2017 feierte Walter Röhrl seinen 70. Geburtstag. Genossen hat er ihn nicht wirklich. "Wochenlang waren jeden Tag Journalisten hier", stöhnt er. "Beim nächsten runden Geburtstag - wenn ich ihn erleben darf - bin ich im Urlaub." Röhrl ist auch zweieinhalb Jahrzehnte nach seiner aktiven Rennfahrerkarriere topfit. Daran, dass er seinen 75. feiern darf, zweifelt der neutrale Beobachter keine Sekunde. Nur er selbst geht lieber auf Nummer sicher und schiebt ein 'wenn' ein. Da ist er wieder, der Zweifler, der Pessimist Walter Röhrl.

Es ist ein kalter Wintertag, überall liegt Schnee. Röhrl empfängt Motorsport-Magazin.com in seinem Haus in Sankt Englmar. Den Regensburger verschlug es Anfang des Jahrtausends in den Bayerischen Wald. Der Blick aus dem Esszimmer reicht bis zu den Alpen. Wer Röhrl kennt, den verwundert es nicht, dass er sich nicht in Monaco niedergelassen hat, um Sonne und Steuererleichterungen zu genießen. "Geld hat für mich nie eine Rolle gespielt", stellt Röhrl klar. "Darauf bin ich immer wieder stolz: Solange ich gefahren bin, habe ich nie Geld verlangt. Ich habe immer das genommen, was mir angeboten wurde. Weil Geld für mich unwichtig war."

Anfangs war das Geld noch ein Problem. Röhrl wollte eigentlich gar nicht Rennfahrer werden. Vielmehr wurde er von seinem Freund Herbert Marecek dazu überredet, an Rallyes teilzunehmen. "Und zahlen tut's der liebe Gott?", fragte Röhrl spöttisch zurück. Marecek war es, der die Aktien seines Vaters verkaufte, um Röhrl ein Auto bereitzustellen. Erst einen Fiat 850, später einen BMW 2002, dann einen Alfa Romeo 1750 GT Veloce und schließlich einen Porsche 911 S. Bei seiner ersten Rallye kannte Röhrl noch nicht einmal die Regeln, fragte sich, wie er mit einem Fiat gegen 911er und BMWs bestehen könne. Am Steuer brauchte Röhrl aber keine Nachhilfe. Nach jeder Rallye schrieb Freund Marecek die Fachpublikationen an und schrieb, dass sein Freund, Walter Röhrl, der beste Autofahrer der Welt sei und einen Werksvertrag braucht. "Du bist nicht ganz dicht", sagte Röhrl damals zu seinem Freund.

Rallye-Legende Walter Röhrl: Das große Interview: (01:18:03)

Tatsächlich meldete sich nach der fünften Rallye Ford Deutschland bei Röhrl und bot ihm den ersehnten Werksvertrag. Wichtiger als die 250 D-Mark Gehalt war das Auto, das nicht mehr bezahlt werden musste. Der Ford Capri öffnete Röhrl die Augen. "Herbert, warum fahren die alle so langsam?", fragte Röhrl seinen Beifahrer. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich so schnell gefahren bin", erklärt Röhrl heute. Als Chauffeur im bischöflichen Ordinariat fuhr Röhrl mehr als 100.000 Kilometer im Jahr im Auto - die er teilweise auch zum Trainieren nutzte. Dazu konnte der Regensburger viel aus dem Skisport übernehmen, wo er auch Herbert Marecek kennengelernt hatte. "Die ersten Rallyes haben mir gefallen, es war wie Skifahren. Ich habe mir alles vom Skifahren abgeleitet, mir hat nie jemand gesagt, wie Autofahren geht", erzählt Röhrl mit einem Funkeln in den Augen.

Das Skifahren war damals wie heute seine große Leidenschaft. Röhrl machte neben seiner Arbeit im Bischöflichen Ordinariat eine Ausbildung zum Skilehrer. Doch nach den ersten Erfahrungen im Ford sagte er sich selbst: "Du träumst davon, einmal die Rallye Monte Carlo zu gewinnen, also trau dich, mach es. Gib den Beruf auf und richte dein Leben darauf aus, der Beste zu sein." Tatsächlich erhielt er 1973 einen Werksvertrag von Irmscher. Der Angestellten-Vertrag brachte ihm 850 D-Mark ein - genug, um sich auf die Rennfahrer-Karriere zu konzentrieren.

Die Skilehrerprüfung legte er noch als Viertbester in ganz Deutschland ab, anschließend war sein Beruf Rennfahrer. Zum Leidwesen seiner Mutter. "Asozial, die ganze Erziehung war umsonst", schimpfte sie. "Du kannst nicht dicht sein." Die Sorgen der Mutter waren nicht unbegründet, 1965 verunglückte Walter Röhrls älterer Bruder Michael bei einem Verkehrsunfall in seinem Porsche 356 tödlich. Die Ängste seiner Mutter waren auch der Grund dafür, weshalb Röhrl seine Rallye-Karriere kurzzeitig schon beendet hatte. Von November 1971 bis April 1972 fuhr er keine einzige Rallye. "Da habe ich aber gemerkt, dass ich ohne den Sport nicht mehr leben möchte." Ford nahm das junge Talent damals mit offenen Armen wieder zurück.

