Die neuen Formel-1-Autos sind breiter - aber gleich so breit? Am frühen Donnerstagmorgen drehten acht merkwürdig aussehende Fahrzeuge ihre ersten Runden auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya. Silber waren sie, aber bei weitem keine Silberpfeile. Stattdessen acht Tanklaster, randvoll gefüllt mit zehntausenden Litern Wasser. Klare Sache, die Trucks bereiteten das Feld für den geplanten Regenreifen-Test zum abschließenden Tag der ersten Testfahrten in Spanien.

Sprinkleranlagen gibt es nicht in Barcelona - und sowieso auf kaum Rennstrecken weltweit. Als Alternative diente die mobile Bewässerungseinheit. Doch während die Trucks fuhren, parkten zahlreiche F1-Autos nur in der Garage. Mercedes stellte den Fahrbetrieb morgens wegen Elektronikproblemen ein, Williams konnte nach Lance Strolls Crash-Orgie am Vortag gar nicht erst starten. Und Toro Rosso zog einen kompletten Motorenwechsel am neuen Auto vor.

Regenreifen werden noch mal überarbeitet

Dabei wäre der Regenreifen-Test durchaus wichtig gewesen, schließlich hat Pirelli sowohl Regenreifen als auch Intermediates nicht nur breiter, sondern auch vollkommen neu konzipiert. In der Saison 2016 stand der Reifenhersteller mit seinen Produkten massiv in der Kritik, weil die Fahrer die Regenreifen nicht ans Laufen bekamen, sie zu wenig Wasser verdrängten und dabei auch noch überhitzten.

Im Zuge der kompletten Neuentwicklung nahmen die Regenreifen also einen wichtigen Part ein. Nach dem Test am Donnerstag war schnell klar: Am Ziel angelangt ist Pirelli noch nicht. Schon jetzt kündigten die Italiener an, dass die Regenreifen und vermutlich auch die Intermediates noch einmal überarbeitet werden. Noch immer ist es ein Problem, die Reifen ans Arbeiten zu bekommen. Noch mehr, weil sie hinten auch noch 20 Zentimeter in die Breite wachsen und höheren Belastungen ausgesetzt sind.

Fazit der ersten F1-Testwoche in Barcelona (05:24 Min.)

Neue Reifen ab April?

Die Mischungen beider Reifen werden also noch einmal überarbeitet. Bis zum China Grand Prix im April könnten sie fertig sein und einem Test unterzogen werden, kündigte Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery an. Zum realen Einsatz könnten sie später in dieser Saison kommen. "Wir wussten, dass noch Arbeit auf uns wartet", sagte Hembery. "Wir hatten schon damit angefangen. Aber jetzt ist klar, dass wir noch dran arbeiten müssen, die Regenreifen zum Laufen zu bekommen."

Selbst die Intermediates werden generalüberholt. "Eigentlich hieß es, dass wir die nicht anrühren sollen, weil letztes Jahr alle glücklich damit waren", sagte Hembery. "Die müssen wir jetzt wohl auch verändern, damit es passt."

Endstand des vierten Testtages
Pos.FahrerTeamZeitRundenReifen
1.Kimi RäikkönenFerrari1:20.87293Soft
2.Max VerstappenRed Bull1:21.76985Soft
3.Jolyon PalmerRenault1:21.77839Soft
4.Romain GrosjeanHaas1:22.309118Supersoft
5.Antonio GiovinazziSauber1:22.40184Ultrasoft
6.Sergio PerezForce India1:22.53482Supersoft
7.Stoffel VandoorneMcLaren1:22.57667Ultrasoft
8.Valtteri BottasMercedes1:23.44368Soft
9.Nico HülkenbergRenault1:24.97451Soft
10.Daniil KvyatToro Rosso-1Regen

Schutz für Pirelli

Hätte Pirelli das nicht im Vorfeld wissen können, fragten sich einige Beobachter. Antwort: kaum. Pirelli konnte die breiten Regenreifen nur einmal zusammen mit Ferrari testen, und diese Session wurde nach einem Unfall von Sebastian Vettel auch noch frühzeitig abgebrochen. Zudem kam ein umgebauter Ferrari von 2015 zum Einsatz, der den aktuellen Downforce-Kräften weit unterlegen war.

Da die neuen breiten Reifen von Pirelli bislang insgesamt gut bei den Fahrern ankommen, schlugen die meisten nach dem Regentest versöhnliche Töne an. "Für sie ist es hart, denn wir hatten mit diesen Reifen nicht viele Tests", sagte Kimi Räikkönen. "Und es ist ein bisschen knifflig, Reifen zu machen, wenn man nicht die Möglichkeit hatte, sie zu testen. Wir sollten Geduld haben und sehen, was passiert, wenn wir sie wirklich einsetzen müssen." Pirelli-Mann Hembery bestätigte: "Man kann nur was machen, wenn man mit wirklichen Autos auf der Strecke fährt. Was ein Problem hätte sein können, hat sich heute bestätigt."

