Honda kommt im zweiten Jahr des neuen Reglements zurück in die Formel 1. Warum eigentlich nicht schon im ersten? Das hätte doch einiges erleichtert...
Yasuhisa Arai: Wegen einer späten Entscheidung von Honda. Jeder hat eine hohe Erwartung. Wir haben uns technisch noch nicht so früh vorbereitet, deswegen steigen wir erst im zweiten Jahr ein.

Warum kam die Entscheidung erst so spät? Die Regeln sind doch schon länger klar.
Yasuhisa Arai: Für viele bei Honda - mich und einige junge Leute inklusive - waren die Regeln schon früher interessant. Aber vom Konzern kam das Okay erst später.

Es wird ständig über eine Abkehr vom aktuellen Reglement diskutiert. Hat Honda Angst davor, die Power Unit nur für eine kurze Zeit entwickelt zu haben?
Yasuhisa Arai: Ich denke, dass das neue Reglement ein gutes Zeichen für die Zukunft ist. Nicht nur für die Formel 1, sondern auch im Allgemeinen für die Automobilindustrie, weil die Technologie sehr, sehr umweltfreundlich ist. Ich denke nicht, dass wir zum alten Reglement zurückkehren werden. Auch wenn die finanziellen Rahmen nicht so gut sind, versuchen wir neue Technologien zu entwickeln - das ist Hondas Philosophie.

Ob die Power Unit tatsächlich so aussehen wird, ist fraglich, Foto: Honda
Ob die Power Unit tatsächlich so aussehen wird, ist fraglich, Foto: Honda

Aber die kleinen Teams klagen über Kosten, sie wollen zurück zu billigeren Lösungen.
Yasuhisa Arai: Ich kenne die genaue finanzielle Situation der kleinen Teams nicht. Ich weiß, dass die Kosten der Power Units für die kleinen Teams sehr wichtig sind. Honda hat immer viel dafür getan, die Kosten der Motoren zu reduzieren. Deswegen ist es eine gute Nachricht, dass die Anzahl der Power Units im nächsten Jahr von fünf auf vier reduziert wird. Aber die Motorenhersteller führen darüber sehr intensive Diskussionen, wie wir die Kosten senken können. Das ist ein großes Problem der heutigen Formel 1.

Würde Honda in der Formel 1 bleiben, wenn sich die Regeln wieder ändern würden?
Yasuhisa Arai: Das ist eine schwierige Frage. Aber ich glaube nicht, dass die Regeln wieder rückgängig gemacht werden.

Sagen wir es andersherum: Wäre Honda ohne das neue Reglement zurückgekehrt?
Yasuhisa Arai: Das neue Reglement ist sehr einladend für Honda gewesen... Aber wenn das neue Reglement auch sehr umweltfreundlich wäre, dann glaube ich, dass wir in der Formel 1 bleiben würden.

Was hat Honda in diesem Jahr von der Konkurrenz lernen können? Sie werden das ja sehr genau verfolgt haben.
Yasuhisa Arai: Wir haben von außen nur sehr wenige Informationen sammeln können und konnten auch nur die Fernsehbilder auswerten. Aber meiner Meinung nach sind alle Hersteller stark, aber besonders Mercedes. Ihr Power-Unit-Package ist sehr ausgeklügelt. Ob Power Unit selbst, Nebenaggregate, Aerodynamik oder Chassis - bei ihnen ist alles sehr gut. Sie haben sehr viel Zeit und sehr viel Vorbereitung gehabt, da ist schon eine große Lücke zu den anderen Teams.

Welche Informationen haben Sie von McLaren bekommen?
Yasuhisa Arai: Wir haben kaum konkrete Daten von McLaren bekommen, weil sie einen Vertrag mit Mercedes haben. Quasi ein Gentlemen-Agreement. Wir haben keine Informationen bekommen und haben auch nicht danach gefragt.

Honda ist den anderen Teams ein Jahr hinterher, Foto: Sutton
Honda ist den anderen Teams ein Jahr hinterher, Foto: Sutton

Ist es ein Vor- oder ein Nachteil im zweiten Jahr einer neuen Ära einzusteigen?
Yasuhisa Arai: Es ist beides. Ein Vorteil ist, dass man sich ganz auf den Aufbau unserer Einrichtungen konzentrieren kann. Man verbringt viel Zeit an Motorprüfständen oder mit Elektronik-Simulationen. Aber wir haben keine Daten von der Strecke - das ist natürlich ein Nachteil. Wir haben kein Fahrer-Feedback. Es ist sehr schwer zu verstehen, was auf der Strecke passiert. Das ist ein Nachteil.

Die Homologationsvorschriften sind eigentlich klar. Sie sind von Jahr zu Jahr geregelt. Bedeutet das für Honda, dass Sie im nächsten Jahr nicht so viel ändern dürfen wie Mercedes, Renault und Ferrari nach ihrer ersten Saison?
Yasuhisa Arai: Honda muss 2016 genauso viel vom Motor einfrieren, wie die andern. Das Token-System ist exakt gleich und auch der Zeitplan. Wir dürfen nicht die 32 Tokens nehmen wie die Hersteller in diesem Jahr, sondern nur 28.

