Beim letzten Rennwochenende auf dem Nürburgring hätte es eindeutig besser für uns laufen können. Doch zum Glück gab es in den vergangenen Wochen zumindest einige Tage, an denen ich abschalten und mich auf den Titelendspurt einstimmen konnte. Gemeinsam mit meiner Familie war ich eine Woche auf Mallorca. Nach unserem letzten Urlaub auf dem Bauernhof war das etwas komplett anderes. Wir probieren in unserer Freizeit einfach alle Dinge aus, die familientauglich sind. Das fängt bei Waldspielen an und hört beim kompletten Urlaub auf. Auf Mallorca hatten wir eine Woche lang traumhaftes Wetter mit Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad. Eine tolle Möglichkeit, Energie zu tanken - denn nun sind wir zurück im Alltagsstress.

Emotionales Event

Zuletzt haben wir von morgens bis abends Vorbereitungen für das Charity-Kartrennen "Race-4-Kids" in Friedrichshafen getroffen, das meine Verlobte Jasmin für das kommende Wochenende organisiert. Von Bild bis RTL sind alle großen Medien vertreten - die Resonanz hat wider Erwarten den regionalen Rahmen stark gesprengt. Die vergangenen Tage habe ich als positiven Stress erlebt. Ich werde mit vielen Emotionen dabei sein - nicht allein wegen Jasmins Organisationsarbeit, sondern auch weil es um Kinder und ihre Familien gehen wird, die benachteiligt sind. Ich hoffe, dass viele Spendengelder zusammenkommen und wir weiterhin ein so gigantisches Medienecho bekommen.

Kurz darauf beginnt in England der Meisterschaftsendspurt. In der Theorie sollte ich gut gerüstet sein: Die Daten aus dem vergangenen Jahr habe ich bereits studiert und mit meinem Renningenieur sehr ausführlich besprochen. Ich stehe mit dem Team regelmäßig in telefonischem Kontakt. Unsere Jungs beim Audi Sport Team Abt Sportsline haben auch für ihren Teil eine gute Vorarbeit für den Endspurt geleistet - Grund genug, sie am Wochenende zu Jasmins Charity-Kart-Event einzuladen. Auch wenn ich als Fahrer bei dem Kartrennen selbst recht eingespannt sein werde, sollte dort genug Zeit für ein Pläuschchen mit meinen Mechanikern sein.

Nürburger Lehren

Mit Konzentration und guter Vorbereitung geht Timo Scheider in den Titelendspurt, Foto: Audi
Mit Konzentration und guter Vorbereitung geht Timo Scheider in den Titelendspurt, Foto: Audi

Wir alle haben aus dem Nürburgring-Wochenende unsere Lehren gezogen. Dort hatte ich mich am Samstagabend extrem geärgert, dass ich durch die Wertung der ersten Qualifying-Session nur von Platz neun starten musste. Die entsprechende Passage im Reglement war zwar eindeutig - ob sie sinnvoll ist, ist allerdings ein anderes Thema. Positiv war, dass wir das Auto unter Rennbedingungen noch einmal im Regen austesten konnten - eine Erfahrung, die für die restlichen Rennen ebenso wie die harten Zweikämpfe vielleicht nützlich sein kann. Mit vier Boxenstopps vom Ende des Feldes auf Platz fünf vorzufahren war noch bestmögliche Schadensbegrenzung. Aber damit sollten wir das Negativhighlight hoffentlich hinter uns haben.

Zweifelsohne wird in den letzten vier Rennen aber auch die nötige Portion Glück Ausschlag gebend sein. Beim letztjährigen Lauf in Brands Hatch war ich in Turn 2 beim Anbremsen in eine Massenkarambolage verwickelt worden. Diese Situationen gibt es im Motorsport - verhindern lassen sie sich leider nicht immer. Grund zur Zuversicht gibt aber der Umstand, dass die Stimmung in der zweiten Saisonhälfte weit weniger aufgeladen scheint als 2007. Damals ging es extrem hart zur Sache, so manche Fahrer meinten, im Cockpit offene Rechnungen begleichen zu müssen. Nun hoffe ich umso mehr, dass man auf der Strecke nicht regelrecht ums Überleben kämpfen muss. Ich zähle auf die Fairness aller Beteiligten - und bin optimistisch.

Steigende Ansprüche

Und doch mache ich mir keine Illusionen: Die kurze Runde in Brands Hatch wird natürlich einige Fahrer wieder dazu verleiten, nach langen Stints erst spät in die Box zu kommen. Was die Strategie der Jahreswagen betrifft, wird man wohl wieder viel diskutieren können. Ich muss darauf setzen, dass wir fürs Rennen eine gute Strategie erarbeiten, mit der ich mich aus dem Verkehr weit gehend heraushalten kann. Und für den Fall der Fälle wäre es wünschenswert, wenn die Rennleitung den Fahrzeugen mit weniger Boxenstopps wieder rechtzeitig die blaue Flagge zeigen lässt.

Zuletzt war ich 2005 in der FIA-GT-Serie in einen Titelkampf involviert. Parallelen gibt es dennoch nur wenige, denn in der FIA GT verteilt sich die Last immer auf die beiden Fahrer eines Fahrzeugs. Besser vergleichbar mit meiner jetzigen Situation sind meine Erfahrungen aus der Formel 3, der Formel Renault und diversen Kartmeisterschaften, wo ich einige Meistertitel eingefahren habe. Das ist jedoch schon lange her - und ich freue mich riesig, in einen Meisterschaftskampf auf einem Niveau involviert zu sein, wie es eine hochprofessionelle Serie wie die DTM aufweist.

Zurzeit spüre ich, wie sich alles immer mehr auf mich fokussiert, wie aber auch die Anforderungen an mich immer größer werden. Auch meine eigenen Ansprüche wachsen. Natürlich muss man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein und auch mit einer möglichen Niederlage souverän umgehen können. Momentan denke ich jedoch von Rennen zu Rennen - und nicht an den Fall, die Meisterschaftsführung oder gar den Titel endgültig zu verlieren. An meinem Dienstwagen sollte es auf dem Weg zum Titel auch in Brands Hatch nicht scheitern.