Ob Bildungspolitik, Wirtschaftspolitik oder Arbeitsmarktpolitik; kaum eine abendliche Polit-Talkshow vergeht, ohne dass die politischen Leistungen der skandinavischen Länder hervorgehoben und als gutes Beispiel für Deutschland präsentiert werden. Ein gutes Beispiel für rennfahrerische Höchstleistungen gaben nun auch in der DTM die Skandinavier - allen voran Mika Häkkinen. Das Rennen im belgischen Spa-Francorchamps sollte zum skandinavischen Gipfeltreffen werden...

Mercedes-Benz - ein präsidialer Auftritt

Mit präsidialer Souveränität steckte Mercedes das Handicap in Form des Maximalgewichts von 1.070 Kilogramm weg - und fuhr dank des finnischen Gipfelstürmers Mika Häkkinen die zweite Pole Position in Folge ein. Neben dem nordeuropäischen Licht gab es allerdings auch mittel- und südeuropäischen Schatten im Mercedes-Lager; der zweitbeste Mercedes-Pilot, Jean Alesi, fuhr im verregneten Qualifying nur den achten Rang ein. Somit war der finnische DTM-Neuling zunächst auf sich allein gestellt...

Und so machte sich die "Einsamkeit" des C-Klasse-Fahrers aus Vantaa bei Helsinki nach dem Start bemerkbar: Nachdem mit Mattias Ekström bereits ein Audi in der La Source vorbeigezogen war, brachte auch Opel-Pilot Marcel-Fässler den Finnen bis zum Boxenstopp des Schweizers in der sechsten Runde in Bedrängnis. Fortan blieb der Rückstand auf Ekström mit zwei Sekunden annähernd konstant - bisher er sich infolge der Boxenstopps in einen Vorsprung verwandelte. Nach seinem ersten Boxenstopp fädelte sich der 20-fache Grand-Prix-Sieger knapp vor Ekström, der eine Runde zuvor bei einem allzu langen Boxenstopp Zeit eingebüßt hatte, wieder ein und behauptete seine Positionen knapp, aber gekonnt auch in der Eau Rouge. Dass sein Sieg keinesfalls nur ein Ergebnis eines missglückten Stopps bei Ekström war, demonstrierte er im Folgenden: Häkkinen baute seinen Vorsprung kontinuierlich aus und deklassierte dabei insbesondere seine nicht-skandinavischen Mercedes-Teamkollegen.

Jene hatten offenbar weitaus mehr mit dem Übergewicht zu kämpfen als der siegreiche Finne: Zwar wurde Jean Alesi nach einer unauffälligen, aber effektiven Aufholjagd vom achten Startplatz aus als Vierter immerhin zweitbester C-Klasse-Pilot und bester nicht-skandinavischer Fahrer, doch den Speed Häkkinens vermochte er bei weitem nicht mitzugehen.

Gary Paffetts Begeisterung über sein Rennergebnis dürfte ähnlich bescheiden gewesen sein wie die seines Landsmanns und Premierministers Tony Blair über das Wahlergebnis seiner Partei: Nach dem er seine C-Klasse im Qualifying nach einem Crash ihres Hecks entledigt hatte und seinen zehnten Platz auf Grund der daraus resultierenden Nichtteilnahme an der Super Pole nicht verbessern konnte, unterlief dem Briten bei der Aufholjagd ein folgenschweres Missgeschick bei einem Überholversuch gegen Pierre Kaffer, das ihm eine Durchfahrtsstrafe einbrachte. Nur durch Bernd Schneiders zum Glück folgenlosen Einschlag in die Reifenstapel der Eau Rouge im Kampf gegen Laurent Aiello rutschte der fünffache DTM-Sieger kurz vor Schluss noch in die Punkte. Jamie Green verlor bereits zu Beginn durch einen völlig misslungenen Start an Boden; ein Reifenschaden vier Runden vor Schluss zwang ihn, ohnehin fernab der Punkteränge liegend, zur Aufgabe.

