Nach Wochen der Spekulationen gibt es in Sachen Budget-Verstöße in der Formel-1-Saison 2021 endlich Klarheit. Red Bull bekannte sich im Rahmen einer Vereinbarung mit der Cost Cap Administration einer kleinen Übertretung offiziell schuldig und nahm dafür sieben Millionen US-Dollar Strafe und eine Reduktion der Aerodynamik-Testzeiten für die nächsten zwölf Monate in Kauf.

Wovon Red Bull danach allerdings nichts hören will: Tricks, verschaffte Vorteile, oder gar von Betrug. In einer fünfzigminütigen Verteidigung stellte sich Teamchef Christian Horner am Freitag in Mexiko der Formel-1-Presse und legte die entscheidenden Punkte der Reihe nach da. Red Bull sieht keine sportlichen Auswirkungen, ja, sieht nicht einmal einen eindeutigen Verstoß. Woran das liegt.

Regelbruch oder nicht? Red Bulls Gegenargumente erklärt

Horner steht in Mexiko weiter zu seinen bisherigen Statements: "Als wir unsere Dokumente eingereicht haben, lagen wir 3,7 Millionen Pfund unter der Grenze." Der FIA-Bericht unterstellt eine Überschreitung von 1.864.000 Pfund - macht 5.564.000 Millionen Differenz. Horner erklärt diese mit drei Schlüsselstellen, und versucht ihre Aussagekraft zu entschärfen.

Zunächst geht es um eine erwartete Steuergutschrift. Diese 1.431.348 Pfund bestätigt die FIA auch in ihrem Fazit. "Wir haben praktisch innerhalb der Grenze zu viel besteuert, und diese 1,4 Millionen nicht ausgeschlossen", sagt Horner. "Wenn du das miteinberechnest, werden aus 1,8 Millionen etwas mehr als 400.000." Das sind 0,37 Prozent. Die FIA habe das verstanden.

Auch der Rest sei laut Horner leicht zu erklären. Zum einen habe Red Bull Personalkosten anders ausgelegt. Zur Konkurrenz wechselndes Personal wurde für die letzten Monate aus dem F1-Team entfernt und zu 'Red Bull Advanced Technologies' geschickt, wo etwa der Trackday-Prototyp RB17 oder ein America's-Cup-Boot entwickelt werden. Entsprechend war das Gehalt nicht mehr in die F1-Aufstellung: "Wir waren vehement der Meinung, dass das nicht zu inkludieren sei." Die FIA-Prüfer sahen es anders.

Schuldig! Doppel-Strafe für Red Bull nach Budget-Cap-Verstoß (08:14 Min.)

Ähnliches führt Horner bei Krankenständen an: "Wir haben Angestellte auf langen Krankenständen immer weiterbezahlt, und waren der Ansicht, dass man jemanden, der acht Monate lang keinen Einfluss auf das GP-Team hat, aus den Kosten ausschließen könne. Leider können die Regeln hier auf zwei Arten ausgelegt werden."

Weiters erklärt Horner das inzwischen berüchtigte Catering-Gerücht. Das Problem sei, dass die Catering-Rechnung von Red Bull Racing vom Mutterkonzern getragen werde. In der Einreichung hatte das F1-Team daher alles ausgeschlossen. Die FIA-Prüfer waren laut Horner gegenteiliger Ansicht, und inkludierten daraufhin nicht nur die Catering-Kosten des F1-Teams, sondern des ganzen Standortes Milton Keynes. "1,4 Millionen Pfund an Essen, Getränken, an Kaffee", rechnet Horner die Gesamtsumme vor. "Red Bull Powertrains etwa hat nichts mit Red Bull Racing zu tun, aber ihre Kosten wurden inkludiert."

Horners letztes Argument bezieht sich auf eine Regelanpassung im Juni, nach der Deadline für die finale Einreichung, über das Verbieten des Ausschlusses von nicht verwendeten Ersatzteilen. Laut Horner hätte Red Bull Teile im Wert von 1,2 Millionen Pfund anders deklarieren können, als Teile für historische Autos: "So wie wir glauben, dass die anderen Teams das in ihren Einreichungen getan haben."

Horner verweist auf die ebenfalls bestrafte Konkurrenz bei Aston Martin. Dort gab es auch falsche Verrechnungen von Catering, Ersatzteilen und Mitarbeiter-Entlohnung. Gegen Kritiker, die auf den Testlauf von 2020 - in diesem Jahr konnten die Teams bereits ihre Budgets einreichen - verweisen, wehrt er sich weiter. Auch wenn er gesteht, dass Red Bull am Testlauf nicht teilnahm. Sehr wohl wurde im April 2021 eine Interim-Dokumentation eingereicht: "Es gab dazu kein Feedback, daher haben wir dieses Vorgehen für die Einreichung im April 2022 übernommen."

