Gulf, Aston Martin, Le Mans: Welcher Motorsport-Enthusiast könnte dieser Kombination widerstehen? Ich brauchte es zum Glück nicht. Denn der amerikanische Erdölkonzern lud für den offiziellen Testtag für das 24-Stunden-Rennen nach Le Mans und ermöglichte es so, für ein Wochenende ein Teil der Aston-Martin-Racing-Equipe zu werden.

Da der Testbetrieb am Sonntagmorgen aufgenommen wurde, hieß es schon am Samstag anzureisen und die ersten Eindrücke von den Anlagen um das imposanten Boxengebäude zu sammeln, kurz einen Blick in die Trucks zu werfen und sich mit dem Aston-Martin-Teamzelt vertraut zu machen. Letzteres allerdings intimer und länger als gedacht, da das angekündigte Unwetter sich heftig über der Region Pays de la Loire ergoss. Als es zum Hotel zurück ging, waren Kleidung und Schuhe allerdings trotz des kurzen Weges zum Wagen nachhaltig durchnässt. Nicht der beste Start für das erste Mal an der Sarthe.

Auf geht´s!

Zudem blieb wenig Zeit zum Trocknen. Denn am Sonntag ging es um genau Halb sieben ohne Frühstück los zur Rennstrecke, um rechtzeitig für die erste Session von neun bis 13 Uhr vor Ort zu sein. Da die Fahrer zur gleichen Zeit vom Hotel aufbrachen, schien es keinen Journalisten-Bonus zu geben. Allerdings konnte man durchaus an der Zeit des Eintreffens in der Lobby beziehungsweise im Teamzelt feststellen, wer zu den Profis und wer zu den Amateuren gehörte. Am Circuit de la Sarthe angekommen, war es noch immer feucht und der Regen machte kaum Anstalten zu verschwinden.

Einblick in die saubere Aston-Martin-Box, Foto: Fabian Stein
Einblick in die saubere Aston-Martin-Box, Foto: Fabian Stein

Aston Martin feiert 2013 seinen 100. Geburtstag und begeht dieses Jubiläum standesgemäß: Fünf GTE-Vantage sind für den Langstreckenklassiker angemeldet und warteten auch beim Testtag in den Boxen auf den Beginn der Vormittagssitzung. 90 Personen hat Aston Martin am Wochenende an der Strecke, beim Rennen selbst werden es 140 sein. Genug möchte man meinen, aber doch gibt´s immer etwas zu tun. Daher geht´s nach einem kurzen Frühstück direkt in die Boxen des Teams, um sich mit den unterschiedlichen Bereichen zu arrangieren. So nah ist man sündhaft teuren Ersatzkotflügeln, beheizten Reifenzelten und den Logen oberhalb der Boxengasse nun doch eher selten.

Arbeiten für die Sonne

Noch schnell den Teamoverall übergestreift und schon wartet die erste Aufgabe: Slickreifen vom Abrieb reinigen. Mit dem Hitzestrahler samt Schaber in der Hand wird langsam die eigentliche Oberfläche wieder freigelegt, damit die Reifen erneut verwendet werden können. Das klebrige, warme Gummi mit kleinen Steinchen und anderen Dingen erweist sich dabei als sehr, sehr widerspenstig. Die Mechaniker allerdings sind sichtbar erfreut, dass man ihnen diese Arbeit abnimmt - obwohl die Bewegungen der Journalisten-Hand erheblich weniger geschmeidig sind als jene der erfahrenen Mitglieder der Mannschaft selbst. Aber es sollte sich lohnen: Am Nachmittag kam die Sonne während der zweiten Sitzung von 14 bis 18 Uhr langsam wieder zum Vorschein.

Unterdessen wurden auf der Strecke verschiedene Regenreifenvariationen gefahren, die bei eifrigem Testbetrieb mit fünf Teamfahrzeugen einige Unruhe in die Reifen-Crew und die drei Michelin-Ingenieure bringen. Die benutzen Pneus gehen zurück ins riesige Michelin-Zelt. Dort werden sie von der Felge gelöst, die dann wieder mit frischem Gummi bestückt wird. Aston Martin Racing hat damit nichts zu schaffen. Da das temporäre Reifenlager aber weit von der Box entfernt ist, müssen die Mechaniker samt Reifenwagen und Quad ständig pendeln. Aber immerhin bekomme ich so eine Tour durchs Fahrerlager und schlage mich beim Reifenverladen erheblich besser als beim Reinigen.

