Zum ersten Mal in dieser Saison durfte Nico Rosberg bei der obligatorischen Mercedes Medienrunde am Samstagnachmittag als erster Pilot sprechen. Dieses Recht wird jeweils demjenigen zuteil, der sich besser qualifiziert hat. Lewis Hamilton musste auf seinen Einsatz rund zehn Minuten warten.

Rosberg hätte sich aber kaum einen ungünstigeren Ort aussuchen können, seine Qualifying-Schwäche zu beenden. Auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya ist der Weg bis zur ersten Kurve so weit wie kaum wo anders. 730 Meter legt der Pole-Setter bis zum Scheitelpunkt der ersten Kurve zurück.

Eine gute Gelegenheit für Lewis Hamilton also, den Spies recht früh im Rennen wieder umzudrehen - zumal Rosbergs Starts in letzter Zeit nicht unbedingt gut waren. "Wir haben hier aber eine neue Kupplung, mit der haben sich alle Starts konstant und gut angefühlt", übt sich Rosberg optimistisch.

Auch Lewis Hamilton will den langen Weg Richtung Kurve eins nicht überbewerten. "Wir haben beide die gleiche Kupplung, da sollte es normalerweise keine Probleme geben. Hier kommt es vor allem darauf an, dass man auf der Innenseite in die erste Kurve fährt, außen kommt man nicht vorbei."

Rosberg: Überholen unmöglich - oder doch nicht?

Trotzdem bleibt der Start die größte Chance für Hamilton. Überholen in Barcelona zählt nicht gerade zu den leichtesten Aufgaben. Aufgrund der vielen schnellen Kurven ist es schwierig, dem Vordermann dicht zu folgen und sich entsprechend für ein Überholmanöver zu platzieren. "Es ist hier fast unmöglich, zu überholen", meint auch Rosberg, korrigiert sich dann aber selbst: "Unmöglich nicht, aber es ist sehr schwer."

Mit Überholen in Barcelona kennt sich Rosberg aus - allerdings von der anderen Seite. Beim Spanien GP 2013 erlebte der WM-Zweite ein Debakel. Von der Pole Position aus ins Rennen gegangen, führte er bis Runde zehn. Nach den Boxenstopps kam die Schwäche des Mercedes zu tragen: Der F1 W04 behandelte die Reifen nicht gerade pfleglich. In nur einer Runde wurde Rosberg von Platz eins auf Rang fünf durchgereicht.

Mercedes will sich nich zu sicher fühlen, Foto: Sutton
Mercedes will sich nich zu sicher fühlen, Foto: Sutton

"Mir sitzt das Trauma von Barcelona 2013 noch immer im Nacken", gibt Toto Wolff zu. Deshalb will der Mercedes Motorsportchef die Konkurrenz noch nicht gänzlich abschreiben. Eine ähnliche Situation hätte es schließlich auch in Malaysia gegeben.

Wolff fürchtet auch die inkonstanten und eigenartigen Bedingungen. "Die Strecke hat sich binnen Minuten stark verändert und wir wissen nicht genau warum", so Wolff. Der Wind war ein Thema, die Temperaturen ebenfalls. Trotzdem erklären diese beiden Faktoren die starken Veränderungen nicht ganz. Gegen Ende von Q3 wurde die Strecke sogar plötzlich langsamer. Kein Pilot konnte sich beim zweiten Versuch verbessern. "Ich war ein bisschen enttäuscht, denn ich wollte mich nochmals verbessern", gestand Rosberg. "Aber die Zeit war gleich."

Knackpunkt Setup: Zwei Wege, ein Ziel

Deshalb will Wolff in das Ergebnis auch nicht zu viel hineininterpretieren. Ferrari kam mit dem größten Upgrade-Paket nach Spanien, Mercedes hingegen setzt weiter auf die Philosophie, neue Teile peu a peu zu bringen. Die Korrelation zwischen Windkanal, CFD-Simulationen und Strecke funktioniert, das ist das Entscheidende für Mercedes. "Die Reifen zu verstehen und das Setup entsprechend hinzubekommen, sind hier vielleicht wichtiger als die Upgrades", so Wolff.

Das Setup war auch der Knackpunkt für Lewis Hamilton. Der Weltmeister hat es an diesem Wochenende noch nicht einhundertprozentig zusammenbekommen. "Es ist ein schmaler Grat", so der Weltmeister, der vom subjektiven Gefühl her mehr mit Übersteuern zu kämpfen hatte. "Wenn ich mir mit den Ingenieuren aber die Daten angesehen habe, konnten wir Über- und Untersteuern sehen." Hamiltons Problem: Änderungen am Setup wirken sich dann sehr schnell in das extreme Gegenteil aus. "Normalerweise verschiebst du in diesem Moment die mechanische Balance nach vorne. Aber dann bekommst du Untersteuern."

Rosbergs Setup unterscheidet sich allerdings nicht extrem von dem seines Teamkollegen. "Sie sind ziemlich ähnlich, nur der Weg, mit dem wir zu dem gekommen sind, war unterschiedlich", erklärt Rosberg. Hamilton präzisiert: "Bei Nico war es von Anfang an ganz gut, er musste nicht viel ändern, ich schon." Hamilton hat noch eine weitere Begründung, warum er an diesem Wochenende ein bisschen hinterherhink. "Wir haben unterschiedliche Fahrstile, die Bedingungen kommen Nico ein bisschen entgegen."

Nico Rosberg wählte einen Setup-Kompromiss, Foto: Sutton
Nico Rosberg wählte einen Setup-Kompromiss, Foto: Sutton

Aber auch für Rosberg waren die eigenartigen Bedingungen kein Kinderspiel: "Das gleiche Auto fühlt sich von einer Kurve auf die andere komplett anders an - obwohl die Kurven ähnlich sind." Rosbergs Erfolgsgeheimnis auf dem Weg zu seiner 16. Karriere-Pole: "Das richtige Setup ist ein Kompromiss."

Hamilton will Rosberg-Strategie nachmachen

Kompromisse wird Rosberg im Rennen wohl nicht eingehen - zumindest nicht, wenn es zum direkten Kampf mit Hamilton kommt. Beide dürfen noch immer gegeneinander racen. Findet Hamilton weder am Start, noch auf der Strecke einen weg an Rosberg vorbei, bleibt ihm noch die Strategie. "Der Führende bekommt zwar immer die eigentlich beste Strategie, aber es ist eine Möglichkeit", glaubt Hamilton.

Der Brite erklärt: "Man kann unterschiedliche Reifenmischungen fahren: Option - Option - Prime, Option - Prime - Prime oder Option - Prime - Option." Im vergangenen Jahr versuchte Rosberg auf diese Weise an Hamilton vorbeizugehen. Während Hamilton im letzten Stint auf den härteren Reifen fahren musste, konnte Rosberg am Rennende mit den Medium-Reifen Druck ausüben. Die Ziellinie überquerte Hamilton wenige Zehntelsekunden vor Rosberg.