Nur 15 Punkte trennen Sergio Perez nach seinem Sieg beim Großen Preis von Monaco in der Formel-1-WM-Tabelle 2022 noch von Spitzenreiter und Teamkollege Max Verstappen. Auf den zweitplatzierten Charles Leclerc fehlen dem Mexikaner sogar gerade einmal sechs WM-Zähler. Einzig Carlos Sainz liegt mit 83 Punkten leicht abgeschlagen hinter dem nun so eng gestaffelten Führungstrio.

Mit Perez auf diesem Niveau könnte Red Bull eine klare Einteilung seiner Fahrer in Nummer eins und Nummer zwei jetzt umso schwieriger rechtfertigten - trotz des engen Kopf-an-Kopf-Rennens mit Ferrari. Oder gerade wegen dieses Duells. Zwei Speerspitzen können sich zwar gegenseitig Punkte rauben, aber sie können genauso auch zwei Chancen bieten.

Jos Verstappen sorgt mit Kritik an Red Bull für Wirbel

Vor allem an Ersteres denkt Jos Verstappen. Nicht umsonst ärgerte sich der Vater Max Verstappens, dass es durch das Ergebnis in Monaco überhaupt dazu kommen konnte. Mit einer offenen Kritik an Red Bull meldete sich Verstappen senior am Montag auf der offiziellen Website der Rennfamilie Verstappen. Der Tenor: Der Niederländer hatte in Monaco ganz klar eine auf den WM-Leader, also Sohn Max, ausgerichtete Strategie erwartet.

"Red Bull erzielte ein gutes Ergebnis, hat aber gleichzeitig wenig unternommen, um Max nach vorne zu verhelfen. [...] Dem Tabellenführenden, Max, wurde [...] mit der gewählten Strategie nicht geholfen. Es wendete sich vollständig zu Checos Gunsten. Das war für mich enttäuschend, und ich hätte mir gewünscht, dass es für den Tabellenführenden anders wäre", schrieb Jos Verstappen. Stattdessen unterstellte der Niederländer indirekt sogar das Gegenteil - eine Bevorteilung Perez'.

Hängt der Hausfrieden bei Red Bull schon schief?

Wenig überraschend gingen diese deftigen Worte Verstappens viral, deutet nun - anscheinend -nur noch mehr auf mögliche interne Querelen zwischen dem Verstappen- und Perez-Lager. Oder zumindest sich anbahnende Querelen. Los ging alles mit einen erbosten Funkspruch des Mexikaners eine Woche zuvor in Barcelona, als Perez Verstappen - auf einer anderen Strategie unterwegs - gleich zwei Mal überholen lassen musste. "Okay, aber das ist sehr unfair", funkte Perez, der selbst noch Siegchancen gewittert hatte.

Weiter ging es im Qualifying in Monaco. Weil Perez auf seinem letzten Run in Portier crashte, musste Verstappen seinen bis dahin besseren zweiten Versuch abbrechen. Ein möglicher zweiter statt vierter Startplatz ging verloren. "Das sollte nicht erlaubt sein", funkte Verstappen im großen Ärger über die rote Flagge. Manch einer verstand das so, als habe Verstappen seinem Teamkollegen Absicht unterstellt. Eine Revanche Perez' für Barcelona, war in manchen Kommentarspalten und in den sozialen Medien zu lesen.

Red Bull betont: Keine Teamorder, keine Nummer eins und zwei

Da half es wenig, dass Motorsportberater Dr. Helmut Marko selbst nach dem Sieg Perez' am Sonntagabend noch einmal darauf zurückkam. "Er war super dieses Wochenende - bis auf die letzte Runde im Qualifying", sagte der Österreicher. Dennoch: Gleichzeitig gab Marko ein klares Statement ab. Eine Nummer eins und eine Nummer zwei gab es in Barcelona nicht, in Monaco auch nicht und soll es vorerst auch nicht geben. "Nein, wir haben nichts unternommen, da etwas zu ändern", betonte Marko bei Motorsport-Magazin.com. "Da ist blöderweise von den Journalisten nicht verstanden worden, was in Barcelona der Fall war. Dass der Max auf einer anderen und viel schnelleren Strategie war."

