Entwickelt wurde der LM P1-Prototyp für die Strecke in Le Mans, die mit ihren langen Geraden und schnellen Kurven zu den Schnellsten der Welt zählt. Der Schnitt einer Runde liegt in Le Mans bei über 230 km/h. In St. Petersburg wird dagegen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von weniger als 160 km/h erwartet.

Die rund 150 Kilogramm leichteren LM P2-Sportwagen von Acura/Honda und Porsche, die aufgrund einer Regeländerung in der American Le Mans-Serie mit mehr Motorleistung starten dürfen als in Le Mans, waren dem Audi R10 TDI dank des Reglements schon beim Saisonauftakt in Sebring nahezu ebenbürtig. Auf den langsameren Stadtkursen wie in St. Petersburg werden sie noch stärker vom 150 Kilogramm-Gewichtsvorteil der LM P2-Klasse profitieren, der sich in der Beschleunigung, den Kurvengeschwindigkeiten, den Bremswerten und natürlich auch im Kraftstoffverbrauch nachdrücklich auswirkt.

In Sebring waren die leichteren LMP2-Boliden nahe dran, Foto: Audi
In Sebring waren die leichteren LMP2-Boliden nahe dran, Foto: Audi

Erschwerend kommt noch hinzu, dass der R10 TDI als Diesel-Sportwagen in diesem Jahr mit einem um zehn Prozent kleineren Tank an den Start geht: Statt 90 Litern stehen 2007 nur noch 81 Liter Tankinhalt zur Verfügung. Diese Beschneidung sorgte bereits in Sebring dafür, dass die Audi Piloten – trotz des verbrauchsgünstigen Dieselmotors – bis zu fünf Runden früher nachtanken mussten als die LM P2-Fahrzeuge. In St. Petersburg wird es ähnlich sein.

Trotz dieser gravierenden Handicaps hat sich die Audi entschieden, das Engagement in der American Le Mans-Serie fortzusetzen und damit möglichst vielen amerikanischen Zuschauern die Möglichkeit zu geben, den Audi R10 TDI auf der Rennstrecke zu erleben. Schließlich ist die "flüsternde Revolution", wie die Fans den R10 TDI wegen seines leisen Dieselmotors nennen, der Vorbote einer groß angelegten Dieseloffensive des Autoherstellers in den USA.

Das Stadtrennen in St. Petersburg an der Golfküste in Florida wird gemeinsam mit der nordamerikanischen IndyCar-Serie ausgetragen. Für die Teams der American Le Mans-Serie ist es eine Zwei-Tages-Veranstaltung. Vor dem Qualifying am Freitagnachmittag stehen lediglich zweimal 60 Minuten Freies Training zur Verfügung. Das Rennen wird am späten Samstagnachmittag um 17:05 Uhr Ortszeit (23:05 Uhr in Deutschland) gestartet und führt in die Abenddämmerung hinein.

Der kleinere Tank ist ein ziemliches Handicap, Foto: Audi
Der kleinere Tank ist ein ziemliches Handicap, Foto: Audi

Für Audi Sport ist St. Petersburg keineswegs Neuland: 1988 war St. Petersburg Schauplatz des Finales der TransAm-Serie, in der Audi mit dem 200 quattro den Sieg holte. Das Rennen in St. Petersburg gewann damals der zweifache Rallye-Weltmeister Walter Röhrl. Es war der letzte Audi Einsatz in der TransAm-Serie, ehe der Hersteller 1989 – wegen einer Änderung des TransAm-Reglements – in die IMSA-GTO-Serie wechselte.

Stimmen vor dem Rennen in St. Petersburg

Dr. Wolfgang Ullrich (Audi Motorsportchef):
"Der Diesel-Renneinsatz in der American Le Mans-Serie ist wichtig für die Promotion des Dieselmotors in Amerika. Deshalb haben wir uns entschieden, weiter in der American Le Mans-Serie anzutreten. Wir wissen allerdings, dass es beim aktuellen technischen Reglement sehr schwierig sein wird, bei den nächsten Rennen erfolgreich zu sein. Audi stellt sich trotzdem dieser Herausforderung. Wir haben mit den Führungskräften der Rennserie positive Gespräche über die zukünftige Entwicklung des Reglements geführt."

Dindo Capello (Audi R10 TDI #1):
"Generell mag ich Stadtkurse, Houston mit dem R8 war im vergangenen Jahr ein großartiges Rennen für uns. Aber wir wissen, dass Stadtkurse nicht optimal für unseren Audi R10 TDI sind. Er wurde für lange Geraden und schnelle Kurven wie in Le Mans gebaut. Für mich sind in St. Petersburg die leichteren LM P2-Fahrzeuge die Favoriten. Aber wir wollen die Meisterschaft gewinnen. Das heißt, wir müssen auch auf Strecken konkurrenzfähig sein, die unserem Auto nicht so gut liegen."

Allan McNish (Audi R10 TDI #1):
"Es war noch niemand von uns in St. Petersburg. Ausgerechnet einige der Acura/Honda-Piloten kennen die Strecke, denn sie sind dort bereits IndyCar gefahren. Mit einem Sportwagen ist St. Petersburg aber auch für sie Neuland. Ein Stadtkurs bringt generell einige neue Faktoren ins Spiel. Man muss noch präziser fahren, weil die Mauern nichts verzeihen. Außerdem muss das Auto mit den Bodenwellen und unterschiedlichen Belägen klarkommen. Es ist uns bisher immer ganz gut gelungen, den R10 TDI für verschiedene Strecken abzustimmen – das beweist auch die 100-prozentige Erfolgsbilanz. Ich bin aber überzeugt, dass den LM P2-Fahrzeugen dank des Gewichtsvorteils und der Motorleistung, die sie zurzeit fahren dürfen, in St. Petersburg die erste Startreihe gehört, vielleicht sogar auch die zweite. Die 150 Kilogramm Gewichtsunterschied machen sich beim Bremsen und in Spitzkehren besonders bemerkbar."

Emanuele Pirro (Audi R10 TDI #2):
"Ich freue mich sehr auf St. Petersburg. Sebring war ein tolles Rennen und hat uns gezeigt, wie stark und auf welch hohem Niveau die Konkurrenz ist. Das macht mir als Rennfahrer Spaß – selbst wenn wir es auf einem Stadtkurs wie in St. Petersburg schwer haben werden. In Sebring lag noch 50 Prozent Fokus auf der Le Mans-Vorbereitung. Ab jetzt können wir uns zu 100 Prozent auf die Meisterschaft konzentrieren. Das werden wir tun und alles daran setzen, möglichst viele Punkte mitzunehmen."

Marco Werner (Audi R10 TDI #2):
"Eigentlich mag ich Stadtkurse, und ich freue mich darauf, wieder einmal einen zu fahren. Mit dem Audi R8 war ich 2003 auf Stadtkursen sehr erfolgreich, und in Monaco habe ich in der Formel 3 gewonnen. Solche Strecken liegen mir. Aber wenn ich Sebring Revue passieren lasse und analysiere, wo der R10 TDI seine Vorteile hat, dann weiß ich, dass für uns in Zukunft gerade auf Stadtkursen extrem schwierig wird."

Dave Maraj (Team Direktor Audi Sport North America):
"Wir haben in Sebring gesehen, wie schnell die neuen LM P2-Autos sind. Sie sind leichter und damit sehr agil. Vor allem Acura/Honda hat mich beeindruckt. Die waren auf Anhieb konkurrenzfähig. Sie werden uns das Leben in St. Petersburg verdammt schwer machen."