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Neue Regel verschärft Situation

Ein Regenreifen, der schnell ins richtige Arbeitsfenster findet, ist gerade im Jahr 2017 immens wichtig. Eine neue Regel besagt, dass von nun an bei Regenrennen stehend gestartet wird, wenn die ersten Runden hinter dem Safety Car absolviert werden mussten. "Wir wollen den Fahrern Reifen geben, die dann direkt funktionieren", kündigte Pirelli-Rennmanager Mario Isola an. "Wir arbeiten dran, Mischungen zu entwickeln, die schneller ans Arbeiten kommen als es jetzt der Fall ist."

Der künstliche Regentest am Donnerstag war gut gemeint, in seiner Ausführung aber ausbaufähig. Tatsächlich herrschten nasse Bedingungen nur für kurze Zeit, dann begann der Asphalt zu trocknen. Ein Nachwässern während der Mittagspause half nur bedingt. Nachmittags hatten die Teams schon wieder die gewohnten Slick-Mischungen aufgezogen und ihre üblichen Programme fortgesetzt.

Nur kurz war die Strecke in Barcelona wirklich nass, Foto: Sutton
Nur kurz war die Strecke in Barcelona wirklich nass, Foto: Sutton

Nicht der beste Test

"Ich bin jeweils einmal auf den Regenreifen und einmal auf den Intermediates rausgefahren", sagte Nico Hülkenberg. "Einfach, um zu sehen, wie es läuft und um eine Grundidee zu bekommen. Es war zwar feucht und nass auf der Strecke, aber das stehende Wasser hat gefehlt. Und da, wo es eigentlich liegen sollte, auf der Rennlinie nämlich, hat es gefehlt. Daher war es nicht der beste Regentest. Wir haben nicht viel gelernt."

Hinzu kam, dass die äußeren Bedingungen alles andere als optimal waren. Kühle Temperaturen wie zu diesem Zeitpunkt in Barcelona sollten im weiteren Verlauf eher selten auftreten. "Heute Morgen hatten wir weniger als 10 Grad", sagte Isola. "Normalerweise sind es bei Regenrennen 12 bis 15 Grad. Bei kühlen Bedingungen können wir uns verbessern und an einer Mischung arbeiten, die auch bei solchen Temperaturen schneller ans Arbeiten kommt."

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Kritik am Intermediate

Romain Grosjean war mit der Performance der neuen Regenreifen zufrieden, sie seien ein definitiver Fortschritt im Vergleich zum Vorjahr. Der Haas-Pilot spulte am Donnerstag die meisten Runden aller Fahrer ab und dürfte nach über 100 Umrundungen einen guten Eindruck erhalten haben. Nur das Verhalten der Intermediates störte Grosjean: "Die Leistung war da, aber sie sollten etwas länger halten. Sie fielen nach einer Runde auseinander."

Ebenfalls eine Folge der kühlen Temperaturen und künstlich verwässerten Bedingungen, vermutete Pirelli. Hembery ließ anklingen, dass unterschiedliche Regenreifen eine Lösung für das Wetter-Problem darstellen könnten. Eine Regenmischung für kalte Verhältnisse sowie eine für wärmere? Hembery: "Du willst vermutlich Reifen für zwei Bedingungen haben: Einmal für wärmere und einmal welche für Rennen wie in Silverstone oder Spa, wo es viel kühler ist."

Ungeliebtes Fragezeichen

Bis es soweit ist, muss sich Pirelli mit einem weiteren Problem beschäftigen: Aquaplaning, eine Gefahr für jeden Autofahrer. 2016 gab es hier starke Probleme, etwa bei Grosjeans Abflug in Brasilien auf dem Weg in die Startaufstellung. Doch auch hier brachte der Barcelona-Test nicht die erhofften Ergebnisse. "Wir konnten in Bezug auf Aquaplaning und dergleichen nicht intensiv testen", räumte Hülkenberg ein.

Denn tatsächlich blieb das Wasser nicht auf der Strecke stehen, sondern verteilte sich quer über den Asphalt. "Egal, wie viel Wasser wir noch drauf gekippt hätten", räumte Isola ein. "Es gab einfach keine Bäche, deshalb war es schwierig." In den ersten Rennen des neuen Jahres sollte es trocken bleiben. Zeit für Pirelli, die Regenreifen anhand der gesammelten Daten weiterzuentwickeln. Doch was passiert, wenn der Regen irgendwann kommt? Ein Fragezeichen, auf das die Formel 1 nur zu gern verzichtet hätte.