Die W Series kündigte am 10. Oktober 2022 das vorzeitige Ende der Rennserie an. Schon während des Grand Prix in Singapur wurde bestätigt, dass der Rennserie die finanziellen Mittel fehlen. Jetzt wurde unter anderem bestätigt, dass im Zuge der Saison auch die drei letzten Rennen nicht mehr abgehalten werden können. Durch die Absagen wurde Jamie Chadwick zur Meisterin. "Wir alle wollten, dass diese Saison auf der Strecke endet, aber ich bin sehr stolz darauf, dreifache Titelträgerin zu sein", so die Britin.

Mit insgesamt sechs Podien und fünf Rennsiegen holte sich die Britin ihren dritten Titel in Folge. Durch das vorzeitige Saisonende steht nicht nur die Zukunft der W-Series in den Sternen, sondern auch die von Chadwick. Catherine Bond Muir, die Chefin der Rennserie, verabschiedete sich bereits von der Britin. "Wir sind und waren schon immer Stolz auf ihre Karriere und wünschen ihr im nächsten aufregenden Abschnitt alles gute", so die W-Series-Chefin.

Die dritte Saison in der W Series hatte Chadwick eigentlich überhaupt nicht geplant. Sie strebte einen Aufstieg in die Formel 3 an, um ihrem Traum von der Königsklasse näherzukommen. Im Frühjahr 2022 gab Chadwick dennoch ihr Comeback in die Frauen-Formelserie bekannt, da das nötige Geld für einen F3-Sitz fehlte. So zeigte die Britin in der W Series eine beeindruckende Dominanz, die ihr den dritten Titel und erneut 500.000 Dollar Preisgeld einbrachte.

Drei W-Series-Titel - Einer zu viel?

Doch war Chadwick für die W Series bereits eine Nummer zu groß? "Keinesfalls", meint die Britin. "Es gibt immer noch viel zu lernen. Zeit auf der Rennstrecke ist unglaublich kostbar. Deswegen kann man nicht sagen, dass die W Series nicht vorteilhaft ist. Wir bekommen dadurch die Erfahrung im Auto und lernen neue Strecken kennen."

Chadwick, die 2022 für das Team Jenner Racing an den Start ging, konnte fünf von sieben Rennen gewinnen. In der gesamten Saison stand sie sechs Mal auf dem Podium. "Natürlich willst du jedes Rennen gewinnen, das wollte ich auch in den Saisons davor", so Chadwick. "Dieses Jahr lief es einfach besonders gut."

Chadwick: Gespräche finden statt

Chadwick testete Indy-Lights mit Andretti Autosport, Foto: Hankook
Chadwick testete Indy-Lights mit Andretti Autosport, Foto: Hankook

Die W Series hat Chadwick somit zweifelslos erobert. Das Ziel der 24-Jährigen ist jedoch die Formel 1, und der Weg dorthin ist bekanntlich nicht leicht. Da die Zukunft der Rennserie durch ihre finanzielle Situation noch ungewiss ist, wird die Britin aller Voraussicht nach keine vierte Saison in der Frauen-Formelserie fahren. Stattdessen möchte sich Chadwick über eine Nachwuchsserie für die Königsklasse bewerben.

"Die Optionen sind offen. Formel 2, Formel 3 und Indy Lights", verrät die Pilotin. "Es war bisher sehr schwierig für die Formel 3 die nötige Unterstützung zu finden. Indy Lights ist in diesem Sinne eine bessere Option. Ich wiege derzeit die Möglichkeiten ab. Gespräche finden jedoch statt, sowohl in Europa als auch in Amerika."

Mehr Chancen für Pilotinnen in Amerika

Ende September absolvierte Chadwick mit Andretti einen Indy-Lights-Test. Somit liegt auch ein Wechsel nach Amerika auf dem Tisch. "Der Test verlief gut", so die 24-Jährige. "Ich versuche mir alle Optionen offen zu halten. Der Test hat mich definitiv in eine gute Position für nächstes Jahr gebracht. Es ist jedoch noch nichts entschieden."

