Meine Eindrücke nach dem ersten Test mit dem neuen GP2-Auto sind ein bisschen zwiespältig. Insgesamt ist das neue Auto schon ein erkennbarer Fortschritt, es ist schneller, obwohl es sogar ein bisschen schwerer ist, vor allem die Aerodynamik ist richtig klasse, in schnellen Kurven hat man jetzt deutlich mehr Grip, da geht jetzt richtig die Post ab. Was mich aber ein bisschen enttäuscht, ist, dass das Auto doch noch einige Probleme hat, auf die man eigentlich in den letzten sechs Monaten beim Entwickeln und den Vortests hätte draufkommen können. Es sind zwar keine ganz großen Sachen, wie etwa Motor oder Getriebe, aber schon Dinge, die stören. Und das Problem ist, dass jetzt für Dallara viel zuwenig Zeit ist, um das alles noch rechtzeitig in der Testphase zu beheben, denn in vielen Fällen müssten für alle komplett neue Teile gefertigt werden, um die Probleme von Grund auf zu beheben.

Es gibt zum Beispiel massive Schwierigkeiten mit Vibrationen und zu viel Spiel in der Lenkung - da hat man offensichtlich jetzt bei der Herstellung andere Materialien verwendet als beim alten Auto und jetzt passt das nicht mehr. Das Ergebnis: In der schnellen Rechtskurve in Ricard, die man im fünften Gang fährt, musste ich so extrem einlenken, als würde ich eine enge Zweite-Gang-Kurve fahren - was natürlich nicht besonders viel Spaß macht. Und dann ist da das Problem mit den Stabilisatoren: Da wurden Ansatzpunkte an der Aufhängung geändert, und wenn man den Stabi jetzt in die härtest mögliche Position einstellt, dann verwindet sich das Ganze in sich, so dass das Endergebnis viel zu weich bleibt, viel weicher als bei den alten Autos… Um das wirklich optimal zu lösen, müsste wohl das gesamte Aufhängungskonzept noch mal geändert werden. Ein paar Verbesserungen und neue Teile soll es zwar zumindest bis zum letzten Le Castellet-Test in der zweiten Märzwoche geben, aber wirklich ausreichend wird das wahrscheinlich noch nicht sein.

Diese Probleme betreffen zwar nicht nur uns bei iSport, die haben alle. Aber wir können halt unter diesen Umständen das besondere Potenzial von iSport, nämlich sehr, sehr gute Entwicklungsarbeit zu betreiben und sich damit von den anderen abzusetzen, im Moment nicht richtig ausspielen. Die Autos sind noch alle ziemlich gleich, wir sind sicher vorne mit dabei, aber den Vorsprung, den iSport teilweise in der vergangenen Saison hatte, den haben wir halt derzeit nicht.

Ich war mit meinen Zeiten schon zufrieden, ich bin ja erstens sowieso kein besonderer Ricard-Spezialist und zweitens haben wir es auch wirklich viel mehr darauf angelegt, so viel wie möglich am Auto zu arbeiten und Informationen zu bekommen, nicht darauf, jetzt unbedingt ganz vorne zu stehen. Am Freitag Vormittag wäre ich dann schon auch mal eine tiefe 12,2 gefahren - also knapp zwei Zehntel hinter Grosjean - aber da hat sich dann der Andi Zuber in der vorletzten Kurve vor mir gedreht. Und am Nachmittag haben wir dann sehr viel ausprobiert, sind zum Teil auch mal deutlich andere Wege gegangen - und haben dabei auch einige Richtungen raus gefunden, die nicht funktionieren. Aber das ist ja auch eine wertvolle Information, gleich mal zu wissen, was nicht geht.

Bruno Senna ist gefragt - auch in anderen Serien, Foto: Hartley/Sutton
Bruno Senna ist gefragt - auch in anderen Serien, Foto: Hartley/Sutton

Jetzt in dieser Woche in Barcelona werden wir mit Sicherheit noch viel mehr lernen können, weil die Strecke ja einfach aussagekräftiger und repräsentativer ist. Und ich bin wirklich begeistert von der Zusammenarbeit mit dem Team. Paul Jackson, Gavin Jones, alle sind unglaublich engagiert und erfolgshungrig - und ich hoffe schon, dass wir uns im Laufe der Saison auch mit diesem Auto wieder einen Vorsprung herausarbeiten können. Im Moment sind wir halt dabei, Lösungen um die Probleme, an denen wir derzeit nicht ändern können, herum zu suchen, gewisse Umwege, wie man eben trotzdem zum Ziel kommen kann.

Ich selbst arbeite natürlich auch weiterhin konsequent an meiner Fitness, ziehe zwischen den Tests und GP2Asia-Rennen mein Programm durch. Wobei man sich ab und zu auch dabei mal ein kleines Problem einfängt: Letzte Woche bin ich beim Raddtraining gestürzt und natürlich prompt wieder auf meine linke Hand gefallen, wo ich mir ja letztes Jahr bei meinem Macau-Crash schon eine Luxation und einen Bänderanriss am Daumen geholt hatte. Nach der Physiotherapie war es eigentlich schon wieder in Ordnung, jetzt tat es halt wieder ein bisschen weh … Aber nicht so wild, kein Grund, nicht weiter zu trainieren und beim Fahren behindert es mich auch nicht.

Wenn ich gewollt hätte, hätte ich ja in diesem Jahr auch noch einen zusätzlichen Job haben können, in der neuen Superleague, dieser Formel der verschiedenen Fußball-Vereine. Es gab da schon im Januar eine Anfrage von Corinthians, dem Club aus Sao Paulo, auch über eine sehr gute Bekannte von mir, deren Stiefvater dort eine hohe Position hat. Aber auch wenn mich das Angebot ehrt, auch, weil ja mein Onkel Ayrton immer ein riesiger Corinthians-Fan war: Ich habe ganz einfach keine Zeit dazu, nebenher noch solche Dinge zu machen, ich muss mich ganz auf die GP2 und meinen Weg in Richtung Formel 1 konzentrieren. Deswegen habe ich denen damals auch sehr bald abgesagt - aber jetzt ist das halt bei der Präsentation des Corinthians-Autos trotzdem noch einmal in den Raum gestellt worden. So gab das zumindest in Brasilien ein paar dicke Schlagzeilen, auch wenn es sich eigentlich schon längst erledigt hatte - aber an mir lag das nicht…