Und so machte sich der Gewichtsnachteil in Höhe von 20 Kilogramm bei den Stuttgartern durchaus bemerkbar: Zwar litt die Konkurrenzfähigkeit der C-Klasse nicht so eklatant, wie es zunächst noch die erste Trainingssitzung anzudeuten schien, doch verdankt es Mercedes wohl hauptsächlich der vorzüglichen fahrerischen Leistung Mika Häkkinens auf der Fahrerstrecke Spa, dass der erste Sieg der Ingolstädter Konkurrenz, die diesmal ein ähnliches Niveau wie Mercedes erreichte, verhindert wurde. Nicht nur Mika Häkkinens überlegener zweiter und dritter Stint, sondern auch Jean Alesi, der im Rennen ähnlich gut wie Tom Kristensen unterwegs war, deuten jedoch an, dass die im Handling unproblematische C-Klasse "gewichtsbereinigt" nach wie vor der Maßstab ist. Leichte Probleme beim Erreichen der optimalen Reifentemperatur in der Anfangsphase des Rennens ändern daran nichts. Die Überlegenheit des Allroundboliden mit dem Stern könnte sich somit beim kommenden Rennen im tschechischen Brünn, wo der Gewichtsnachteil weniger ins Gewicht fallen dürfte als in Spa, wieder deutlicher zeigen als in Belgien...

Audi - mit starker skandinavischer Opposition

Dem finnischen Giganten Mika Häkkinen stellten sich in Spa in Form des Schweden Mattias Ekström sowie des Dänen Tom Kristensen gleich zwei schlagkräftige Oppositionsführer entgegen und komplettierten das skandinavische Gipfeltreffen. Bereits die Super Pole, die nicht nur Mattias Ekström und Tom Kristensen mit den Rängen zwei und sechs, sondern auch die Piloten des A4-Jahreswagen Christian Abt und Pierre Kaffer mit den Rängen drei und fünf erfolgreich bestritten, deutete eine weitere Formsteigerung der Ingolstädter an.

Diese Steigerung bekräftigte Mattias Ekström, indem er sich am Start gegen Mika Häkkinen durchsetzte, sich in kürzester Zeit einen Vorsprung von etwa zwei Sekunden erarbeitete und diesen bis zum ersten Boxenstopp in Runde zehn aufrechterhielt. Doch nachdem in der Lausitz sein finnischer Konkurrent Leid Tragender eines misslungenen Boxenstopps geworden war, traf es diesmal den Schweden: Eine heruntergefallene Radmutter und ein voreiliges Herunterlassen des Wagens bedeuteten einen Zeitverlust von drei bis vier Sekunden - genug, um nach dem Boxenstopp Häkkinens hauchdünn hinter diesem zurückzubleiben. Zwar versuchte sich der DTM-Meister sofort an einem spektakulären Überholmanöver gegen den seit letzter Woche zweifachen Familienvater, doch nachdem jener Versuch fehlgeschlagen war, fiel der 26-Jährige kontinuierlich zurück. Ergebnis war ein ungefährdeter zweiter Platz.

Tom Kristensen, bereits auf dem Eurospeedway Besucher des Podiums, wiederholte seinen Erfolg und stellte die Beteiligung des flächenkleinsten skandinavischen EU-Landes am Gipfeltreffen auf dem Podest sicher. Nachdem sich der Sieger des letztjährigen Laufs in Oschersleben bereits in der ersten Runde auf Rang vier vorgearbeitet hatte, nahm er nach dem frühen Boxenstopp des Drittplatzierten Marcel Fässler dessen Platz ein und hielt diesen gegen Jean Alesi in müheloser und fehlerfreier Form. Martin Tomczyk arbeitete sich nach einer enttäuschenden Leistung im Qualifying mühsam, aber konsequent und erfolgreich nach zahlreichen Duellen auf Rang sechs vor - die ersten Punkte des Jahres für den Rosenheimer. Nicht zu überzeugen vermochte erneut Allan McNish. Der zum dritten Mal in Folge aus Reihe sieben gestartete Schotte schied nur auf Rang neun liegend mit einem Reifenschaden aus.

Zum ersten Mal in diesem Jahr gingen die Vorjahres-Audi des Joest-Teams im Rennen leer aus: Die Performance, die Christian Abt und Pierre Kaffer in der Super Pole an den Tag legten, bestätigte sich zwar zunächst auch im Rennen und ließ die C-Klasse-Jahreswagen durchaus alt aussehen; Paffetts Rempler an Kaffer und Abts mit einer Durchfahrtsstrafe geahndetes versehentliches Überfahren der Begrenzungslinie bei der Boxenausfahrt machten jedoch den Weg frei für eine geschlossene Punkteankunft der aktuellen Fahrzeuge.