Red Bull beklagt: Strafe für Budget-Verstoß drakonisch

"Es gab keine Unehrlichkeiten, auf keinen Fall gab es Schummelei, wie es an manchen Ecken kolportiert wurde", verteidigt Horner und verweist auf das FIA-Statement, welches dies unterstützt. In Red Bulls Augen sind es rechnerische Auslegungen, welche die Übertretung verursachten: "Wir haben buchhalterische Interpretationen angewandt, um Buchprüfer glücklich zu machen, aber mit der FIA ist es ein anderer Prozess. Unser Fehler lag in der Annahme, es sei wie eine Buchprüfung. Das war es nicht."

Horner leistete in Mexiko eine 50 Minuten lange Pressekonferenz ab, Foto: LAT Images
Horner leistete in Mexiko eine 50 Minuten lange Pressekonferenz ab, Foto: LAT Images

So untermauert Horner die Argumentation, dass die Übertretung sportlich auf die WM 2021 oder 2022 keinen Einfluss hatte. "Ich bin erstaunt, dass sich kein anderes Team in dieser Position wiederfand. Gut für sie. Acht haben sich korrekt verhalten. Daraus können wir etwas lernen. Haben wir irgendwas davon auf der Strecke gesehen? Nein, haben wir nicht. Gibt es Dinge, die wir in Sachen Buchhaltung besser hätten machen sollen? Natürlich, da gibt es Dinge, die wir lernen können. Nicht nur auf unserer Seite, sondern auf allen Seiten."

Besonders über die Beschränkung der Aerodynamik-Tests für die nächsten zwölf Monate ist Horner deshalb nicht glücklich. Wiederholt bezeichnet er die Maßnahme als "drakonisch". Red Bull muss als amtierender Konstrukteurs-Meister in den nächsten Monaten ohnehin mit nur 70 Prozent der Zeit für CFD und Windkanal auskommen. Durch die Strafe fällt dieser Wert auf 63 Prozent.

In Summe könnten diese Reduktionen Red Bull über die Entwicklung hinweg 0,25 bis 0,5 Sekunden an Rundenzeit kosten, glaubt Horner. 2023 gibt es angepasste Unterboden-Regeln. Forderungen nach noch härteren Strafen sieht Horner als politisch motiviert: "Natürlich wird es manchen nicht reichen. Wenn du unseren Windkanal niederbrennst, würde das manchen nicht reichen. Die FIA hat die Entscheidung nach langem Dialog getroffen. Sie wissen, wie sehr uns das beeinträchtigt."

Red Bull besorgt wegen FIA-Lecks

Eine Entschuldigung von Red Bull gibt es keine: "Wir können etwas davon lernen, aber wir haben schon öffentlich Prügel bezogen, sehr öffentlich." Diesbezüglich erneuert Horner auch seine Kritik am öffentlichen Anklagen seines Teams. Red Bull habe erstmals vor Singapur im September die 13 Streitpunkte von der FIA erhalten. Dass innerhalb von Tagen plötzlich Gerüchte und Zahlen kursierten, stimmt besorgt.

"Ich war schockiert und überrascht von den gigantischen Zahlen und großen Ansagen mancher unserer Gegner", beschwert sich Horner und hofft auf Aufklärung potenzieller Lecks vonseiten der FIA. Er nimmt aber auch klar Abstand davon, der FIA-Generalsekretärin für Sport Shaila-Ann Rao - einer ehemalige Mercedes-Anwältin - Befangenheit zu unterstellen.

Red Bull akzeptiert Strafe: Wollen keine 12 Monate Streit

Horner wird in Mexiko nicht müde zu betonen, wie schwerwiegend vor allem die zehnprozentige Senkung der Aerodynamik-Testzeit für die nächsten zwölf Monate ist. Trotzdem akzeptiert Red Bull aber Schuldeingeständnis und Strafe, anstatt es vor dem 'Cost Cap Adjudication Panel' zum Prozess kommen zu lassen. Warum? "Das Problem ist - die Regeln sind so neu, und so viele Strafen sind verfügbar, es hätte noch drakonischer werden können", erklärt Horner.

Außerdem wäre der Verlierer des Prozesses womöglich vor das FIA-Schiedsgericht gezogen. "Es hätte zwölf Monate dauern können, bis diese Sache erledigt ist", meint Horner. "Mit den Unmengen an Spekulationen, den Kommentaren, den Spitzen im Paddock, da waren wir der Ansicht, dass es in jedermanns Interesse sei, das Kapitel abzuschließen. In unserem Interesse, in dem der FIA, in dem der Formel 1."