Ist das kein Nachteil? Da muss der erste Schuss gleich sitzen...
Yasuhisa Arai: Das ist ein großer Nachteil. Aber die anderen Hersteller sagen, dass wir ja die komplette Power Unit für 2015 neu machen dürfen und dadurch einen Vorteil haben. Das glaube ich nicht. Da gab es große Diskussionen.

Glauben Sie, Mercedes schon in Ihrem ersten Jahr angreifen zu können?
Yasuhisa Arai: Klar ist das Ziel Mercedes. Unsere Situation ist genau wie bei anderen Teams, auch Renault und Ferrari visieren Mercedes an. Also haben wir genau das gleiche Ziel wie die anderen Teams. Klar ist es ein Wunsch sie anzugreifen, aber niemand weiß was nächstes Jahr in Melbourne passiert.

Es gibt immer Gerüchte darüber, dass Honda dem eigenen Zeitplan hinterherhinkt. Nachdem, was Sie in Abu Dhabi gesehen haben: Glauben Sie, dass sie im Zeitplan sind?
Yasuhisa Arai: Wir sind im Entwicklungsplan. Wir haben keine Probleme. Wir haben dieses Jahr in Jerez gesehen, dass die Teams viele Probleme hatten, deswegen sind wir von Anfang an davon ausgegangen, dass es auch bei uns nicht fehlerfrei laufen wird. Trotzdem ist es besser, diese Probleme hier zu haben, als nächstes Jahr in Jerez. Wir sind froh, dass wir die Defekte hier aufgedeckt haben.

Die McLaren-Mechaniker warteten, doch der Bolide kam nicht, Foto: Sutton
Die McLaren-Mechaniker warteten, doch der Bolide kam nicht, Foto: Sutton

Sie haben also schon Probleme zu Beginn erwartet?
Yasuhisa Arai: Ja, das haben wir erwartet.

Können Sie erklären, wo die Probleme in Abu Dhabi genau lagen?
Yasuhisa Arai: Das erste Problem liegt einfach an den sehr komplexen Systemen und der hohen Anzahl an Steuergeräten. Die Arbeit zwischen den Geräten war noch nicht optimal. Es geht darum, das ganze so effizient wie möglich zu machen. Dazu müssen die Steuergeräte untereinander kommunizieren und das hat noch nicht so ganz funktioniert. Außerdem waren einige Daten nicht ganz richtig.

Ein Sensorproblem?Yasuhisa Arai: Ja, ein Sensor war etwas zu kurz, aber das war nur ein kleines Problem. Aber auch in der Datenkommunikation haben wir Probleme. Aber wir haben die Probleme erkannt und werden sie beheben.

Wer macht eigentlich die Steuergeräte? McLaren oder Honda?
Yasuhisa Arai: Die Steuergeräte machen wir, also Honda.

Mercedes hat eine besondere Lösung beim Turbolader und Kompressor gefunden. Sie sind voneinander getrennt angebracht. Werden wir so etwas auch bei Honda sehen?
Yasuhisa Arai: Das ist top secret. Aber unser nächstes Package ist für Honda und McLaren sehr gut. Alles wird wegen der Aerodynamik sehr eng ausfallen. Gleichzeitig wird es gute Power liefern. Ich glaube, es wird ein sehr konkurrenzfähiges Package.

Das Traum-Duo McLaren-Honda spulte in Abu Dhabi kaum Runden ab, Foto: Sutton
Das Traum-Duo McLaren-Honda spulte in Abu Dhabi kaum Runden ab, Foto: Sutton

Bei den Tests in Abu Dhabi haben wir den McLaren noch mit zusätzlichen Kühlauslässen gesehen. Benötigt die Honda PU noch mehr Kühlung als jene von Mercedes?
Yasuhisa Arai: Die Power Unit von Abu Dhabi war nur eine Experimental-Power-Unit, nicht die richtige. Deshalb haben wir aus Sicherheitsgründen ein zusätzliches Kühlsystem eingebaut - es ist nur zur Sicherheit.

Honda beliefert im Moment nur McLaren. Wie steht es mit Plänen für andere Teams?
Yasuhisa Arai: Die anderen Teams kennen unsere eigentliche Performance nicht. Bislang hat uns noch kein anderes Team gefragt. Aber wir haben natürlich den Plan für 2016. Abu Dhabi war noch keine wirkliche Werbung, das wird dann vielleicht Jerez. Sonst müssen wir mit einer großen Flagge rumlaufen auf der steht: "Bitte kommt zu uns." [lacht]

Wäre dann McLaren noch immer das Werksteam?
Yasuhisa Arai: Unser Konzept ist, dass McLaren das Werksteam ist. Und ich glaube, es ist der beste Partner.

Ist es kein Nachteil, nur von einem Team Daten zu bekommen? Mercedes hat zum Beispiel acht Autos, die Daten sammeln.
Yasuhisa Arai: Es gibt Leute, die das sagen. Aber es ist einfacher, sich zu fokussieren. Wenn man zwei, drei oder vier Teams hat, hat man so viele Daten, dass es sehr schwierig ist, das Wesentliche herauszufiltern. Und McLaren ist das beste Team, deshalb glaube ich nicht, dass es ein Nachteil ist. Ich glaube, es ist ein großer Vorteil, mit McLaren zu arbeiten.