Obgleich Audi wie schon zwei Wochen zuvor als nach Punkten erfolgreichster Hersteller des Rennens abreist, bedeutet der Sieg Mika Häkkinens durchaus einen weiteren Rückschlag für die ambitionierten Ingolstädter im prestigeträchtigen Kampf gegen Mercedes. Dass ein Fahrer der Konkurrenz trotz maximalen Gewichtsnachteils auf der Strecke, wo dieser mit geschätzten 0,4 bis 0,5 Sekunden pro Runde am hinderlichsten ist, triumphierte und man auch im Vergleich zu seinen Teamkollegen nicht deutlich überlegen schien, dürfte bei Audi die Hoffnung, aus eigener Kraft und "gewichtsbereinigt" in absehbarer Zeit Siege einfahren zu können, etwas dämpfen. Eine akute Schwäche lässt sich beim A4 DTM aktuellen Jahres nicht ausmachen; vielmehr gilt es, den wohl in nahezu allen Bereichen vorhandenen kleinen, aber in der Summe bemerkbaren Rückstand bis in drei Wochen abzubauen.

Opel - nur Beisitzer beim Gipfeltreffen

Anders als dem hessischen Ministerpräsidenten, der vor wenigen Wochen ein Treffen mit dem Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten arrangieren ließ, gelang dem hessischen DTM-Team auch diesmal nicht der Sprung in höhere Sphären. Und das, obwohl die Rüsselsheimer so deutlich wie in dieser Saison noch nicht vernehmbar in den Freien Trainigssitzungen und im Qualifying aufhorchen ließen. Bereits die Super Pole, wo Laurent Aiellos und Marcel Fässlers Ergebnisse allem Anschein nach durch den Abbruch der Session infolge des Ausrutschers Tom Kristensens beeinträchtigt wurden, dämpfte die Hoffnungen auf den lang ersehnten Erfolg: Die provisorische Doppel-Pole aus dem Qualifying verwandelte sich in die Ränge vier und sieben für Fässler und Aiello.

Zwar verbesserte sich Fässler nach einem gelungenen Start zunächst auf Rang drei und konnte bis zum ersten Boxenstopp in Runde sechs gar den späteren Sieger Mika Häkkinen unter Druck setzen. Der frühe Stopp stellte sich allerdings als taktische Fehlentscheidung heraus: Während Ekström und Häkkinen längst außer Sichtweite waren, hatte sich der dreifache DTM-Sieger durch den Verkehr zu arbeiten. In einem sehenswerten Kampf gegen den drängelnden Martin Tomczyk in der Schlussphase stellte der Schweizer schließlich Rang fünf sicher.

Auch Laurent Aiello vermochte seine Platzierung aus der Super Pole nicht zu verbessern. Nach einem mäßigen Start und einem unauffälligen Rennen im vorderen Mittelfeld machte der frühere Audi-Pilot nur mit einem gekonnten Manöver gegen Bernd Schneider in der Eau Rouge auf sich aufmerksam, infolge dessen er Rang sieben zurückeroberte. Fernab der Punkteränge drehten Manuel Reuter und Heinz-Harald Frentzen ihre Runden: Der ITC-Meister von 1996 rollte eine Runde vor Schluss auf Grund von Benzinmangel aus, der Formel-1-Vizeweltmeister von 1997 fuhr dem Feld nach einem Missgeschick im Kampf gegen Martin Tomczyk auf dem letzten Platz hinterher - und behielt diesen bis ins Ziel.

Und so gelang es Opel nicht ansatzweise, ins Rennen der skandinavischen Giganten ernsthaft einzugreifen – vielmehr blieb nur die Rolle als Beisitzer bei einem denkwürdigen Gipfeltreffen. Zwar erwies sich der sonst so launische Vectra beim Handling nun als etwas gutmütiger, was auch die guten Ergebnisse im fahrerisch problematischen, weil verregneten Qualifying zeigten; auch vor den Vorjahresfahrzeugen der Konkurrenz musste sich die Rüsselsheimer Fließhecklimousine nicht verstecken - was nach den beiden bisherigen Rennen keinesfalls als selbstverständlich anzusehen war. Die doppelte Punkteankunft täuscht allerdings nicht darüber hinweg, dass der Vectra GTS nach wie vor das schwächste Auto des aktuellen Jahrgangs darstellt. Bedenkt man, dass sich beispielsweise Laurent Aiello nur mit Mühe gegen den schwächelnden, im direkten Vergleich mit einem Gewichtsnachteil von nicht viel weniger als einer Sekunde fahrenden Bernd Schneider durchzusetzen vermochte, offenbart sich in Hinblick auf das kommende Rennen in Brünn weiterhin ein signifikanter Nachholbedarf.