Chadwick kann sich vorstellen, die IndyCar-Nachwuchsserie zu nutzen, um wichtige Rennerfahrung zu sammeln. Da zuletzt auch die Formel-1-Teams vermehrt Interesse daran zeigen, IndyCar-Piloten in der Königsklasse zu engagieren, wäre ein Wechsel nach Amerika auch kein besonders großer Umweg.

"Ich habe noch viel, woran ich bis nächstes Jahr arbeiten muss, aber mit den langen Rennen und dem vielen Testen in Indy Lights, könnte für mich dadurch ein weiterer Aufstieg möglich sein", sagt Chadwick. "So könnte ich mich auch physisch, und was das Fahren betrifft, weiterentwickeln."

Zudem sei Amerika für Frauen im Motosport offener als die Formel 1. "Große Namen und Unternehmen haben in Amerika weiblichen Fahrerinnen eine Chance gegeben", so Chadwick. "Deswegen ist ein Wechsel in die USA für mich auch interessant."

Chadwicks Weg in die F1 - Eine Sackgasse?

Schon seit Jahren ist Jamie Chadwick ein Name im Motorsport. Sie ist zweifelslos die größte Hoffnung für jeden, der eine Frau in der Formel 1 sehen will. Die Reise dorthin stellte sich jedoch als äußerst zäh heraus. Auch der Platz in der Williams-Akademie brachte Chadwick der Königsklasse noch nicht entscheidend näher.

Frustriert zeigt sich die junge Pilotin dennoch nicht. "Es ist für jeden schwer, diese Sitze und die nötige Unterstützung zu bekommen", so Chadwick. "Ich bin der W Series sehr dankbar, dass sie mir eine Erfahrung ermöglicht hat, die ich sonst nirgendwo bekommen hätte."

Formel-1-Boss: Dauert noch fünf Jahre

Stefano Domenicali sieht in den nächsten fünf Jahren keine Pilotin in der Formel 1, Foto: LAT Images
Stefano Domenicali sieht in den nächsten fünf Jahren keine Pilotin in der Formel 1, Foto: LAT Images

Formel-1-Boss Stefano Domenicali sorgte erst kürzlich für Schlagzeilen als er prognostizierte, dass es ohne ein Wunder noch mindestens fünf Jahre dauern werde, bis eine weibliche Pilotin in der Königsklasse an den Start geht. Dass der Ruf nach Diversität demnach nicht früher beantwortet werden soll, sieht Chadwick gelassen.

"Mein Ziel ist immer noch, es innerhalb von fünf Jahren in die Formel 1 schaffen", versichert Chadwick, die bisher drei Jahre in der W Series verbrachte. "Ich weiß, dass ich das schaffen kann, wenn ich in der richtigen Nachwuchsserie erfolgreich bin. So funktioniert es für die meisten jungen Piloten, egal ob männlich oder weiblich."

Durch schlechte Prognosen will sich die Britin nicht unterkriegen lassen. "Nein, die Aussage von Domenicali stört mich nicht. Eher dient sie als Motivation." Um ihren Traum zu verwirklichen, halte sich Chadwick daher lieber an Personen, die an ihren Weg in die Königsklasse glauben.

Chadwick: Bereit für den nächsten Schritt

Der Unterschied zwischen der W Series und anderen Nachwuchsserien ist ein großer. Das weiß auch Chadwick selbst: "Von meinem Level zur Formel 3 und Formel 2 braucht es noch eine Steigerung, aber ich habe mein Training in den Jahren intensiviert."

Da es in der Geschichte der Königsklasse und der Nachwuchsserien kaum Frauen gibt, ist es für Chadwick noch ein Rätsel, was sie körperlich erwartet. "Es ist schwierig, für junge Frauen stark genug zu werden. D ich älter bin, möchte ich bereit sein und jede Chance nutzen."

Als nächsten Schritt hat sich die 24-Jährige daher die Formel 2 vorgenommen: "Mein Ziel ist es für die Formel 2 zu testen, auch wenn sich für nächstes Jahr noch nichts ergibt. Ich möchte einfach wissen, woran ich noch arbeiten muss, und wie stark ich sein muss."