Die Formel-1-Saison 1976 begann mindestens so spektakulär, wie sie endete. Weil Emerson Fittipaldi sich kurzfristig dazu entschloss, in das Team seines Bruders zu wechseln, musste McLaren binnen kürzester Zeit einen Nachfolger für den Brasilianer finden. Teamchef Teddy Mayer wagte es, den stark aufstrebenden James Hunt zu McLaren zu holen. Hunt, der 1975 bei Hesketh sein erstes Rennen gewinnen konnte, hatte sich bereits zu diesem Zeitpunkt ein Image als Playboys angeeignet. Sah man ihn doch außerhalb des Cockpits fast ausschließlich mit Zigarette im Mund und von attraktiven jungen Damen umgeben. Für das eher konservative und auf Seriosität bedachte McLaren-Team eine gewagte Verpflichtung. Selbst dem damaligen Zigarettensponsor des Teams war Hunts Lebensstil zu exzessiv.

Auf der anderen Seite saß bei Ferrari der besonnene Niki Lauda am Steuer. Während Hunt aufgrund seiner häufigen Kollisionen den Beinahmen 'Hunt the shunt' erhielt, wurde Lauda respektvoll 'Computer-Brain' genannt. Der Österreicher gewann in der Vorsaison seine erste Weltmeisterschaft und ging mit Ferrari als Topfavorit in das neue Jahr - und das Gespann wurde seiner Favoritenrolle gerecht. Lauda gewann das Auftaktrennen in Brasilien, den nächsten Lauf in Südafrika und wurde in Long Beach Zweiter. Nach nur drei Rennen hatte das Computerhirn schon 14 Punkte Vorsprung auf den WM-Zweiten Patrick Depailler. Auf Hunts Konto befanden sich derweil nach zwei Kollisionen und einem zweiten Platz lediglich sechs Punkte.

Niki Lauda in seinem Ferrari, Foto: Sutton
Niki Lauda in seinem Ferrari, Foto: Sutton

Der Große Preis von Spanien 1976 sollte dann erstmals in der Saison die Gemüter erhitzen. Hinter Laudas Start stand lange ein großes Fragezeichen, weil er sich bei einem Traktorunfall zwei Rippen gebrochen hatte. Mit Korsett und unter Schmerzen ging der amtierende Weltmeister an den Start. Nachdem Lauda Polesitter Hunt am Start überholen konnte, konterte der Brite später und gewann das Rennen – vorerst jedenfalls. Im Parc Fermé war der McLaren M23 von Hunt 1,8 Zentimeter zu breit und wurde deshalb von der Wertung ausgeschlossen. Niki Lauda wurde als Sieger gewertet.

Monate später entschied das Berufungsgericht in Paris, dass Hunt seinen Sieg behalten dürfe, McLaren musste lediglich eine Strafe von 3000 Dollar bezahlen. "Da lass ich mir einen 5-Liter-Motor einbauen und gewinn jeweils für 3000 Dollar überlegen die Rennen", schimpfte Lauda anschließend. Hunt nahm hingegen die Kontroverse gewohnt gelassen auf und klebte die Aufschrift 'Caution wide vehicle' auf seinen Heckflügel.

Nach dem 8. von 16 Läufen reiste Lauda mit 52 Zählen zum Großbritannien GP. Hunt hatte als ärgster Rivale lediglich die Hälfte der Punkte auf dem Konto. In Brands Hatch sollte dann das nächste Politikum seinen Lauf nehmen. Am Starten berührten sich Lauda und Regazzoni. Während Lauda unbeirrt weiterfahren konnte, drehte sich der Schweizer, Hunt konnte nicht mehr ausweichen und beschädigte seinen McLaren. Das Rennen wurde wegen Trümmerteilen auf der Strecke abgebrochen, was McLaren die Gelegenheit gab, den M23 zu reparieren.

Lauda musste nach seinem Feuerunfall eine Zwangspause einlegen, Foto: Phipps/Sutton
Lauda musste nach seinem Feuerunfall eine Zwangspause einlegen, Foto: Phipps/Sutton

Weil Hunt allerdings die erste Runde nicht komplett absolvieren konnte, sondern über eine Abkürzung zurück in die Boxengasse fuhr, hätte er das Rennen nicht mehr aufnehmen dürfen. Die Fans, für die Hunt inzwischen zum Hero aufgestiegen war, forderten einen Neustart mit ihrem Idol. Von den ausverkaufen Tribünen skandierten die aufgebrachten Briten "We want Hunt", woraufhin die Rennleitung ein Einsehen hatte, und den Lokalmatador erneut an den Start gehen ließ. Weil Lauda im Rennen mit seinem Getriebe zu kämpfen hatte, konnte Hunt seinen ersten Heimsieg feiern.

