Eigentlich plant die Formel 1, ab der Saison 2024 gänzlich auf Heizdecken zu verzichten. Seit Jahren wurde deshalb die Heizphase der Pneus sukzessive auf kürzere Zeiten und niedrigere Temperaturen angepasst. Doch der finale Schritt stellt Reifenalleinausrüster Pirelli vor deutlich größere Herausforderungen.

Nach dem Spanien GP in Barcelona fand am Dienstag und Mittwoch auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya der vorletzte Reifentest für 2024 statt, ehe Ende Juli die finale Entscheidung fällt, ob die Formel 1 in der kommenden Saison tatsächlich auf Heizdecken verzichtet oder nicht.

Neben dem vielbeachteten Mercedes-Debüt von Mick Schumacher saßen auch drei Stammpiloten im Cockpit: George Russell für Mercedes, Carlos Sainz und Charles Leclerc testeten für Ferrari.

Testbedingungen in Barcelona zu gut

Das Feedback fällt durchwachsen aus. "Der Test wurde wahrscheinlich nicht bei den richtigen Bedingungen und nicht auf der richtigen Strecke durchgeführt", kritisiert Russell. "Nach etwa fünf Kurven hatten die Reifen einen ordentlichen Grip, aber die Strecke hat einen aggressiven Asphalt, der auch noch über 40 Grad heiß und dazu noch mit Gummi vom Rennwochenende belegt war."

Auch Ferrari testete in Barcelona Reifen ohne Heizdecken, Foto: Pirelli
Auch Ferrari testete in Barcelona Reifen ohne Heizdecken, Foto: Pirelli

Ähnlich klingt das Feedback von Leclerc: "Nur die ersten vier oder fünf Kurven waren knifflig. Bei diesen Bedingungen war es gut, aber bei niedrigeren Temperaturen ist da ein großes Fragezeichen. Ich würde diese Reifen gerne bei anderen Bedingungen testen und sehen, ob sie bei allen Bedingungen so funktionieren. Bei kühleren Bedingungen und im Rennbetrieb ist es vermutlich viel schwieriger."

Russell warnt: Formel 1 noch nicht bereit

Russell durfte die Pneus in einem früheren Entwicklungsstadium im Winter in Jerez testen. "Bei 10 Grad Asphalttemperatur war es extrem schwierig. Wenn ich ganz ehrlich bin, sind wir als Sport noch nicht in einer Position, diese Reifen im Rennen einzusetzen", sagte der Präsident der Fahrergewerkschaft GPDA.

"Ich wäre sehr besorgt um die Mechaniker, die während eines Reifenwechsels in der Boxengasse sind. Und ich wäre bei kalten Bedingungen sehr besorgt um die Outlap im Rennen. Es würde Unfälle geben, daran bestehen keine Zweifel", so Russell.

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Der Brite steht mit seiner Kritik nicht alleine da. "Ich bin kein großer Fan davon, die Heizdecken zu verbieten. Ich sehe auch keinen Grund dafür", meint Fernando Alonso. Die Formel 1 will mit dem Heizdeckenverbot einerseits Kosten sparen, andererseits die Umwelt schonen.

Allerdings befürchten die Piloten, dass im Training und Qualifying mehrere Aufwärmrunden nötig sind, um die Reifen ins richtige Temperaturfenster zu bringen. Die eingesparte Energie wird dann für das Aufwärmen auf der Strecke verblasen.

Nur Formel 1 noch mit Heizdecken

Für Pirelli ist die Herausforderung doppelt groß. Zum einen gilt es, Mischungen zu entwickeln, die schnell auf Temperatur kommen. Aber auch die Konstruktion stellt die Ingenieure vor große Herausforderungen: Mit der Temperatur steigt auch der Luftdruck. Wenn die aufgeheizten Reifen im perfekten Luftdruck-Fenster sein sollen, muss der Startdruck entsprechend niedrig sein. Extrem niedrige Luftdrücke bergen aber das Risiko, dass die Konstruktion beschädigt wird.

Das Argument, auch andere Rennserien würden ohne Heizdecken auskommen, lässt Pirelli nicht gelten. Das hohe Gewicht der aktuellen Formel-1-Boliden in Kombination mit den extremen Kurvengeschwindigkeiten gibt es so in keiner anderen Serie.

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