In der Formel 1 gibt es im Qualifying eine goldene Regel: Überholt nicht im letzten Sektor auf einer Outlap. Dieses Gentleman's-Agreement wird normalerweise beachtet, doch bei der F1-Qualifikation in Silverstone setzten sich mehrere Fahrer im Finale von Q1 darüber hinweg. Besonders brisant: Ferrari-Pilot Carlos Sainz überholte kurzerhand seinen eigenen Teamkollegen.

Charles Leclerc war bei den Roten beim Großbritannien-GP eigentlich mit Priorität ausgestattet. Das bedeutete, dass er die Wahl hatte, vor oder hinter Sainz seine Runde aufzunehmen. Leclerc entschied sich dafür, vor dem zweiten Ferrari zu fahren und wurde brav von dem Spanier in der Boxengasse vorbeigelassen.

Panik im Q1-Finale: Sainz überholt Leclerc

Doch das war nur die erste Hälfte der Geschichte: Denn am Ende der Runde staute sich das Feld mit langsam ablaufender Zeit im letzten Sektor. Lewis Hamilton überholte mehrere Konkurrenten - eigentlich ein Verstoß gegen das Gentleman's-Agreement -, Sainz zog nach und ging am Eingang der letzten Schikane an seinem Teamkollegen vorbei. Der quittierte die Aktion seines Ferrari-Partners genervt mit einem ironischen Funkspruch: "Sehr schön, Carlos. Ein gutes Überholmanöver in der letzten Kurve".

Sainz erklärte sein Verhalten nach dem Ende des Qualifyings: "Jeder hat angefangen zu überholen und ich dachte, ich komme nicht mehr über die Linie. Dann habe ich mich entschieden, ebenfalls zu überholen", sagte er im Interview bei Sky Deutschland. Leclerc nahm diese Argumentation seines Teamkollegen an: "Wir wussten nicht, ob wir über die Linie kommen, da hat man natürlich auch viel Druck."

Fred Vasseur: Lewis Hamilton war schuld

Dennoch forderte Leclerc ein klärendes Gespräch. "Es war nicht ideal. Einmal hat ein Fahrer am Wochenende Priorität, einmal der andere. Aber wir werden das noch ausdiskutieren", so der Monegasse. Teamchef Fred Vasseur verteidigte den Vorjahres-Sieger des Silverstone-Rennens und sah den Auslöser für die konfuse Situation bei einem anderen Fahrer. "Wir waren in einer Gruppe von fünf oder sechs Autos, die stark verlangsamten. Hamilton überholte unsere beiden Autos vor der letzten Kurve und das hat ein bisschen Chaos verursacht."

Die Wogen kühlten wohl auch deshalb schnell wieder ab, da niemandem bei Ferrari aus der Situation ein Nachteil erwuchs: Beide Ferraris schafften den Einzug in Q2 und schließlich auch in Q3. Dort scheiterte die Scuderia im Kampf um die erste Startreihe. Mit den Plätzen 4 (Leclerc) und 5 (Sainz) zeigte man sich dennoch zufrieden, wenn auch nicht übermäßig glücklich.

"Es war ein solides Qualifying, wir hätten heute nur ein bisschen schneller sein müssen, um unter den Top 3 zu sein. Aber es war solide", bilanzierte Sainz. Leclerc freute sich vor allem über sein gutes Fahrgefühl in Q1 und Q2 unter gemischten Bedingungen. In den letzten Monaten hatte er mit derartigen Wetterverhältnissen oft Probleme. "Ich bin wieder näher daran, wo ich sein will unter diesen Bedingungen", sagte er. Dass Leclerc in Q3 die erste Startreihe knapp verpasste, störte den Qualifying-Spezialisten jedoch.

Ferrari-Rennpace macht Sorgen

Der Blick auf den Sonntag verursacht bei Ferrari allerdings noch immer Sorgenfalten. Das Stichwort lautet Reifenverschleiß. Damit hatte die Scuderia 2023 und auch schon im Vorjahr viele Probleme. In Kanada und Österreich hatte man diese Achillesferse etwas besser im Griff, in Silverstone könnte sie wieder zurückkehren.

Sainz prognostizierte mit Blick auf die Longruns im Training, dass Ferrari in Silverstone schwächer aufgestellt sein werde als das Mercedes-Duo. "Red Bull und Mercedes haben eine bessere Pace, erst dahinter kommen wir und McLaren. Mercedes wird also ab einem gewissen Punkt Druck auf uns ausüben." Das ganze Rennen der Formel 1 heute in Silverstone gibt es hier im Liveticker.

Formel 1 Silverstone 2023: Der Zeitplan

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