Herr Beirer, KTM hat in der vergangenen Moto3-Saison alle Rennen gewonnen. Wie sieht Ihr Saisonfazit aus?
Pit Beirer: Wir sind extrem glücklich, aber zugleich auch ein wenig überrascht. In der Saison nach dem Wiedereinstieg alle Rennen der Saison zu gewinnen, das war weder geplant noch haben wir damit spekuliert. Wir freuen uns über diese Überraschung, die beweist, dass unsere Ingenieure einen super Job erledigt haben. Wir haben das stärkste Motorrad und sind stolz darauf. Die Saison wird als einmalig in unsere Geschichte eingehen.

Pit Beirer (2.v.l.) bereitet Husqvarna auf Moto3 und Motocross-WM vor, Foto: Husqvarna
Pit Beirer (2.v.l.) bereitet Husqvarna auf Moto3 und Motocross-WM vor, Foto: Husqvarna

2014 bringt KTM die Marke Husqvarna in Form von zwei Motorrädern in die WM. Welche Überlegungen stecken hinter dieser Entscheidung?
Pit Beirer: Die grundsätzliche Überlegung ist, die Marke Husqvarna (Anfang des Jahres von KTM übernommen; Anm.) so schnell wie möglich auf eigene Füße zu stellen und dort an alte Sport-Tradition anzuschließen. Das wird in allen Offroad-Bewerben passieren und durch eine schnelle Entscheidung nun auch auf der Straße. Allerdings spielt hier Politik schon ein wenig mit, denn unser Gegner in der Moto3 versucht das Reglement ein wenig zu umfahren, Stückzahlen zu reduzieren und Motoren umzubenennen. Es gab kurz die Gerüchte, dass am Ende nur zwei Honda-Werksmotoren eingesetzt werden, während wir 18 Motorräder mit KTM-Motoren befeuern. Wir haben mit all unseren Kunden vereinbart, dass alle Motoren genau gleich sind. Mit dem Zwei-Mann-Werksteam von Husqvarna haben wir nun mehr Optionen.

Wie ist der aktuelle Umgang zwischen KTM und dem Konkurrenten Honda hinter den Kulissen? Herrscht angespannte Stimmung?
Pit Beirer: Die Stimmung ist zwar angespannt, aber auf eine sportliche Art. Momentan werden uns in den Medien einige Aussagen in den Mund gelegt, die wir so nie getätigt haben. Es gab ein strenges Reglement, wir haben dem entsprechend ein Motorrad gebaut und waren erfolgreich. Wir haben uns aber nie eingebildet, dass wir Honda aus dem Roadracing verdrängen wollen. Im Gegenteil: Wir schätzen Hondas Rennabteilung und wissen, dass diese immer die Benchmark ist. Wir würden usn sogar freuen, wenn sie nun nachlegen und es einen Kampf gibt und wären stolz darauf, Honda erneut herauszufordern. Für nächstes Jahr werden die Messer gewetzt und es wird Racing vom Feinsten geben. Genau das wollen die Zuschauer ja sehen: auf der einen Seite den Kampf Fahrer gegen Fahrer, aber auch den Technikkampf der Werke und keinen Markenpokal.

Wie hat man den Abgang von Emilio Alzamoras Monlau-Team samt der Top-Piloten Alex Rins und Alex Marquez zur Honda-Fraktion aufgenommen?
Pit Beirer: Wir waren einst verblüfft, als Alzamora Honda den Rücken gekehrt hat und auf KTM gewechselt ist. Aber es gibt so viele Verbindungen zwischen Alzamora, Monlau und Honda, da war klar, dass Honda sich dieses Team zurückholt, falls sie zum Angriff blasen wollen. Für uns ist es keine schöne Sache, weil wir diesem Team ein Jahr lang technisch alles offen gelegt haben. Es war kein feiner Zug von Honda, aber wir leben damit. Derzeit muss man im Paddock ohnehin die Glaubensfrage stellen: Du musst dich als Team jetzt entscheiden, auf welcher Seite du stehst.

Wenn sie Monlau alles offengelegt haben, besteht die Gefahr eines Knowhow-Transfers von KTM zu Honda?
Pit Beirer: Die besteht auf jeden Fall. Allerdings muss man hier auch ganz klar sagen, dass man durch reines Kopieren im Rennsport nicht weiterkommt. Mit diesem Prinzip läufst du deiner Zeit immer hinterher. Wir haben erstklassige Entwickler im Haus, die schon wieder einen Schritt weiter sind. Wenn man nur unser Material vom Vorjahr abkupfert, kann man damit 2014 sicher nicht die Weltmeisterschaft gewinnen. So etwas hat Honda aber auch gar nicht nötig.