Beim PS-Plausch in der Pause, Foto: Simon Maurice/Gulf Oil International
Beim PS-Plausch in der Pause, Foto: Simon Maurice/Gulf Oil International

Bei Michelin werden die Reifen abgegeben und dann heißt es: Warten, bis der neue Reifensatz aufgezogen ist und in die beheizten Minizelte des Teams zurück kann. Da Roald Goethe bei einem Ausritt seinen GTE-Am-Aston in Mitleidenschaft gezogen hat, wird hektisch ein defekter Reifen zu den Gummi-Experten gebracht, während ich und zwei junge Mechaniker des Teams auf die Routinearbeit der Franzosen warten. Die Diagnose: Diese Felge ist Schrott. In solchen Moment schätzt das Team die Zusammenarbeit mit Gulf, die seit der milliardenschweren Übernahme von Houghton International ihr Engagement im Motorsport ausgeweitet haben.

Erst Pause, dann putzen

Allerdings müssen auch die gestandenen Profis hier und da mal pausieren, sodass es in das Teamzelt fürs Mittagessen zurückgeht - natürlich nicht, ohne vorher noch die frischen Reifen abzuliefern. Zunächst trudeln die Fahrer ein, dann die Ingenieure, die Mechaniker. Motorenchef Jason Hill schaut für einen kurzen Technikplausch vorbei, später gesellt sich GT-Ass Frédéric Makowiecki an den Tisch und berichtet von den Bedingungen auf der Strecke und seiner Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit des Aston Martins gegenüber den Konkurrenten.

Lange dauert die Pause jedoch nicht: Es gibt weiterhin viel zu tun. Da das Wetter erst langsam besser wird, sind die fünf V8 Vantage ordentlich verdreckt. Damit die berühmte hellblau-orange Gulf-Lackierung wieder zum Vorschein kommen kann, müssen einige Küchentücher und Reinigungsspray her. Weil die moderne Aerodynamik überall Schächte und Ritzen am Auto hinterlässt, ist das eine ziemlich kleinteilige Angelegenheit. Aber auch hier überwiegt die Freude des Teams über hilfswillige Hände gegenüber der Angst, man könne etwas beschädigen. Aber bloß nicht das Ventil für die Luftlanze berühren!

Einen Reifen wechseln? Puh!

Eigentlich wären nun die Reifenwechsel in der Box an der Reihe, da aber der Goethe´sche Vantage noch immer aufgebockt auf eine neue Vorderradaufhängung wartet, gibt´s nur ein kurzes Auf- und Absetzen des Rades. Hier steigt die Wertschätzung für die Boxencrew gewaltig: Wie leicht sieht es doch im Fernsehen oder von der Tribüne aus, und wie schnell kann sich so ein kiloschweres Rad kniffelig verhaken.

Anschließend bittet Teamchef John Gaw in die Loge über den Aston-Martin-Garagen und stellt sich fast eine halbe Stunde lang den Fragen zu Team, Wagen, Ansprüchen und Finanzierung. Zum Schluss wird noch den Motor- und Dateningenieuren bei der Auswertung unterschiedlicher Parameter zugesehen. Trotz neun fest installierten Flachbildschirmen und unzähligen Laptops pro Box: Hier ist definitiv kein Platz für Unwissende.

Am Ende des Testtages stehen bei Aston Martin die Bestzeiten in beiden GTE-Kategorien zu Buche. Ob´s an meiner Mitarbeit gelegen hat? Wohl eher nicht. Beim abendlichen Ausklang im Le Mans Légend´Café fühlt es sich aber trotzdem etwas so an. Und man stimmt den Gulf-Mitarbeitern auffallend leichtfertig zu: Corvette ist in besagtem Restaurant in der Tat etwas übergebührlich präsent.