Verschiedenste Automobilhersteller sind in der DTM in aller Munde - wenngleich sie zurzeit größtenteils nur durch ihre konsequente Abwesenheit auffallen. Was angesichts eines aktuellen Markenduos aus Audi und Mercedes für so manchen Zuschauer kaum mehr vorstellbar ist, offenbart ein Blick in die Vergangenheit: Auf den Fahrzeugen der DTM-Piloten prangte seit 1984 weit mehr als nur ein Dutzend verschiedener Markenlogos. Wir begleiten Sie in den kommenden Wochen durch das aus heutiger Sicht nahezu unerschöpfliche Repertoire in der DTM engagierter Marken, die in der Vergangenheit zur Popularität der führenden Tourenwagenmeisterschaft Europas beitrugen.

(1) Alfa Romeo - vom Retter zum Totengräber?

Alteingesessene DTM-Fans warten seit langem auf eine Rückkehr Alfa Romeos in die DTM - und werden angesichts der zurzeit ausgeprägten Neigungen der Italiener zu seriennahen bzw. WTCC-Tourenwagen weiterhin warten müssen... Dass der sportliche Ableger des Fiat-Konzerns die DTM aus ihrer weiterhin angesichts nur zweier engagierter Hersteller kritischen Situation befreit, darf somit als Utopie angesehen werden. Und dennoch hat sich Alfa Romeo in der Vergangenheit bereits an der DTM verdient gemacht...

Auch bei Alfa ließ man sich auf das technische Wettrüsten der ITC ein, Foto: Sutton
Auch bei Alfa ließ man sich auf das technische Wettrüsten der ITC ein, Foto: Sutton

Wir schreiben das Jahr 1992: Seit Jahren entbrennen in der DTM die Diskussionen um die Vergleichbarkeit der vertretenen Fahrzeuge. Allradgetriebene Oberklasselimousinen treten, wenn auch mithilfe reglementarischer Maßnahmen einander angeglichen, gegen frontgetriebene Kompaktklassefahrzeuge an. Der Streit eskaliert, als man bei Audi die reglementarischen Beschneidungen des nahezu dominanten V8 Quattro nicht mehr hinzunehmen gedenkt und der DTM noch während der Saison 1992 vorerst den Rücken kehrt.

Das seit Jahren erarbeitete "Klasse-1"-Reglement, das für die Entwicklung neuer, weniger seriennaher Fahrzeuge einen engen Rahmen vorgibt, liegt bereits auf dem Tisch - und kommt für die Saison erstmals zur Anwendung. Die an der Ausarbeitung beteiligten Hersteller zieren sich: Audi legt die fertigen Pläne für einen Audi 80 Quattro ad acta, BMW, auch damals schon für ihre Reihensechszylinder mit seidig-souveräner Kraftentfaltung bekannt, gedenkt nicht, wie im Reglement verlangt einen Sechszylinder in V-Form zu entwickeln. Opel verschiebt das Debüt des neuen DTM-Calibra bis auf unbestimmte Zeit.

Vor der Saison 1993 steht die DTM mit nur einem werksseitig engagierten Hersteller da: Bei Mercedes will man der DTM die Treue halten, muss jedoch das Debüt der neuen C-Klasse verschieben und auf einen modifizierten 190E zurückgreifen. Ausgerechnet ein DTM-Neuling gesellt sich zum Mercedes-Solo hinzu, stellt so den Fortbestand der DTM sicher und entwickelt nebenbei den ersten echten Tourenwagen nach Klasse-1-Reglement: Alfa Romeo.

Giancarlo Fisichella nahm vor seiner F1-Karriere in einem DTM-Alfa Platz, Foto: Sutton
Giancarlo Fisichella nahm vor seiner F1-Karriere in einem DTM-Alfa Platz, Foto: Sutton

Die Debütsaison 1993 erscheint wie eine Belohnung für das rettende Alfa-Engagement: Mit Leichtigkeit setzt sich der neue 155 V6 Ti nicht nur gegen die hoffnungslos unterlegenen Fahrzeuge der Privatiers, sondern auch gegen den nicht mehr ganz taufrischen 190er-Mercedes durch. Im belgischen Zolder gewinnt Nicola Larini in der auch für designerische Verhältnisse der frühen 90er außergewöhnlich kantigen Mittelklasselimousine beide Läufe des Auftaktwochenendes souverän - und distanziert damit den jeweils besten Mercedes-Piloten Roland Asch deutlich.

