Wahrscheinlich haben die meisten ja mitbekommen, was mir am Sonntag in Istanbul passiert ist. Dass ich nach dem Zwischenfall mit dem Hund im Sprintrennen doch eine Weile ziemlich wütend, aber auch ein bisschen geschockt und getroffen war, ist glaube ich verständlich. Ich kam mit 280 über die Kuppe, da war dann plötzlich dieses Tier auf der Strecke. Ich habe ja noch versucht, in den drei Zehntelsekunden, die ich vielleicht zum reagieren hatte, nach links auszuweichen, aber leider ist der Hund dann auch nach links gelaufen... Der Aufschlag passierte laut Telemetrie bei fast 260... Das Brechen und Verformen der Aufhängung und die Zerstörung des Reifens hat aber offenbar eine Menge Aufprallenergie abgefangen, ich konnte das Auto erst mal recht sicher auf der Straße halten. Aber ich hatte keinerlei Bremswirkung mehr, musste also "nur" versuchen, irgendwie zu verlangsamen, um dann noch um die nächsten Ecken zurück an die Box zu kommen. In der Haarnadel bin ich dabei zwar noch mal leicht rausgerutscht, aber ansonsten ging es irgendwie...

Bruno begutachtet den erleblilchen Schaden am Auto, Foto: adrivo Sportpresse
Bruno begutachtet den erleblilchen Schaden am Auto, Foto: adrivo Sportpresse

Die Emotionen, wenn so etwas passiert, sind schon heftig. Ich habe durch eine Sache, die einfach nicht sein darf im heutigen Top-Rennsport, nicht nur ein Rennen verloren, in dem ich trotz schlechter Ausgangsposition gut auf dem Weg nach vorn war, sondern auch Punkte, die am Ende in der Meisterschaft noch wichtig sein können. Auch das Team hat einen erheblichen, in dem Fall finanziellen, Schaden erlitten... Es ist außerdem eine Tatsache, dass ich bei allem noch sehr viel Glück gehabt habe, das hätte auch ganz anders ausgehen können, wenn ich das Tier nicht mit dem Reifen, sondern mit der Nase des Autos getroffen hätte, und es hoch geschleudert worden wäre... So etwas mitzuerleben, war natürlich auch für meine Familie nicht leicht, vor allem meine Mutter hat ziemlich viel dadurch mitgemacht - was ich natürlich auch mitbekommen habe und was mir dann auch wehtut.

Ich habe ja vor Ort noch mit Charlie Whiting gesprochen, der hat sich bei mir entschuldigt, mir aber auch versichert, dass er vor dem Moment, in dem er dann das Safety-Car rausgeschickt hat, keinerlei Informationen hatte, dass da Hunde auf oder neben der Strecke waren. Da haben offensichtlich die Streckenposten in keiner Weise reagiert, sie haben das nicht an die Rennleitung gemeldet und sie haben vor allem uns Fahrern auch die Gefahr nicht richtig angezeigt, da war ja eben nur eine einzige gelbe Flagge, und die nicht mal geschwenkt, sondern stillgehalten... Er hat mir auch versprochen, dass es auf jeden Fall eine genaue Untersuchung geben wird und dass man alles tun wird, damit so etwas in Zukunft nicht wieder vorkommt.

Am Montag habe ich dann auch mit Bernie Ecclestone telefoniert, der ja in Istanbul der Streckenbetreiber ist... Neben allem anderen geht es bei der ganzen Sache für unser Team auch um eine Menge Geld, iSport kosten die Schäden am Auto wahrscheinlich mindestens an die 50 000 Euro - wenn das Chassis so beschädigt ist, dass wir ein neues brauchen, wird es noch deutlich mehr... Das steht noch nicht sicher fest, das Auto ist jetzt erst einmal zurück nach Italien zu Dallara gegangen, da wird alles durchgecheckt. Könnte sein, dass es reparierbar ist, weil die Schäden wohl hauptsächlich Metallteile am Chassis betreffen und nicht die Kohlefaserstruktur an sich - aber wir müssen abwarten.. Tatsache ist jedenfalls, dass die Versicherung des Teams bei so einem Unfall wie diesem nicht zahlt. Unser Teamchef Paul Jackson hat ja auch schon vor Ort bei den Verantwortlichen der Organisation gesagt, dass er zumindest eine finanzielle Entschädigung erwartet - da läuft sicher noch einiges an Verhandlungen in nächster Zeit. Die verlorenen Punkte, zumindest einer war ja praktisch sicher, ein paar mehr wären noch drin gewesen, kann mir eh niemand zurückgeben... Ich mache mir in der Hinsicht aber jetzt keine allzu großen Sorgen - die Meisterschaft ist noch lang, ich habe noch 16 Rennen, um den in der Türkei verlorenen Boden wieder gut zu machen. Und eines haben wir da ja gesehen - auch wenn am Ende kein einziger Punkt herauskam: Schnell genug, um ganz vorne zu fahren, war ich immer.

Inzwischen hat sich alles normalisiert, ich habe alles hinter mit gelassen. Sicher ist es sogar schwieriger, so eine Sache aus dem Kopf zu bekommen, die völlig außerhalb des eigenen Einflusses liegt, wo man hilflos den Umständen ausgeliefert ist, als etwa meine Unfälle in der Formel 3 in Snetterton oder Macau. Aber als Profi muss ich das abhaken können. Und für mich ist es auch abgehakt, der Blick geht nach vorne, auch in der Hoffnung, dass mit dem, was da passiert ist, meine Pechquote für die Europa-Saison erst mal für längere Zeit erfüllt ist.

Unterstützung gab es auch von der Freundin, Foto: Bumstead/Sutton
Unterstützung gab es auch von der Freundin, Foto: Bumstead/Sutton

Zurück zur Normalität in allen Bereichen: Ich war jetzt am Dienstag schon wieder über drei Stunden trainieren, alles auch Vorbereitung für Monaco. Das wird dieses Jahr mit den neuen Autos sicher ein ganz besonderes Wochenende. Mit den superweichen Reifen, die wir da haben, und voller Downforce, die wir da nutzen dürfen, werden wir von den Zeiten her wohl noch deutlich näher an der Formel 1 dran sein als normal. Vor allem in der schnellen Kurve nach der Hafenschikane, wo wir mit den alten Autos immer fast keinen Grip hatten, wird es einen gewaltigen Unterschied geben. Und dann bin ich mal gespannt, wie das dieses Jahr im Tunnel sein wird. Bis jetzt haben wird dort im GP2-Auto immer beim Reinfahren Downforce verloren - das hängt wohl mit den Luftströmungsverhältnissen in einem überdachten Raum zusammen.

Letztes Jahr hatte ich in Monaco wirklich alles andere als ein gutes Auto und konnte trotzdem in die Top Ten fahren - da sollte jetzt mit einem deutlich besseren schon einiges drin sein. Das Wichtigste wird sicher, im Qualifying eine einigermaßen freie Runde zu erwischen und weit vorne zu stehen, das wäre schon die halbe Miete. Ich hoffe, dass es funktioniert, dass gerade die vielen Monaco-Neulinge, die wir dieses Jahr im Feld haben, aufpassen - und dass das Aufpassen jetzt, wo ja die Position der Rückspiegel am Auto geändert wird, auch leichter wird. Wäre schön, wenn ich in Monaco auch punktemäßig Istanbul gleich vergessen machen könnte.