Wie kommentieren Sie die Vorwürfe, dass der Kampf zwischen Honda und KTM die Preise in der Moto3 in die Höhe treibt?
Pit Beirer: Das wird den Werken zwar vorgeworfen, ist aber völliger Schwachsinn. Von der Dorna gibt es hier ein Preislimit und nächstes Jahr kostet ein Motorenpaket für die gesamte Saison 68.000 Euro. Dafür muss man den Teams jeweils sechs Motoren liefern. Die Teams werden die Entwicklungskosten nicht treffen, deshalb verstehe ich die ganze Kritik daran nicht. Dass die Hersteller ein Interesse daran haben, ihre Motoren zu optimieren und weiterzuentwickeln, ist ganz normal. Wir erwarten uns von einer Weltmeisterschaft, dass man hier ein höheres technisches Niveau präsentiert bekommt in irgendeiner Rasenmäher-Meisterschaft.

So allein auf weiter Flur wie 2013 wird KTM wohl nicht mehr sein, Foto: Milagro
So allein auf weiter Flur wie 2013 wird KTM wohl nicht mehr sein, Foto: Milagro

Mit Mahindra gibt es aktuell noch einen dritten Hersteller, der 2013 erste Teilerfolge einfahren konnte. Was erwartet KTM in der nächsten Saison von Mahindra?
Pit Beirer: Sie sind mit guten Leistungen gestartet und waren teilweise gar nicht weit von uns weg. Sie haben in dieser Saison viel gelernt und werden wohl auch aufschließen. Alle drei Marken werden näher zusammenrücken. Mit Miguel Oliveira haben sie einen Podiumsfahrer und mit Eskil Suter einen Berater, der ganz genau weiß, was die Konkurrenz auf technischer Ebene so macht. Technisch und vom Motorenkonzept war Mahindra in den wichtigen Gesprächen über das zukünftige Reglement immer näher bei uns als bei Honda.

Kommen wir noch einmal auf Husqvarna zu sprechen: 2014 ist das Projekt ja noch sehr nahe an KTM angesiedelt. Sowohl technisch als auch organisatorisch. Ist langfristig geplant Husqvarna auf eigene Beine zu stellen?
Pit Beirer: Wir wollen Husqvarna zu einhundert Prozent eigenständig machen. Die aktuelle Situation ist nur eine Momentaufnahme, wir hatten mit dem Einstieg, der quasi über Nacht erfolgte, keine andere Möglichkeit. Hier steckt noch viel in den Kinderschuhen, letztlich soll Husqvarna aber als eigenständige Marke mit eigenständigen Entwicklern, eigenem Team und eigenen Fahrzeugen etabliert werden. Wir hoffen, dass dieser Prozess in drei Jahren beendet ist.

Mit Valentino Rossi und seinem neuen Team darf man ein attraktives neues Projekt im KTM-Lager begrüßen. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Pit Beirer: Das war eine für uns sehr angenehme Situation. Valentino Rossi hat Carmelo Ezpeleta seine Pläne für ein Moto3-Team unterbreitet. Er meinte, er brauche mit seinem Namen, dem Sponsor und dem gesamten Konzept dahinter unbedingt die besten Motorräder. Weil wir nicht mehr als zehn Werks-KTM für 2014 bauen wollten, waren wir zu diesem Zeitpunkt schon ausverkauft. Rossi hat Ezpeleta gebeten, ihm zu helfen zwei KTM zu bekommen und der Dorna-Chef hat höchstpersönlich ein Treffen zwischen mir und Rossi eingefädelt. Nach unserem gespräch haben wir unsere Kapazitäten ein wenig hochgefahren, denn zusätzliche Motorräder für Rossi zu bauen ist eine Ehre für uns. Uns hat aber nicht nur der Name und der geniale Typ Valentino Rossi überzeugt, sondern vor allem das Konzept jungen Fahrern, die kein Geld mitbringen müssen, eine Chance zu geben. Hier wird bei der Selektion nach Talent und nicht nach dem Geldbeutel des Vaters entschieden. Etwas salopp könnte man sagen, dass wir gerne auf Monlau verzichten, wenn wir stattdessen Rossi im Haus haben. Der ganze Sport ist so stark spanisch getrieben, da tut ein starkes italienisches Team der WM sicher gut.

Im Werksteam setzt KTM nächstes Jahr Jack Miller und Karel Hanika ein. Was erwartet man von den beiden und was zeichnet diese Jungs aus?
Pit Beirer: Bei Jack Miller hat man schon in dieser Saison geniale Fahrsequenzen gesehen. Er hatte auf seinem Motorrad sicher nicht das leichteste Leben, war aber im Regelfall der beste Nicht-KTM-Fahrer. Dann hat er sich Schlüsselbein gebrochen, ist aber eine Woche später schon wieder gefahren. Er ist der richtige harte Hund, der zu KTM passt. Wir gehen stark davon aus, dass wir mit ihm um den Titel kämpfen können. Das ist der Grund, warum wir ihn verpflichtet haben. Karel Hanika hat unsere Junior-Scouts im Rookies Cup überzeugt. Er war eindeutig der Beste, den man dort im letzten Jahr gesehen hat und wir gehen davon aus, dass er sich in der Moto3 schnell in den Top-10 einreihen wird. Wir erwarten nicht, dass er im ersten Jahr um den Titel fährt, aber er soll unser Mann für übernächstes Jahr sein.