"Pures Racing ohne Gimmicks" versprach Serienchef Bruno Michel Ende 2011, als er sich bewusst gegen den Einsatz von KERS und DRS in der GP2 entschied. Eine Linie, der sich wohl die meisten anschließen konnten. Doch was ist von dem Versprechen übrig geblieben, dass die GP2 nur über pures Racing den besten Fahrer bestimmen soll? Nicht viel, wenn man einen Blick auf die Rennen der Saison 2013 wirft: Dank des Option-Reifens, der wirklich ein Option ist nur meist bereits nach der ersten Gelegenheit, also nach sechs Runden, abgeworfen wurde ist ein Strategie-Hickhack entstanden, das mit einer Suche nach dem besten Fahrer nichts mehr zu tun hat.

Da es einem Fahrer freigestellt ist, wann er welchen Reifen benutzt, wurde im Laufe der Saison eine Reglementlücke konsequent ausgenutzt: Ein Fahrer verwendete im Hauptrennen zweimal den Prime-Reifen und opferte so das Sprintrennen am Sonntag bewusst, um die vollen Punkte am Samstag einzufahren. Wer brav einmal Prime und einmal Option im Hauptrennen verwendete und den anderen Prime-Satz im Sprintrennen benutzte, schaute am Samstag, wo die dicken Punkte verteilt werden, in die Röhre.

Das Absteigerteam der Saison: ART Grand Prix, Foto: Sutton
Das Absteigerteam der Saison: ART Grand Prix, Foto: Sutton

Fragen Sie einmal Marcus Ericsson, der in Barcelona das Rennen anführte, alles richtig machte und nach sechs Runden den Option-Reifen, der bereits völlig fertig war, wechselte. Er landete daraufhin mitten im Verkehr, weil manche Teams lieber zweimal Prime fahren wollten, um ihren Fahrern einen Vorteil im Hauptrennen zu verschaffen. Das Ende vom Lied: In einem der typischen GP2-Unfälle wurde Ericsson aus dem Rennen gerissen, obwohl er eigentlich das Mittelfeld nie hätte sehen dürfen. Das kann und darf nicht der Sinn einer Rennserie sein, in der der beste Fahrer bestimmt werden soll.

Wenn also schon zwei Reifentypen zum Einsatz kommen sollen, um die Fahrer an die Formel-1-Regeln zu gewöhnen, dann bitte mit einem vorgegebenen engen Fenster, wann welcher Reifen benutzt werden muss. Das Strategie-Hickhack, in dem bewusst ein Rennen geopfert wurde, um ein anderes zu gewinnen, war schlicht ein Schlag ins Gesicht eines jeden Racing-Fans und hat mit der Suche nach dem besten Fahrer so viel zu tun wie Jake Rosenzweig mit dem Titelgewinn. So wie das Rennen Fahren hier verzerrt worden ist, hätten DRS und KERS auch eingesetzt werden können, denn das Versprechen von Michel war längst gebrochen.

Fünf stachen heraus

Doch es wurde auch Rennen gefahren, und das ganz schön intensiv. Was lässt sich also herauslesen aus einer Saison mit elf verschiedenen Siegern? Zweifellos ist der beste Fahrer aus dem Quintett Fabio Leimer, James Calado, Sam Bird, Felipe Nasr und Marcus Ericsson zu suchen. Leimer hat verdient den Titel geholt: Einem starken Auftakt mit zwei Siegen im Hauptrennen in Malaysia und Bahrain folgte ein Durchhänger bis Silverstone. Danach wurde der Schweizer nie mehr schlechter als Sechster - eine beeindruckende Konstanz für diese Rennserie. Allerdings war er bereits auch schon in seiner vierten Saison unterwegs, eine viel zu lange Zeit in einer Nachwuchsserie.

Bärenstark: Hilmer gelangen im Debütjahr mehrere Siege, gleiches gilt für Russian Time, Foto: Sutton
Bärenstark: Hilmer gelangen im Debütjahr mehrere Siege, gleiches gilt für Russian Time, Foto: Sutton

Vizemeister Sam Bird stellte sein Talent mit fünf Laufsiegen unter Beweis, ihm fehlte letztlich aber die Konstanz Leimers zum Titelgewinn. Der Drittplatzierte, James Calado, ging als großer Favorit in die Saison. Doch ART legte eine grauenhafte Saisonhin, was insbesondere Daniel Abt zum Verhängnis wurde, der beim ehemaligen Meisterteam die Definition eines Alptraums durchmachte. Calado gelangen zwei Sprintsiege, was absolut nicht das war, was sich der Brite ausgerechnet haben dürfte. Vierter wurde Konstanz-Wunder Felipe Nasr, der ohne Sieg zwischenzeitlich die Meisterschaft anführte. Doch genau diese Konstanz ging ihm ab Belgien ab, Nasr gelang kein wirkliches Highlight mehr.

Die GP2-Saison 2013 dürfte auch als eine Saison mit einem der tiefsten Fälle eines Titelfavoriten in der Geschichte des Motorsports in Erinnerung bleiben. Stefano Coletti führte nach seinem Heimsieg in Monaco (er war überhaupt erst der zweite Monegasse, der sein Heimrennen gewann, 82 Jahre nach Louis Chiron) die Tabelle zur Saisonhälfte mit 35 Punkten Vorsprung an und sah unantastbar aus, doch in sämtlichen elf Rennen der zweiten Saisonhälfte sammelte der Rapax-Pilot keinen einzigen (!) Punkt mehr, nachdem er zu Beginn der Saison noch bei sechs von acht Rennen auf dem Podium gestanden hatte. Sein Punktepolster reichte noch immer für Endrang fünf.

Die Saison brachte noch einige Highlights hervor: Etwa die starke zweite Saisonhälfte von Marcus Ericsson oder Stadtkursspezialist Jolyon Palmer, der darüber hinaus auch zum Überholkönig der Saison wurde. Auch Robin Frijns hatte einige starke Auftritte. In negativer Hinsicht fiel vor allem Johnny Cecotto Jr. auf, der zunächst in Malaysia mit einem Revanchefoul sich am Rande des Lizenzentzugs befand, in Monaco einen riesigen Startcrash auslöste, infolge dessen er gesperrt wurde, und Frontflügel verschliss wie andere Fahrer nur Option-Reifen. Insgesamt muss die GP2 aber genau Letztere überarbeiten, um wieder auf ein Niveau mit der World Series by Renault zu kommen.