Genauso müht sich Red Bulls Teamchef Christian Horner, einen möglichen internen Streit im Keim zu ersticken. "Was Barcelona angeht, gibt es absolut kein Problem. Wir haben das direkt nach dem Rennen besprochen und er [Perez] hat klar verstanden, wie das Gesamtbild war", versichert der Brite. Zuvor hatte schon Marko gleich in Spanien betont, ohne eine solche Reaktion sei man auch kein Rennfahrer. Auch Horner hält Perez' Reaktion nur für verständlich. Immerhin sei durch seine 2022 bislang so starken Leistungen der Ehrgeiz geweckt. "Er ist gerade einfach gut drauf, sein Selbstvertrauen ist sehr groß, er fährt sehr gut und ist in diesem Jahr sehr viel näher dran an Max", sagt Horner.

Horner: Uns ist egal, ob Perez oder Verstappen Weltmeister wird

Wie Marko spricht sich der Brite klar gegen eine Ungleichbehandlung Verstappens und Perez' aus. "Er ist genauso in dieser WM wie Max es ist. Der Unterschied zwischen ihnen ist jetzt bei 15 Punkten, das ist nichts", sagt Horner. "Es spielt für uns keine Rolle, wer von ihnen Fahrer-Weltmeister wird. Aber die Konstrukteurswertung ist enorm wichtig. Ob es dann Max oder Checo wird ... sie sind beide Red-Bull-Fahrer und haben beide diese Chance", versichert der Teamchef der Bullen.

Für Perez kommt diese Chance zum ersten Mal überhaupt. "Checo ist in der Form seiner Karriere. Er macht einen großartigen Job - und das hier [der Sieg in Monaco] ist da kein Ausreißer. Schaut euch etwa nur seine Pole in Jeddah an", erinnert Horner. "Und das Zeitdelta zwischen ihm und Max ist dieses Jahr sehr viel kleiner geworden." Im Schnitt 0,070 Sekunden fehlen Perez 2022 im Qualifying bislang auf Verstappen, rechnet man das nasse Qualifying in Imola heraus. Über die gesamte Vorsaison betrug der Rückstand noch fast vier Zehntel.

Horner fordert weiter Teamplay: Verstappen & Perez beschwören Respekt

Für Red Bull sei es fantastisch, nun endlich zwei Fahrer zu haben, die ganz vorne mitmischen könnten, so Horner "Aber es ist auch nötig, dass beide Fahrer weiterhin so zusammenarbeiten", mahnt der Brite. "Ferrari hatte hier das schnellere Auto. Sie sind ein heftiger Gegner. Da müssen wir sicherstellen, als Kollektiv zusammenzuarbeiten, damit wir beide Fahrer vor sie bekommen." Mit gutem Teamplay und ohne Streit - so Horners Message - können sich Perez und Verstappen also zunächst auch selbst helfen, nicht nur dem Team in der Konstrukteurswertung. "Und dann wird es am Ende der Meisterschaft richtig aufregend", ergänzt Horner. Jos Verstappen sieht das anders: "Gerade mit den zwei Ausfällen, die wir hatten, brauchen wir [Max Verstappen] jeden Punkt."

Wie Perez und Verstappen das sehen? Auf Nachfrage zu einem womöglich intern bald hitzigen Duell geben sich beide abweisend. "Ich denke nicht, dass es zu kommen wird, dass sich unser Verhältnis ändern wird", meint Verstappen. "Wir werden noch immer verliebt sein, richtig?", witzelt Perez. Verstappen stimmt zu. "Warum sollte sich das ändern? Wir funktionieren als Team echt gut. Wir versuchen immer, das Auto zu optimieren und für das Team zu arbeiten. Und wir können es auch akzeptieren, wenn jemand einen guten oder besseren Job macht", versichert der Niederländer. "Und ich denke, das ist sehr wichtig, denn so gehst du respektvoll miteinander um."

Der vollen Rückendeckung von ihrem Team können sich seit Dienstag nach Monaco nun auch beide Fahrer gewiss sein. Nachdem Red Bull bereits vor Wochen langfristig mit Max Verstappen verlängert hatte, unterschrieb nun auch Sergio Perez einen neuen Vertrag mit Red Bull Racing bis 2024. Für den Mexikaner bedeutet das allerdings auch: Bei einem Duell mit Verstappen muss er seine vertragliche Zukunft bei Red Bull nun nicht länger im Hinterkopf behalten.