Lance Stroll war vor der Formel-1-Saison 2017 eines der großen Fragezeichen: Supertalent oder Paydriver? Die ersten fünf Rennen konnten zwar noch keine endgültige Antwort darauf geben, doch es zeichnet sich durchaus eine Tendenz ab: Einige Kritiker werden sich durch die Tatsache bestätigt fühlen, dass der Milliardärs-Sohn immer noch ohne ein zählbares Resultat dasteht, während sein Teamkollege Felipe Massa jedes Wochenende aufs Neue die Williams-'one man show' aufführen darf. In der Konstrukteurswertung kämpft der Traditionsrennstall damit auf verlorenem Posten. Das Team hält weiter seine schützende Hand über Stroll, obwohl er sportlich die trotz Welpenschutz ihn gesetzten Erwartungen bis dato nicht im Ansatz erfüllen konnte.

"Er wird viele Punkte holen müssen", lautete die Zielvorgabe von Teamchefin Claire Williams bei der Bekanntgabe Strolls im Dezember 2016. "Die Konstrukteurs-WM ist wichtig für uns und dafür brauchen wir zwei starke Fahrer in unseren Autos." Die Mission für die Saison 2017 war bei Williams früh klar: Nachdem die Truppe bei den Konstrukteuren im Kampf um Platz vier gegen Force India den Kürzeren gezogen hatte, wollte es sich im Feld wieder als 'best of the rest' hinter den drei Top-Teams etablieren.

Mit dem amtierenden Formel-3-Europameister an der Seite des elfmaligen Grand-Prix-Siegers Massa sah sich Williams für dieses Ziel gut gerüstet. Doch während der Brasilianer bisher 18 WM-Punkte sammeln konnte und in jedem Zeittraining den Einzug ins Q3 schaffte, fiel Stroll in seinen ersten fünf Formel-1-Rennen hauptsächlich durch Fahrfehler auf. Statt seinen Ruf als Nachwuchstalent festigte er bisher eher sein ungewolltes Standing als Paydriver.

Für Lance Stroll verläuft die Debütsaison bisher nicht nach Plan, Foto: Sutton
Für Lance Stroll verläuft die Debütsaison bisher nicht nach Plan, Foto: Sutton

Stroll bisher ohne Pace und ohne Fortschritte

Am Ende des ersten Saisonviertels liegt Williams in der Gesamtwertung mit den von Massa im Alleingang eingefahrenen WM-Punkten nur auf dem sechsten Rang. Selbst Toro Rosso ist in Barcelona mit einer doppelten Punkteankunft an der Truppe aus Grove vorbeigezogen. "Natürlich ist es besser, wenn beide Fahrer des Teams Punkte einfahren. Das ist es, was wir brauchen und was jedes Team braucht", stellte Massa fest.

Strolls bisherigen Leistungen konnten dem Team diese Erfolge bisher nicht bescheren. Sein durchschnittlicher Qualifying-Rückstand auf Massa beträgt 1,018 Sekunden. Lediglich in China schaffte es der 18-Jährige ins letzte Segment des Zeittrainings. Beim letzten Rennen in Barcelona, auf einer Strecke die er bereits von den Testfahrten kannte, war im Zeittraining nicht mehr als die 18. Position drin.

MassaStroll
Top-1030
Punkte180
WM-Pos.917
Schnitt-Startplatz7.214.2
Schnittplatzierung9.613.5
Bester Startplatz610
Bestes Ergebnis611
Ausfälle03
Qualiduell50

Die Statistik am Rennsonntag ist ähnlich durchwachsen. In den ersten drei Grands Prix sah Stroll jeweils nicht die Zielflagge. In Australien gab es laut dem Team einen Defekt an der Bremsanlage, woraufhin er das Auto in ohnehin aussichtsloser Position abstellen musste. In China übersah er in der ersten Runde den angreifenden Sergio Perez und landete im Kiesbett. Lediglich bei seinem Ausfall in Bahrain traf ihn keine Schuld, als er von Carlos Sainz mit einem ungestümen Manöver torpediert wurde. "Bisher war es nur Pech diese Saison", lautete sein Resümee. In Russland sah Stroll als Elfter endlich die Zielflagge - doch auch dort blieb er nicht fehlerfrei.

Zu Beginn des Rennens drehte er sich und reklamierte daraufhin im Funk, von hinten getroffen worden zu sein. Die Fernsehbilder zeigten jedoch deutlich: Der Kanadier wurde nicht von dem hinter ihm fahrenden Nico Hülkenberg angeschoben, sondern sorgte mit seinem Gasfuß selbst für die Pirouette. In Spanien kam er zehn Sekunden hinter seinem Teamkollegen ins Ziel, obwohl dieser nach einer Kollision viel Zeit verloren hatte und obendrein einen extra Boxenstopp einlegen musste. Ob 18-jähriger Rookie oder nicht: Ein ambitioniertes Nachwuchstalent sollte gegen ein altes Eisen wie Massa, das bereits seinen Rücktritt verkündet hatte und in den vergangenen drei Jahren jeweils von seinem damaligen Teamkollege Valtteri Bottas geschlagen wurde, eine bessere Figur abgeben.

