Nach dem Urteil des Oberlandesgericht Koblenz hat der Nürburgring eine brisante Entscheidung getroffen und gleich zwei Veranstaltern Termine angeboten. Die Entscheidung des OLG Koblenz in letzter Instanz wirft viele Fragen auf, aber längst sind noch nicht alle beantwortet worden.

Fakt ist allerdings, dass das Gericht die Nürburgring 1927 GmbH und Co. KG aufgefordert hat, gleich zwei konkurrierenden Veranstaltern (VLN/NLS und NES/AvD) mindestens sieben Termine für Rennen auf der Nordschleife bereitzustellen.

Nürburgring: "Diskriminierungsfrei" gleiche Anzahl von Terminen

Auf Anfrage von Motorsport-Magazin.com erklärte dazu die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG: "Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 04.01.2024 entschieden, dass der VLN Sport GmbH & Co. KG im Jahre 2024 Zugang zur Rennstrecke des Nürburgrings Zug um Zug gegen Zahlung eines genau bezifferten, angemessenen Entgeltes zu gewähren ist. Damit hat das OLG Koblenz die Entscheidung des LG Mainz (vom 10.08.2023, veröffentlicht am 07.09.2023, d. Red.) aufgehoben. Die VLN Sport Sport GmbH & Co. KG hat sämtliche Kosten der 1. Instanz zu tragen."

Im mündlichen Urteil hatte das Landgericht der VLN nämlich die zunächst vom Nürburgring zur Verfügung gestellten acht Veranstaltungen mit insgesamt neun Rennen zugestanden. Mit dem finalen Urteil hat das OLG Koblenz aber die ursprüngliche Entscheidung des LG gekippt und auch die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 23.11.2023 teilweise revidiert. Dabei war nämlich noch von einer Aufteilung für die beiden geplanten Rennserien von jeweils vier Events die Rede.

Weiter heißt es im Nürburgring-Statement: "Die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG wird das Urteil im rechtlich gebotenen Umfang umsetzen und damit der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) sowie der Nürburgring-Endurance-Series (NES) diskriminierungsfrei eine gleiche Anzahl von Terminen unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Koblenz anbieten. Beide Rennserien haben damit die Möglichkeit je vier Samstagrennen und je ein sogenanntes "Double-Header"-Wochenende mit zwei Renntagen zu veranstalten. Der Freitag ist als Trainingstag bei allen Terminen ebenfalls mit berücksichtigt."

Im Klartext heißt das: Der Nürburgring stellt beiden Parteien sogar jeweils fünf Events mit je sechs Rennen in Aussicht - also insgesamt zwölf Langstreckenrennen mit einer möglichen Distanz von vier bis sechs Stunden.

Foto: Gruppe C Photography
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AvD-Geschäftsführer Leif Linden: "Endlich grünes Licht für die NES"

Abschließend betont die Betreibergesellschaft, sie reserviere somit insgesamt 22 Tage auf der Sprintvariante der Grand-Prix-Strecke und auf der Nordschleife "für die Möglichkeit der Durchführung beider Langstrecken-Serien". Den aktuellen Kalender für die Saison 2024 würde man nach der finalen Vergabe der Termine kommunizieren. Der VLN und auch dem AvD liegen aber bis heute keine verbindlichen Termine für mögliche Langstreckenrennen auf der Nürburgring-Nordschleife und dem GP-Kurs vor.

"Endlich haben wir grünes Licht für die NES", erklärte Lutz Leif Linden gegenüber Motorsport-Magazin.com. Zuvor hatte der AvD-Geschäftsführer nämlich Kritik an der späten Entscheidung des OLG geäußert, dessen Urteil eigentlich schon vor Weihnachten 2023 kommuniziert werden sollte, wegen der Erkrankung eines Richters aber erst am 04.01.2024 verkündet wurde.