Bei Opel begann die große Karriere des Walter Röhrl. 1974 fuhr er für das Opel Euro Händler Team und verdiente 80.000 D-Mark im Jahr. "Was soll ich mit dem vielen Geld machen?", erinnert sich Röhrl zurück. "Das ist ja Wahnsinn, 80.000 D-Mark zu verdienen..." Es sollte noch deutlich mehr werden: Als er 1978 zu Fiat wechselte, verdiente er bereits 400.000 D-Mark. Danach hören die Gehaltsangaben auf, seine sportliche Laufbahn ist bekannt.

"Aber Geld hat für mich nie eine Rolle gespielt", wiederholt Röhrl und fügt an: "Vielleicht hat Christian mehr Geld verdient als ich, das interessiert mich nicht." Christian, das ist sein langjähriger Co-Pilot Christian Geistdörfer. Zwischen 1977 und 1987 fuhr Röhrl ausschließlich mit Geistdörfer, mit dem er 13 seiner 14 Siege bei der Rallye Weltmeisterschaft holte. Geistdörfer ist nicht nur auf dem Papier unzertrennlich mit den Erfolgen von Röhrl verbunden. "Ich war der erste, der getrennte Verträge hatte", erzählt Röhrl stolz. "Ich habe gesagt: Wenn ihr mich wollt, ist das in Ordnung, ich fahre aber nur mit Christian - also werdet euch mit ihm einig.

Somit hatte Christian eine ganz andere Position als alle anderen Beifahrer." Zuvor war es üblich, dass die Fahrer ihre Co-Piloten bezahlt hatten. "Wir hatten so eine viel entspanntere Situation im Auto: Wenn der Beifahrer nach Hause kommt, wenn sie sich wieder dreimal überschlagen haben, bin ich überzeugt, dass die Frau sagt: 'Bist du verrückt? Setzt dich zu ihm ins Auto, der schiebt das große Geld ein und du wirst mit kleinem Geld abgespeist.' Das wollte ich gleich fernhalten. Das ging aber nur, weil mich alle haben wollten. Ich war so gut, dann mussten sie das schlucken."

Da ist er, der Anflug von Selbstbewusstsein. "Wenn Sie meine Laufbahn und meine Aussagen vergleichen, dann war das zwischen Selbstzweifel und Größenwahn", gibt Röhrl selbst zu. "Damit habe ich mich immer unter Druck gesetzt. Wenn ich gewonnen habe, dachte ich mir: Vielleicht hatte ich Glück, der andere Pech. Vor der nächsten Rallye habe ich wiederum einen Kommentar abgegeben: 'Ob ich die Reifen kenne oder nicht: meine Kollegen kriegen trotzdem zehn Minuten von mir.' Und ich habe Monaco 1980 dann mit 10 Minuten Vorsprung gewonnen. Wenn ich nicht gut gewesen wäre, hätten sie mich zerrissen, keine Diskussion. Aber der Erfolg stopft ihnen den Mund."

Und Röhrl hat viele Münder gestopft. Vier Siege bei der Rallye Monte Carlo auf vier unterschiedlichen Marken, zweimal Rallye-Weltmeister, Pikes-Peak-Rekord und so weiter. "Alles nicht so wichtig", sagt er bescheiden. "Sobald man es einmal erreicht hat, ist es nicht mehr so wichtig. Solange man es nicht erreicht hat, meint man, es ist das wichtigste im Leben."

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Der Erfolg hatte aber auch negative Begleiterscheinungen: "Dass man bekannt ist! Ich habe immer gesagt, ich will Rallye fahren, weil es draußen in der Nacht im Wald stattfindet. Ich will nur für mich wissen, ob ich gut bin, die anderen brauchen das nicht wissen. So naiv war ich in meiner Jugend. Ich habe die Presse gar nicht gemocht, aber man kann alles lernen."

Die Presse mag er auch heute noch nicht besonders gerne, aber die Presse liebt Walter Röhrl. Weil er sagt, was er sich denkt. Seit 25 Jahren ist er für Porsche als Markenbotschafter und Versuchsfahrer aktiv. Und obwohl Porsche mit der Mission E demnächst ein reines Elektroauto auf den Markt bringt und 2019 in die Formel E einsteigt, lässt Röhrl keine Gelegenheit aus, gegen Elektromobilität zu wettern. "Mir tut es weh. Ich lese inzwischen fast keine Autozeitungen mehr. Wenn ich aufschlage und sehe nur diese Elektroautos, schlage ich sofort zu. Für mich ist das eine Demontage des Autos."

"Selbst wenn Porsche in der Formel E gewinnen sollte, interessiert mich das gar nicht", so Röhrl. "Meines Erachtens ist es abartig, ein Rennauto zu bauen, um in der Stadt Rennen zu fahren. Und bis der Mission E kommt, habe ich eine Regelung, dass ich damit nichts zu tun habe - oder ich bin in Pension", sagt Röhrl, steigt aus seinem Firmenwagen, einem 680 PS starken Porsche Panamera Turbo S E-Hybrid, aus und fügt an: "Jetzt schauen wir mal, was ich wieder für Beschwerdebriefe erhalte. Aber das bin ich seit 40 Jahren gewöhnt. Ich werde immer sagen, was ich mir denke - ich lasse mich nicht verbiegen. Das ist der beste Weg."

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