Williams rechnete mit Lehrgeld

Bedenklich scheint vor allem, dass Stroll bisher kaum Fortschritte zu machen scheint. Schon bei den Barcelona-Testfahrten konnte er nicht wirklich überzeugen und produzierte viel Schrott. Mehrmals hatte er dabei Unzulänglichkeiten an seinem Dienstfahrzeug als Grund für die Abflüge angegeben, wodurch ihm früh heftige Kritik entgegenwehte. Von Anfang an gab er sich jedoch abgeklärt. "Ich kümmere mich nicht um Kritik. Das ist nicht meine Baustelle", lautete seine klare Ansage nach dem Stolperstart ins Jahr.

Obwohl er mit seinen bisherigen Leistungen mehr oder weniger nahtlos an seine fehlerbehaftete Vorstellung der Wintertestfahrten anknüpfte und es für ihn bisher kaum Lichtblicke gab, zeigte er sich zunächst weiter unbeirrt: "Wenn du mental nicht dazu nicht der Lage bist, Dinge hinter dir zu lassen, bist du im falschen Sport." Kritik aus den eigenen Reihen hatte er in der Tat nie zu befürchten. "Wir dürfen nicht vergessen, dass er noch lernt und gerade erst angefangen hat. Wir müssen ihm ganz einfach die Zeit geben", so der stets verständnisvolle Massa.

Dass sein Arbeitgeber bisher Milde walten ließ, dürfte vor allemdaran liegen, dass Strolls Vater Lawrence hohe Summen in den britischen Traditionsrennstall pumpt, um seinem Sohn die Formel-1-Karriere zu ermöglichen. Williams gab sich bisher zumindest alle Mühe, dem Rookie vor der Presse den Rücken zu stärken. "Für einen 18-Jährigen ist er sehr reif und vernünftig. Er ist sehr gut darin, seine mentale Verfassung selbst zu managen. Er braucht uns nicht zum Händchenhalten", so Chief Technical Officer Paddy Lowe nach dem verpatzten Auftaktwochenende in Melbourne.

Und schon lange vor dem Saisonstart nahm das Team so gut wie möglich den Druck heraus. So prophezeite der damalige Technikdirektor Pat Symonds gleich nach der Vertragsunterzeichnung, dass der Rookie auch mal für Kleinholz sorgen würde. "Natürlich wird er Fehler machen und wir werden seine Autos reparieren", so der Brite. Die Hoffnungen lagen auf Routinier Massa, der als Mentor und Lehrmeister dazu beitragen sollte, dass der Youngster schnell entsprechende Fortschritte zeigt und die dringend benötigten WM-Punkte einfährt.

Massa gibt sich alle Mühe, den Teamkollegen in die Spur zu bringen, Foto: Sutton
Massa gibt sich alle Mühe, den Teamkollegen in die Spur zu bringen, Foto: Sutton

Stroll zeigt langsam Einsicht

Zu Anfang wollte Stroll dieser Konstellation aber keine allzu hohe Wichtigkeit beimessen und gab sich äußerst selbstbewusst: "Mentor ist ein großes Wort. Jeder ist für sich selbst hier. Ich muss meinen Job machen. Es ist nicht mein Job, Felipe zu fragen, sondern mich ins Auto zu setzen und auf die Strecke zu gehen", stellte er klar. Die anhaltenden Misserfolge scheinen mittlerweile aber dafür gesorgte zu haben, dass er seinen Ansatz überdenkt.

"Es hilft, Felipe als Referenz zu nehmen und die Dinge auszuprobieren, die er macht. Seine Daten anzuschauen hilft mir sehr", gab er sich nach dem Rennen in Bahrain deutlich kooperativer. Auch Massa bestätigte, dass mittlerweile mehr Kommunikation zwischen den beiden Teamkollegen stattfindet: "Wenn er in einer Kurve Zeit auf mich verliert, kommt er und fragt. Dann sage ich ihm, was er anders machen sollte. Das ist gar kein Problem."

Die Saison ist noch lang und Stroll hofft, dass ihm die aus der Formel 3 EM bekannten Rennstrecken in Europa mehr Glück bringen werden. Es wäre ihm und dem Team zu wünschen, denn alleine wird Massa gegen die Konkurrenz nicht ankommen. Der Rückstand auf Force India beträgt schon jetzt 35 Punkte und auch Toro Rosso und Renault könnten zur ernsthaften Gefahr werden, wenn Stroll nicht bald zum Stallgefährten aufschließt.