"Wenn uns weitere gesicherte Informationen und Details zum Beschluss vorliegen, werden wir diese mit unseren Partnern diskutieren", erklärte die AvD-Presseabteilung auf MSM-Nachfrage. "Der AvD hätte sich eine frühere Verkündung durch das Gericht gewünscht, begrüßt aber, dass jetzt eine Grundlage da ist, mit der alle Parteien arbeiten können. Jetzt ist die Zeit zwar knapp, denn die Nürburgring-Saison beginnt schon Ende März, aber wir als AvD haben zielstrebig das Fundament für eine attraktive Langstrecken-Rennserie in der 'Grünen Hölle' erarbeitet."

Foto: Jan Brucke/VLN
Foto: Jan Brucke/VLN

NES kündigt Team-Meeting an - Sportwarte stehen hinter VLN

Das weitgehend fertige Reglement würde dem Deutschen Motor-Sport-Bund (DMSB) zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt. "Wir haben uns während der gerichtlichen Auseinandersetzung, an der wir als NES nicht beteiligt waren, auf unsere Aufgaben konzentriert", wird NES-Geschäftsführer Ralph-Gerald Schlüter, zuvor pikanterweise auch Ex-VLN-Geschäftsführer, in der AvD-Pressemitteilung zitiert. "In Kürze werden wir die Teams zu einem Meeting eingeladen, um die wesentlichen Elemente der NES vorzustellen und den direkten Austausch beginnen."

Genau diesen wichtigen Austausch hätten sich die beteiligten Teams und Fahrer schon viel länger gewünscht, denn die Gründung der umstrittenen NES liegt bereits ein halbes Jahr zurück. Und es gibt bereits Signale aus der Nordschleife-Szene, die eine Zusammenarbeit mit der NES ablehnen. So haben bereits mehrere hundert Sportwarte, die bisher für die Streckensicherung auf dem über 23 km langen Rennkurs verantwortlich waren, der VLN in einem offenen Brief mitgeteilt, dass sie geschlossen nur für VLN-Veranstaltungen, aber nicht für NES-Events zur Verfügung stehen.

Foto: 24h NBR - Gruppe C Photography
Foto: 24h NBR - Gruppe C Photography

Offener Brief zum aktuellen Nürburgring-Desaster

Ein weiterer offener Brief von insgesamt 20 Teams richtet sich an die Verantwortlichen und Beteiligten des "aktuellen Nürburgring-Desasters". Hierin werden Bitten, Wünsche und Empfehlungen ausgesprochen, denn "gemeinsam geht es oftmals besser als gegeneinander".

  • Dabei werden insbesondere angesprochen der Nürburgring: "Bitte benennen Sie nun die verbindlichen Termine für die NLS bis spätestens 15.01.2024.
  • Die NES: "Eine freiwillige Abgabe von eins bis drei Wochenenden der Saison 2024 an die NLS würde ein deutliches und positives Signal setzen, dass die NES ein ernsthaftes Interesse an uns als den möglichen Kunden von morgen (2025ff) hat.
  • An Nürburgring und NES: "Bitte verzichten Sie auf Praktiken, die VLN/NLS wirtschaftlich oder personell weiter auszubluten. Auch die bereits angekündigte Serviceverweigerung wäre keine gute Basis für eine künftige Zusammenarbeit.
  • Und schließlich auch an den ADAC mit der Bitte: "Eine erweiterte Unterstützung der NLS in Bezug auf Termine, Organisation und auch Finanzen würde vermutlich die Erfolgsaussichten deutlich erhöhen.

Die Zeit drängt!

Die Sportabteilung des ADAC Nordrhein, die als Organisator und Veranstalter des 24h-Rennens auf dem Nürburgring naturgemäß ein großes Interesse an der VLN hat, erklärte auf Anfrage von Motorsport-Magazin.com zu der Gemengelage: "Es wird jetzt sicher bei allen Beteiligten ein paar Tage dauern, bis alle Konsequenzen aus dem Urteil des OLG Koblenz klar werden. Dieses ist im vorläufigen Verfahren für alle Prozessbeteiligten erst einmal bindend, insofern besteht erst einmal Rechtssicherheit."

