Sensation in Baku! In einem völlig verrückten Aserbaidschan GP hat Lance Stroll die Nerven behalten und ist in seinem erst achten Formel-1-Rennen zum ersten Podest seiner noch jungen F1-Karriere gerast. Viel Glück, Pech und Versagen der Konkurrenz halfen zwar kräftig mit bei der großen Williams-Überraschung an diesem Rennsonntag, doch zeigte der zuletzt so oft und so hart kritisierte Rookie Stroll auch selbst eine tadellose Leistung auf seiner Fahrt zu Platz drei.

Stroll überzeugt von Qualifying bis Ziellinie

Schon im Qualifying bestach der junge Kanadier - erstmals besiegte er Teamkollege Felipe Massa -, schaffte es zum zweiten Mal nach China ins Q3. Am Start verbesserte sich Stroll zwar nicht, hielt sich jedoch sauber aus allem Trouble heraus - und das bis ins Ziel. Der Lohn: P3, jüngster Rookie-Podestbesucher der Formel-1-Geschichte, erster Kanadier auf dem Podest seit Jacques Villeneuve 2001 und jede Menge Lorbeeren von allen Seiten.

"Alle drei Fahrer auf dem Podium sind brillant gefahren, aber ich muss Lance Stroll hervorheben, den kanadischen Youngster, der sich in seinem erst achten Formel-1-Rennen ein Top-3-Finish gesichert hat", lobte selbst Liberty Medias Ross Brawn. Teamkollege Felipe Massa war sowieso völlig verzückt, vergaß fast den eigenen, bitteren Ausfall. "Riesige Glückwünsche an Lance. Ich bin so happy für ihn, dass er sein erstes F1-Podium geholt hat", jubelte Massa.

Doch das dickste Lob holte sich Stroll von Paddy Lowe ab. Schon nach Strolls ersten Punkten beim Heimrennen in Kanada war der Technische Leiter des Williams-Teams im für viele übertriebenen Stroll-Hype versehentlich zum Podium geeilt, diesmal konnte er es zurecht und ohne Unkenrufe nachholen. "Wer hätte dieses Podium heute Morgen erwartet? Es ist ein riesiges Ergebnis für Lance, dass er der jüngste Rookie der Geschichte geworden ist, der ein Podium einfährt", jubelte Lowe. "Er hatte ein brillantes Wochende, ist in jeder Session fehlerfrei geblieben."

Stroll völlig sprachlos

Und Stroll selbst? War völlig baff, fast sprachlos. "Mir fehlen einfach die Worte, ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ich muss erstmal realisieren was passiert ist", sagte Stroll. Durchatmen, Sammeln, Nachdenken. Dann eine ausführlichere Einschätzung noch auf dem Podium: "Es war ein verürcktes, schnelles Rennen, einige Leute haben Crashs gehabt. Ich bin cool geblieben und auch das Team hat mich über den Funk beruhigt. Wir hatten am Ende eine gute Pace und haben uns aus all dem Chaos rausgehalten."

Noch beim Zieleinlauf verlor Stroll P2, gefeiert wurde dennoch, Foto: Sutton
Noch beim Zieleinlauf verlor Stroll P2, gefeiert wurde dennoch, Foto: Sutton

Irrwitzige Bottas-Hatz bis ins Ziel

Beinahe wäre für Stroll sogar noch mehr herausgesprungen, Platz zwei verpasste der Kanadier um die Lächerlichkeit von einer Zehntelsekunde - weil Mercedes-Aufholjäger Valtteri Bottas ihn noch auf dem Zielstrich abgefangen hatte. "Ich habe bis ans Limit gepusht, bin nur noch Qualifying-Runden gefahren", sagte Bottas. Mehr als eine Sekunde knüpfte der Finne dem Kanadier Runde um Runde ab. "Sie haben die Runden runtergezählt, auch die Gap und, dass ich ihn vielleicht genau in der letzten Runde kriegen würde." Was für eine Zitterpartie für den Rookie!

"Am Ende habe ich knapp gegen Valtteri verloren, er kam da die letzten Runden sehr schnell angeflogen. Bestimmt eines der engsten Finishes aller Zeiten wie wir da Seite an Seite über die Ziellinie sind", staunt Stroll. Von Ärger darüber jedoch keine Spur. Zu groß der Jubel über das erste Podium: "Ich bin Dritter geworden ... ich kann es einfach nicht glauben, hier auf dem Podium zu stehen. Das hätte ich nie erwartet. Ich muss mich beim ganzen Team bedanken. Es ist ein großartiges Gefühl, für mich hat sich ein Traum erfüllt."

Etwas weniger begeistert davon zeigte sich Paddy Lowe, machte seinem jungen Fahrer allerdings keinen Vorwurf, sich nicht besser verteidigt zu haben. Ganz im Gegenteil, letztlich habe Stroll keine Chance mehr gehabt: "Am Ende war es ein toller Kampf, es war sehr unglücklich, dass wir den zweiten Platz noch verloren haben. Der kritische Moment war, dass Valtteri in der letzten Runde DRS bekommen hat. Das hat Lance den zweiten Platz gekostet. Aber mit Drei sind wir auch sehr zufrieden", sagte Lowe.

Shoey-Premiere für Lance Stroll, Foto: Sutton
Shoey-Premiere für Lance Stroll, Foto: Sutton

Strolls dreckige Shoey-Entjungferung

Einen kleinen Knacks versetzte der Zufriedenheit lediglich der Rennsieger: Weil Daniel Ricciardo somit ebenfalls auf dem Podium stand, kam Stroll nicht um eine Shoey-Entjungferung herum. "Es ist sein erstes Podium, also verdient er sich sicher einer. Ist er alt genug, um zu trinken?", fragte Ricciardo mit einem schelmischen Grisen. "Dir ist schon klar, dass das die erste Narbe meines Lebens werden wird! Oh, mein Gott. Ich bin dafür zu jung. Da ist bestimmt auch ein bisschen Dreck drin", erwiderte Stroll. Aber egal, runter damit.

Den Kritikern gezeigt? Völlig egal

Keine Befriedigung empfindet Stroll indessen, es seinen Kritikern endlich mal richtig gezeigt zu haben. Ähnlich wie bei Jolyon Palmer bei Renault hatten die Stroll zuletzt wiederholt vorgeworfen, auch er müsse endlich einmal zum Punktekonto seines Teams beitragen. In Baku hat er es nun getan. Durch Platz drei verbesserte sich Stroll in der WM selbst auf Platz zwölf, nur zwei Positionen hinter und drei Punkte hinter Felipe Massa. Noch dazu zog Williams dank Stroll vorbei an Toro Rosso auf P5.

All das interessiert den Kanadier jedoch herzlich wenig. "Ich denke nicht, dass ich etwas bewiesen habe. Ich höre mir dieses Zeug nicht an, das ist nur Lärm, nur Leute, die reden. Ich bin einfach happy für mich, Team, Freunde und Familie. Das ist alles, was zählt", sagt Stroll. "Jetzt muss ich weiter an kleinen Dingen arbeiten. Es ist noch nicht abgeschlossen. Ich kann mich noch sehr viel mehr verbessern. Das braucht nur ein bisschen Zeit."