Das nächste Rennen sollte auf der damals schon legendären Nordschleife stattfinden. Die Strecke wurde bereits 1927 fertiggestellt, seitdem hatten sich die Sicherheitsstandards kaum verbessert. Lauda war das ein Dorn im Auge. "Die Fahrzeuge werden zu schnell. Die Strecke kann mit den heutigen Standards nicht im Kalender bleiben. Ich glaube nicht, dass wir dort Rennen fahren sollten", appellierte er an seine Fahrerkollegen. Doch bei einem vom Wiener einberufenen Fahrermeeting entschieden sich seine Kollegen dafür, das Rennen zu fahren. Weil schon in den Jahren zuvor Sicherheitsbedenken über die Grüne Hölle, wie Sir Jackie Stewart die Nordschleife einst bezeichnete, aufgekommen waren, hatten die Piloten den Betreibern ein Ultimatum gestellt. In drei Jahren sollten die Sicherheitsstandards deutlich erhöht werden, solange würde man den damaligen Standard noch hinnehmen. 1976 war das letzte Jahr des Ultimatums, schon ein Jahr später kehrte die Königsklasse dem Nürburgring den Rücken zu und zog nach Hockenheim - für Niki Lauda ein Jahr zu spät.

James Hunt wie man ihn kannte, Foto: Phipps/Sutton
James Hunt wie man ihn kannte, Foto: Phipps/Sutton

Nachdem Lauda bei Mischbedingungen als erster Pilot zum Reifenwechsel gekommen war und sich Slicks abgeholt hatte, verlor er aus bis heute ungeklärten Gründen im Abschnitt Bergwerk die Kontrolle über den Ferrari 312T2. Der Bolide fing sofort Feuer und Lauda konnte sich nicht selbst aus dem brennenden Wrack befreien. Die beherzte Rettungsaktion seiner Fahrerkollegen rettete ihm das Leben. Neben starken Verbrennungen im Gesicht war auch Laudas Lunge stark geschädigt. Fünf Tage schwebte er in Lebensgefahr – doch Lauda gewann den Kampf gegen die schrecklichen Verletzungen.

"Während ich im Krankenhaus lag, hat James ein paar Rennen gewonnen, das war meine größte Angst, weil ich einen so großen Vorsprung hatte", erzählte Lauda rückblickend. Hunt gewann das neugestartete Rennen auf dem Nürburgring und siegte zwei Rennen später in den Niederlanden. Vom schwindenden Vorsprung angetrieben, kehrte Lauda schon zum Ferrari-Heimspiel in Italien zurück ins Cockpit - nur drei Rennen nach seinem fast tödlichem Unfall. Doch die erste Ausfahrt nach dem Unglück verlief nicht wie geplant. "Als ich das erste Mal aus der Box gefahren bin, konnte ich nicht in den zweiten Gang schalten, weil ich so Angst hatte."

Lauda besiegte seine Angst und wurde in Monza Vierter, während Hunt leer ausging. McLaren wurde vor dem Rennen vorgeworfen, illegal Benzin nach Italien importiert zu haben - ausgerechnet in die Heimat Ferraris. Hunt und Teamkollege Mass mussten deshalb von den letzten Rängen starten. Mit Wut im Bauch drehte sich der Brite von der Strecke und musste das Rennen aufgeben. "Der Sprit war natürlich nicht illegal, es gab nichts, was darauf hätte schließen lassen können. Am Montag haben sich die Italiener auch dafür entschuldig - aber das war zu spät", ärgert sich der damalige McLaren-Teammanager Alastair Caldwell noch heute.

Hunt fuhr im Regen von Fuji zum Titel, Foto: Phipps/Sutton
Hunt fuhr im Regen von Fuji zum Titel, Foto: Phipps/Sutton

Kurz darauf gab es erneut Grund zur Aufregung: Hunt wurde der Sieg von Brands Hatch doch noch aberkannt, Lauda erbte den Sieg. Drei Rennen vor Saisonende führte Lauda mit 17 Punkten Vorsprung. Während Lauda für das Urteil vollstes Verständnis hatte, wütete Hunt: "Das ist der Müll, den man erwarten konnte. Niki ist kein Sportsmann. Er ist nur an einer Sache interessiert, und das ist er selbst." Lauda gab Hunt die Antwort beim vorletzten Rennen in Watkins Glenn. Er marschierte am Morgen in sein Hotelzimmer und verkündete vorlaut, an jenem Tag Weltmeister zu werden. "Das hat mich enorm angespornt", erinnerte sich Hunt. "Das war eines der besten Dinge, die er je gemacht hat."

Hunt gewann das Rennen, Lauda wurde Dritter und hatte die Weltmeisterschaft somit noch nicht in der Tasche. Zum Saisonfinale in Japan reiste der Österreicher mit drei Punkten Vorsprung. Am Sonntag zeigte sich das Wetter von seiner schlechtesten Seite: Am Fuße des Fuji machte sich Nebel breit und der Himmel öffnete erbarmungslos seine Schleusen. Zunächst wurde das Rennen verschoben, doch wegen einbrechender Dunkelheit wurde es letztendlich gestartet, obwohl sich die Bedingungen nicht gebessert hatten.

Niki Lauda und ein paar Kollegen stellten ihre Autos nach wenigen Runden ab, weil sie die Bedingungen für unfahrbar hielten. Hunt genügte ein dritter Platz, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen. 61 Runden lang führte er das Rennen an, bekam dann allerdings Probleme mit seinen Reifen und musste die Box aufsuchen. Er kam als Fünfter zurück auf die Strecke und hatte die Weltmeisterschaft eigentlich schon verloren. Doch zwei Runden vor Schluss konnte Hunt Alan Jones und Clay Regazzoni überholen und gewann somit seine erste und einzige Weltmeisterschaft.

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