Und weiter: "Eine Entscheidung im beantragten Hauptsachverfahren wird sicherlich erst in einigen Jahren zu erwarten sein. Für 2024 drängt jetzt die Zeit. Daher hoffen wir im Sinne der Rennteams auf schnellstmögliche Planungssicherheit für alle Aktivitäten auf der Nordschleife, damit sie ihre Saison um die beiden Fixpunkte 24h Qualifiers und 24h Nürburgring herum planen können."

Foto: 24h NBR - Gruppe C Photography
Foto: 24h NBR - Gruppe C Photography

ILN nicht in Offener-Brief-Aktion involviert

Interessanterweise waren an dem offenen Brief der 20 Teams die VLN und die Interessengemeinschaft Langstrecke Nürburgring e.V. (ILN) nicht beteiligt. Das bestätigte auch ein ILN-Sprecher gegenüber MSM: "Wir waren in den Prozess rund um den offenen Brief nicht involviert." Das beklagen auch etliche Teams, die mit GT3-Sportwagen in der VLN und beim 24h-Rennen Nürburgring an den Start gehen.

Ein Teamchef, der namentlich nicht genannt werden möchte, meinte zu dem offenen Brief: "Inhaltlich sicher nicht ganz falsch... aber wie viel wirksamer wäre es, wenn man das ordentlicher formuliert und mit ALLEN aktiven Teams abgestimmt und nicht einige B- und C-Teams unterschrieben hätten?" So würden beispielsweise Manthey, Scherer, Rowe, Abt, HRT und Frikadelli fehlen.

VLN-Geschäftsführer: "Jetzt entscheidet es sich auf der Strecke"

"Die NLS als eine der wohl größten und traditionsreichsten Rennserien weltweit geht in ihr 48. Jahr. Alle Beteiligten können jetzt die neue Saison planen und sich auf die Fortsetzung der NLS freuen", sagt Mike Jäger, Geschäftsführer der VLN Sport. Dass nicht direkt die beantragten acht Termine zugesprochen wurden, sei darauf zurückzuführen, dass das OLG Koblenz - anders als noch das LG Mainz - davon ausgegangen ist, dass mit dem AvD ein weiterer Bewerber Termine beansprucht.

Sollten diese Termine aber zu einem späteren Zeitpunkt frei werden - etwa, weil sich die angekündigte Rennserie des AvD doch nicht materialisiert - kann die VLN Sport diese Termine ebenfalls beanspruchen. Jäger betont zudem: "Wir haben uns etwas gewundert, dass das OLG den AvD als ernstzunehmenden Bewerber eingeordnet hat - außer Ankündigungen hat man von dessen Rennserie weder öffentlich noch im Prozess etwas gesehen. Die Rechtslage ist geklärt - jetzt entscheidet es sich auf der Strecke."

Foto: Audi
Foto: Audi

Nordschleifen-Termine - Geht das überhaupt?

Stichwort Rennstrecke: Das OLG Koblenz hat in seinem Urteil davon gesprochen, die Renntermine mit der Vorgabe zu vergeben, "dass sie gleichmäßig über die Monate März bis November (die "Saison") bei höchstens einem Rennen pro Monat" zu verteilen und gewähren sind. Bei den nun aber vom Nürburgring in Aussicht gestellten Terminen handelt es sich aber um insgesamt zehn Events pro Monat was bedeuten würde, die Saison endet - sofern sie im März 2024 beginnt - erst im Dezember 2024...

Weicht der Nürburgring von dieser Vorgabe ab und vergibt beispielsweise zwei der zehn geplanten Events in einem Monat, könnte jeder der Beteiligten dagegen klagen und sich auf das Urteil des OLG Koblenz beziehen. Ein weiterer Aspekt, der dabei eine wichtige Rolle spielt, ist die Berücksichtigung von Bauzeiten sowie die Betriebsgenehmigung für den Nürburgring samt Nordschleife durch die Behörden. Darin ist nach Informationen von Motorsport-Magazin.com von insgesamt 60 (!) Tagen Motorenruhe die Rede.