt mehr zum Team seit dem letzten Grand Prix 2015. Manor ist seit 26 Jahren im Motorsport, daher ist es der logische Name, mit dem wir nun fortfahren", erklärte Booth. Bei Twitter findet man neben dem F1-Account @ManorRacing übrigens auch Manor Motorsport als @realManor...

Wie sieht das Programm aus?

Manor tritt bei allen Läufen der WEC in der LMP2-Klasse an, also auch bei den 24 Stunden von Le Mans. Als Fahrzeug dient ein Oreca 05, angetrieben von einem Nissan-Motor. Mit dieser Kombination sicherte sich Manor gleich ein siegfähiges Paket, denn 2015 gewannen Richard Bradley, Matthew Howson und Nicolas Lapierre in einem identischen Boliden die LMP2-Wertung in Le Mans. Graeme Lowdon wird wieder für den operativen Teil des Unternehmens verantwortlich zeichnen, John Booth ist der Chef an der Rennstrecke. Hinzu kommt mit Marc Hynes ein weiterer alter Bekannter des Teams. Zuletzt war er bei Manor Marussia für die Fahrerentwicklung zuständig, im WEC-Programm wird er eng mit Booth zusammenarbeiten.

KCMG fuhr 2015 mit dem identischen Paket zum SIeg in Le Mans, Foto: Speedpictures
KCMG fuhr 2015 mit dem identischen Paket zum SIeg in Le Mans, Foto: Speedpictures

Wer sind die Piloten?

Bislang gab Manor nur einen Fahrer bekannt: Tor Graves. Der Thailänder fuhr 1999 und 2003 bereits für Manor in der Britischen Formel 3, jedoch mit arg begrenztem Erfolg. 2012 und 2013 war Graves in Le Mans am Start, seine beste Platzierung war der sechste Rang in der LMP2 im Jahr 2012. Diese Erfahrung gab auch den Ausschlag für die Verpflichtung. "Tor ist in vielen Meisterschaften gefahren und er versteht die WEC sehr gut, nicht zuletzt weil er in zwei Saisons dort aktiv war", erläuterte Booth. Die beiden anderen Fahrer möchte Manor relativ zeitnah präsentieren.

Wie sieht die Zukunft über 2016 hinaus aus?

Mit den Regeländerungen in der WEC, die 2017 in Kraft treten sollen, könnte es für Privatiers einfacher werden, auch in der höchsten Kategorie erfolgreich zu sein. Entsprechend schielt man auch bei Manor auf einen Aufstieg. Doch das ist noch Zukunftsmusik. "2016 ist ein echtes Lehrjahr. Wir müssen in kurzer Zeit viel lernen, aber wir beabsichtigen, eine lange Zeit im Langstreckensport aktiv zu sein und Rennen zu gewinnen", macht Booth keinen Hehl aus den Ambitionen. "Die LMP1-Regeln für 2017 sind noch nicht in trockenen Tüchern, daher haben wir uns noch nicht entschieden, was wir 2017 machen. Aber wir sind allgemein mit den LMP-Boliden äußerst glücklich; es sind tolle Autos mit unglaublichem Grip. Wir können es nicht erwarten, endlich Rennen damit zu bestreiten!", zeigt Booth seine Vorfreude.