Es ist seit mittlerweile drei Jahren die gleiche Leier in der Formel 1. Die Frage vor einem Qualifying lautet nicht, ob ein Mercedes auf der Pole steht - sondern nur, welcher der beiden Silberpfeile. Auch in Brasilien hat das silberne Qualifying-Monster wieder zugeschlagen und die Konkurrenz völlig deklassiert. Sinnbildlich dafür ein kleiner Spaß zwischen Toto Wolff und Niki Lauda, die vor dem Qualifying auf den Pole-Setter gewettet hatten. "Ich habe gesagt 'Lewis', Toto hat gesagt 'Nico'. Wir haben aber um nichts gewettet", verriet Lauda nach der 13. Mercedes-Startreihe 1 in diesem Jahr.

In Interlagos drückten die Silberpfeile wieder einmal pünktlich zum Qualifying auf den 'Power-Knopf'. Jener Knopf, der ausschließlich im Mercedes-Cockpit verbaut wurde - der Rest der Formel 1 schaut regelmäßig in die Röhre. In Sao Paulo war der Vorsprung eklatant. Kimi Räikkönen hatte als Drittplatzierter und damit erster Mercedes-Verfolger einen Rückstand von 0,668 Sekunden auf Pole-Setter Hamilton. Ein Schlag ins Gesicht für die Konkurrenz.

Siebtgrößter Qualifying-Vorsprung

Es war der siebtgrößte Vorsprung eines Mercedes-Piloten im Qualifying während der laufenden Saison. Das Besondere: Das Autodromo Jose Carlos Pace zählt mit einer Streckenlänge von 4,309 Kilometern zu den kürzesten Kursen im gesamten Rennkalender. "Wir sind das ganze Jahr über das Opfer, nicht nur in Brasilien", sagte Max Verstappen zu Motorsport-Magazin.com. "Aber so ist es halt, das kann man nicht ändern. Wir hätten gern mehr PS, aber so einfach ist das nicht."

Da muss man sich doch fragen: Hat Mercedes sogar noch mehr Power im Köcher? Drehen die Mercedes-Ingenieure im Qualifying beide Autos wirklich zu 100 Prozent auf, oder lassen sie eine Sicherheitslücke - weil die Konkurrenz sowieso nicht mithalten kann. Zumindest ist das Team in der Lage, im Verlauf eines Qualifyings nach oben zu regulieren. So wie im Q3, wo Hamilton im Vergleich zur vorigen Runde eine weitere halbe Sekunde herausquetschen konnte. "Da hat Mercedes erstmals voll aufgedreht und dann sieht man den Unterschied", sagte Red Bulls Helmut Marko.

Größte Mercedes-Vorsprünge in Qualifyings 2016

PositionGrand PrixVorsprungPole-SetterBester Nicht-Mercedes
1.Österreich1,363 SekundenHamiltonHülkenberg
2.Großbritannien1,026 SekundenHamiltonVerstappen
3.Australien0,838 SekundenHamiltonVettel
4.Italien0,837 SekundenHamiltonVettel
5.Europa/Baku0,757 SekundenRosbergPerez
6.Russland0,706 SekundenRosbergVettel
7.Brasilien0,668 SekundenHamiltonRäikkönen

Im Mittelsektor abgehängt

Andeutungen hatte Mercedes bereits im 2. Training gemacht, als der Vorsprung auf die Konkurrenz 0,490 Sekunden betrug. Im Qualifying-Trim konnte dann niemand mehr auch nur ansatzweise mithalten. "Der Gap ist etwas größer als wir dachten", räumte Mercedes-Teamchef Wolff ein. "Auf einer Runde mangelt es den anderen ein bisschen an Speed."

Mercedes war den Gegnern in Interlagos in jedem Bereich der Strecke überlegen, besonders aber im zweiten Sektor. In diesem sehr kurvigen Abschnitt konnte der Silberpfeil all seine Stärken ausspielen. Hamilton (36.360) war bei seinem erfolgreichsten Versuch fast drei Zehntelsekunden schneller als der Nächstbeste Max Verstappen (36.637). Mit 3 km/h mehr im Vergleich zum Rest konnte er Sektor zwei durchfahren. In den anderen beiden Sektoren waren die Mercedes-Piloten durchschnittlich immer noch 1,5 Zehntel schneller als die Konkurrenz.

Top-10 Bestzeiten im Mittelsektor

PositionFahrerTeamSektor-Zeit
1.HamiltonMercedes36.360
2.RosbergMercedes36.408
3.VerstappenRed Bull36.637
4.RicciardoRed Bull36.774
5.VettelFerrari36.919
6.RäikkönenFerrari36.973
7.GrosjeanHaas37.257
8.AlonsoMcLaren37.278
9.HülkenbergForce India37.283
10.PerezForce India37.297

Es geht sogar noch schneller

Mit einer überragenden Rundenzeit von 1:10.736 Minuten sicherte sich Hamilton die Pole vor Rosberg. Dass es noch schneller geht, zeigte der aktuelle WM-Spitzenreiter. Rosbergs Pole-Zeit im Jahr 2014 betrug bei perfekten Bedingungen 1:10.023 Minuten. Im Jahr darauf benötigte er 1:11.282 Minuten für seinen besten Run. In jedem der letzten drei Jahre war die erste Startreihe komplett für Mercedes reserviert - es ist eine der großen Paradestrecken, auch, wenn Hamilton noch auf seinen ersten Interlagos-Sieg warten muss.

Mercedes fährt in Brasilien seit Jahren außer Konkurrenz. Das sollte doch eigentlich Zuversicht geben im packenden WM-Kampf, oder, Nico Rosberg? "Nein, das ist nicht beruhigend", sagte er zu Motorsport-Magazin.com. "Aber ich habe sowieso immer ein gutes Gefühl bei der Sache mit unserem Mega-Auto - egal, ob der Abstand größer oder ein bisschen kleiner ist." In Brasilien gilt wie auf kaum einer anderen Strecke: Außer Regen kann der Konkurrenz nichts helfen.