Dem eindrucksvollen Debüt zum Trotz wird die Saison 1993 für Alfa Romeo nicht zum Spaziergang - was angesichts ihrer Unerfahrenheit die Leistung der Italiener kaum zu schmälern vermag. Beim zweiten Rennwochenende gelingt Bernd Schneider im Mercedes ein doppelter Konter, bevor Larini seiner in Zolder erworbenen Favoritenrolle wieder gerecht wird: Insgesamt gewinnt der Italiener 1993 elf von 20 DTM-Läufen; zwei Siege Alessandro Nanninis und ein Erfolg Christian Danners gesellen sich zur Erfolgsbilanz der Mailänder Traditionsmarke hinzu. Der Meisterschaftstitel Nicola Larinis ist die logische Konsequenz - mit 261 Punkten distanziert er seinen Stuttgarter Rivalen Asch um 57 Punkte.

Seine beeindruckende Form, die Alessandro Nannini bereits mit seinen beiden Siegen beim finalen Rennwochenende der Saison 1993 in Hockenheim an den Tag gelegt hatte, vermochte der Italiener beim Saisonauftakt 1994 in Zolder zu bestätigen: Erneut verbuchte Nannini im überarbeiteten Alfa 155 V6 beide Siege für sich. Auch bei den folgenden fünf Rennwochenenden konnten die Italiener sieben Siege für sich zu verbuchen - die keilförmige Limousine schien sich auch vor der neuen Mercedes C-Klasse nicht verstecken zu müssen. Während des letzten Saisondrittels wandte sich das Blatt jedoch zu Gunsten Mercedes': Mit nur drei Rennsiegen, jedoch einer umso überzeugenderen Konstanz mit Blick auf die Zielankünfte distanzierte Altmeister Klaus Ludwig den erneut besten Alfa-Piloten Larini um 72 Punkte.

Zurzeit hoffen die Fans vergeblich auf ein Alfa-Comeback, Foto: Sutton
Zurzeit hoffen die Fans vergeblich auf ein Alfa-Comeback, Foto: Sutton

1995 zeichnete sich noch weitaus früher ab, dass der Debüterfolg von 1993 nicht zu wiederholen war: Mit beängstigender Leichtigkeit entschied Mercedes-Pilot Bernd Schneider sowohl den DTM-Titelkampf als auch die neu ins Leben gerufene ITC-Wertung für sich. Für Alfa Romeo blieben nur in Helsinki, Diepholz sowie auf dem Norisring Achtungserfolge in Form einzelner Siege. In der Saison 1996 schien sich Alfa wieder auf einer Augenhöhe mit Mercedes zu befinden - ließ dabei jedoch den bereits beim Saisonfinale 1995 erstarkten Konkurrenten Opel außer Acht...

Beim - letztlich fatalen - technischen Wettrüsten der drei engagierten Hersteller hatte Alfa Romeo bis zuletzt in der ITC 1996 munter mitgemischt: Mit Allradantrieb, hydraulisch während der Fahrt einstellbarer Bodenfreiheit des Chassis sowie einem noch während der Saison 1996 debütierenden V6-Motor, der mit all seinen technischen Finessen kaum noch etwas mit den Aggregaten der Serien-155er gemein hatte, versuchten die Italiener bis zuletzt, den technischen Auswüchsen der Rüsselsheimer und Stuttgarter Konkurrenz Gegenwehr zu bieten - ohne Erfolg.

Während Opel mit Manuel Reuter den ersten DTM/ITC-Titelerfolg sicherstellte, gelang es Alfa zwar knapp, sich als zweitstärkster Hersteller vor Mercedes zu profilieren. Die Saison 1996 schien den Vorständen in Mailand jedoch die Augen geöffnet zu haben: Zu teuer, zu extravagant war die einst bodenständige DTM in technischer Hinsicht geworden. Wenige Rennen vor Saisonende ergriff man bei Alfa Romeo die Initiative und zog sich gemeinsam mit Opel aus der der ITC zurück. Das scheinbare Ende der langen DTM-Tradition war damit besiegelt - Alfa hatte womöglich als Totengräber der "alten" DTM fungiert. Die Verantwortlichen zwang man so zum Umdenken - und zu einem umso durchdachteren Konzept für die "neue" DTM. War die Eigenschaft des "Totengräbers" auch 1996 mittelfristig gleichbedeutend mit der Retterrolle?