Vor einer Woche unternahm Mario Andretti in den USA einen Lobbying-Vorstoß. In Washington traf sich der Weltmeister von 1978 und regelmäßige Spender der Republikanischen Partei mit US-Politikern. Seine Bitte: Hilfe für seinen Sohn Michael und dessen Pläne, mit seinem Rennteam Andretti Global in die Formel 1 einzusteigen. Der erste Erfolg ist hierbei erzielt: Der Justizausschuss des Repräsentantenhauses leitet eine Ermittlung ein.

Stein des Anstoßes ist die vom Formel-1-Eigentümer Liberty Media kommunizierte Ablehnung von Andrettis Bewerbung am 31. Januar 2024. Davor hatten die Regelhüter der FIA monatelang vier Bewerber einer nach eigener Aussage "rigorosen" Prüfung unterzogen. Danach erklärten sie Andretti als einziges Team für F1-fit. Doch die kommerziellen Rechteinhaber von Liberty teilten diese Ansicht nicht, und verweigerten den Einstieg.

Andrettis Vorsprache beim US-Kongress konzentrierte sich auf angebliche wettbewerbsfeindliche Praktiken der Formel 1. Reglement sowie Concorde Agreement - das ist der kommerzielle Rahmenvertrag - erlauben aktuell bis zu 12 Teams. Die Ablehnung des mit dem US-Hersteller General Motors und dessen Marke Cadillac gepaarten Andretti-Projekts sorgte daher von Beginn an für Spekulationen über kartellrechtliche Schritte.

US-Ermittlung verlangt Dokumente von Formel 1 zu Andretti-Fall

Am 1. Mai übermittelten zwölf US-Abgeordnete bereits einen Brief an Liberty-Media-CEO Greg Maffei, in dem Klarstellungen gefordert wurden, wie die Ablehnung im Angesicht der durch die Entscheidung bevorzugten europäischen Teams zu rechtfertigen sei. Am 7. Mai erhielt das Anliegen mit einem Brief vom Vorsitzenden des Justizausschusses, Jim Jordan, einen offiziellen Charakter.

Dieser von NBC veröffentlichte und an Maffei und F1-CEO Stefano Domenicali adressierte Brief fordert vom Formel-1-Management bis zum 21. Mai ein erstes Briefing für Vertreter des Ausschusses. Außerdem will der Ausschuss alle Dokumente zum Evaluierungsprozess, zum Andretti-Einstieg, zur Ablehnung, sowie jede Kommunikation zwischen Liberty und den aktuellen Teams bezüglich der Zulassung eines Neulings und bezüglich der Erhöhung der Anti-Verwässerungsgebühr im aktuellen oder zukünftigen Concorde Agreement.

Braucht die Formel 1 überhaupt ein 11. Team? (29:39 Min.)

Eine Ermittlung des Justizausschusses hat grundsätzlich nur informativen Charakter. Dennoch kann sie unangenehme Konsequenzen für Liberty mit sich bringen, beispielsweise eine öffentliche Anhörung. Verweigert man das freiwillige Übermitteln von Material, könnte dieses unter Strafandrohung eingefordert werden. Die Ermittlungsergebnisse könnten auch Grundlage für kartellrechtliche Schritte werden, etwa durch den Anstoß eines Verfahrens bei der Bundeshandelskommission (Federal Trade Commission, FTC).

Im Brief wird explizit darauf verwiesen, dass die FIA Andretti die nötige sportliche und technische Befähigung attestiert hatte. "Die Ausreden zur Ablehnung des Einstiegs von Andretti Cadillac scheinen vorgeschoben, beliebig und nicht im Zusammenhang mit der Befähigung, in der Formel 1 anzutreten", heißt es. Etwa das F1-Argument, dass ein neues Team nur dann eine Bereicherung sei, wenn es um Siege und Podien kämpfe. Das trifft aktuell nicht einmal auf die meisten aktiven Formel-1-Teams zu, schließlich verlor Red Bull seit 2023 nur drei Rennen.

Auch die widersprüchlichen Argumente bei der Frage der Motorenlieferung werden kritisiert. Andretti plante zuerst mit Kundenmotoren zu fahren, während GM-Cadillac bis 2028 seine eigene Power Unit produzieren will. Das Kundenmotor-Problem könne dem Prestige der Serie schaden, hieß es von der Formel 1 - ein Werksteam wäre zu bevorzugen. Zugleich sei die Partnerschaft mit Cadillac zwar wertvoll, aber ein Neueinstieg mit unerfahrenem Hersteller eine Herausforderung.

Formel 1 wird der Wettbewerbsverzerrung für aktuelle Teams beschuldigt

Zentral bleibt das Argument der Wettbewerbsverzerrung. Es wird Einflussnahme der bestehenden Teams verortet. Auch durch den Versuch, im neuen Concorde Agreement ab 2026, für das die Verhandlungen gerade anlaufen, die Anti-Verwässerungsgebühr deutlich anzuheben. Aktuell liegt diese von einem Neueinsteiger zu zahlende Gebühr bei 200 Millionen Dollar. Die Teams wünschen ein Anheben nahe dem Milliardenbereich, mit dem Argument, dass der in den letzten Jahren inflationär steigende Wert eines Startplatzes eben um diesen Betrag gewachsen ist.

Wenn nicht überhaupt eine Obergrenze bei 10 Teams eingezogen wird. "Schwache Teams wollen vor Wettbewerb geschützt werden, was schlecht für den Konsumenten ist, und ein zusätzliches Team würde um Preisgeld und Sponsoren kämpfen", wird hier im Brief angeklagt. "Wenn die Formel 1 den Wettbewerb behindern und Konsumenten schaden muss, dann mag das ganze Formel-1-Modell kaputt sein, und die Organisation darf sich nicht hinter der Notwendigkeit einer Sportliga zu Maßnahmen gegen den Wettbewerb verstecken."

Sowohl in den USA als auch in Europa ist es generell akzeptiert, dass es für Sportligen bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar ist, Monopol-artige Stellungen einzunehmen. Die Maßnahmen der Formel 1 seien damit aber nicht mehr vereinbar: "Den Einstieg von Andretti-Cadillac um auch nur ein Jahr zu verzögern wird amerikanische Konsumenten schädigen und scheiternde Formel-1-Teams bevorzugen." Schließlich erhöht die dadurch erzeugte Knappheit die Preise für Sponsoren, oder auch den Verkaufspreis eines Teams. Alles Vorteile für die Etablierten.

Vonseiten Liberty wurden die Vorstöße bislang nicht kommentiert. Die Formel 1 wäre nicht das erste Unternehmen unter dem Dach des Konzerns, das mit dem US-Kartellrecht in Konflikt gerät. Liberty ist unter anderem Mehrheitseigner von Live Nation, dessen Subunternehmen Ticketmaster den Verkauf von Event-Tickets in den USA dominiert. Laut dem 'Wall Street Journal' könnte auf eine Senatsermittlung hier bald ein vom US-Justizministerium angestoßenes gerichtliches Kartellverfahren folgen.