Es war der Aufschrei vor wenigen Wochen: Die Reifenwahl für Brasilien ist gefährlich! Das sagte Felipe Massa zur Entscheidung von Pirelli, in Interlagos mit der Medium- und der harten Mischung anzureisen. Seine Befürchtung: Durch die beinahe komplette Neuasphaltierung des Autodromo Jose Carlos Pace seien diese Reifenmischungen viel zu konservativ und bei möglicherweise kühlen und abtrocknenden Streckenbedingungen schlicht zu hart und damit gefährlich. Schließlich entschied Pirelli sich um und brachte die weiche und die Medium-Mischung nach Interlagos mit - nicht ohne mehrfach zu betonen, dass Massas Aussagen auf die Entscheidung keinen Einfluss hatten.

Nun allerdings der kleine Schock: Die Rillen im neuen Asphalt scheinen aggressiver als zuvor vermutet und speziell die weichen Reifen gingen in den ersten beiden Trainings sofort in die Knie. Schuld waren Streckentemperaturen von bis zu 58 Grad Celsius, die sich auf dem neuen Streckenbelag doppelt auswirkten. Dieser wurde noch heißer und sorgte für starke Blasenbildung. "Die Blasen treten während der Fahrt über den gesamten Kurs auf und beginnen dann wieder auseinander zu fallen. Das ist sehr, sehr extrem", erklärte Nico Rosberg.

Die Reifen wurden am Freitag in Brasilien auf die Probe gestellt, Foto: Sutton
Die Reifen wurden am Freitag in Brasilien auf die Probe gestellt, Foto: Sutton

Fragezeichen für den Rest des Wochenendes

Der neue Asphalt des Kurses ist nun bis zu 50 Prozent glatter als in den Vorjahren. Zudem trat - wie zu erwarten bei frisch geteerten Strecken - speziell im ersten Training noch viel Öl aus. Die Konsequenz: vor allem am Vormittag verzeichneten die Teams starkes Graining. Als die Temperaturen am Nachmittag nochmals um ca. 18 Grad anstiegen und somit eine Asphalt-Temperatur von rund 58 Grad Celsius erreicht war, wurde es für die weichen Reifen mehr als knifflig. "Wir sahen beginnende Blasenbildung an den Vorderreifen", erklärte Pirelli-Motorsport-Chef Paul Hembery. "Niemand sah voraus, dass wir heute hier so hohe Temperaturen haben würden. Daher gibt es wohl für den Rest des Wochenendes noch einige Fragezeichen."

Speziell zwischen dem ersten und dem zweiten Freien Training bemerkten die Fahrer eine enorme Verbesserung der Streckenbedingungen. "Die Verhältnisse veränderten sich zwischen den beiden Session sehr stark, was es schwierig machte, das Beste aus den Reifen herauszuholen", erklärte Toro-Rosso-Pilot Daniil Kvyat. Mit diesen Problemen kämpfte auch Nico Hülkenberg. "Wir hatten sogar Streckentemperaturen rund um 58 Grad Celsius. Das machte es speziell am Nachmittag zur Herausforderung, beide Reifenmischungen in den Griff zu bekommen", schilderte der Force-India-Pilot. Da es über das Wochenende aber wieder kühler werden könnte, warnte der Deutsche vor voreiligen Schlüssen.

Diese Schlüsse hat Rob Smedley bereits gezogen. Für den Williams-Performancechef ist klar: Bei derartigen Temperaturen ist Reifenabbau nicht zu verhindern - vor allem auf den weichen Pneus. Die Piloten, die am besten mit der weicheren Mischung zurechtkamen, fuhren seiner Meinung nach die kürzesten Runs. "Jeder, der vier oder fünf Runden fuhr, so wie es unsere Autos taten, hatte Graining hinten und Blasenbildung vorne", so Smedley. Für den Briten eine ganz normale Erscheinung bei derartig hohen Temperaturen und somit nicht besorgniserregend - zumal es nur den Freitag betraf. "Die Strecke kann sich über den Rest des Wochenendes so dramatisch ändern."

Lewis Hamilton war zufrieden, Foto: Sutton
Lewis Hamilton war zufrieden, Foto: Sutton

Ein bisschen Graining - nichts Bedeutendes

Bei aller Hitze, Graining, Blasenbildung und Problemen gab es auch lobende Worte. Felipe Massa hatte zwar Schwierigkeiten, die Balance seines Autos auf den Longruns richtig einzuschätzen, freute sich aber über die deutlich verbesserten Gripverhältnisse im Vergleich zur Vergangenheit. Diese Meinung teilte auch Williams-Teamkollege Valtteri Bottas, der nichts von der Schwarzmalerei seiner Konkurrenten wissen wollte. "Die Strecke fühlte sich durch die neue Oberfläche recht anders an. Es scheint, als hätten wir anständigen Grip und die Strecke würde schnell sauber werden", schilderte er. "Es gab ein bisschen Graining an den Option-Reifen, aber nichts Bedeutendes." Er stellte sogar eine ganz andere These auf: Durch die glattere Oberfläche schienen die Reifen sogar länger als im Vorjahres zu halten.

Einen Vergleich zu 2013 wollte sich WM-Leader Lewis Hamilton allerdings nicht erlauben. Schließlich präsentierte sich Interlagos im Vorjahr von seiner regnerischen Seite. Erst im Rennen selbst wurden Trockenreifen benützt. Die ersten Eindrücke der beiden Mischungen und des neuen Asphalts ließen für den Briten aber keine Klagen aufkommen. "Die Strecke fühlte sich gut an. Sie ist schön glatt und die Haftung ist ebenfalls gut", lobte Hamilton. Damit ging er konform mit seinem Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der den Organisatoren für die neu asphaltierte Strecke sogar ein Kompliment aussprach. "Wir haben gutes Feedback dazu erhalten."