Franz Wittmann ist eine lebende Legende des österreichischen Rallye-Sports. 12 Staatsmeisterschaften,35 EM-Siege, ein WM-Sieg in Neuseeland. Diese Erfolge werden lange, oder gar für immer, unerreicht bleiben in der Alpenrepublik. Abgehoben ist Franz Wittmann dabei nicht. Im Gegenteil – auf charmante Art und Weise spricht er über den Rallye-Sport, die ersten Gehversuche seines Sprösslings Franz Jun. und über ein ganz spezielles Problem – seine Sucht. Der Rallye-Sport lässt ihn einfach nicht los, oder umgekehrt…

2006 feiert der sagenhafte Audi Quattro sein 25 Jahr-Jubiläum. Wollen Sie da nicht ihre Pause unterbrechen und die Jänner-Rallye mit dem Quattro fahren?

Franz Wittmann: Ja, ich werde versuchen, von Ingolstadt ein Auto zu bekommen. Das soll so aussehen wie damals. Und da wollen wir entweder als Vorausauto oder auch in der Wertung mitfahren. Irgendwann einmal möchte ich dann aber meine Karriere offiziell beenden. Ich habe sie ja noch nie offiziell als beendet erklärt.

Das fällt Ihnen offensichtlich schwer…

Franz Wittmann: Sehr schwer sogar. Aber irgendwann muss es ja sein.

Sie haben ja immer wieder Pausen eingelegt. Oder sind in manchen Jahren nur einmal mitgefahren. Zum Beispiel 1994…

Franz Wittmann: 1994 bin ich nur eine Rallye gefahren. Der Sepp Haider und ich. Mit einem Ford. Wir sind abwechselnd gefahren, einmal ist er gefahren und einmal ich. Das war für mich das furchtbarste, als Beifahrer. Er war sicher der bessere Beifahrer. Wir haben geführt, doch dann sind wir Dritter geworden, weil wir einen Reifenschaden hatten.

Im Jahr 2000 sind Sie dann nach Jahren wieder richtig eingestiegen. Was war damals der Auslöser?

Franz Wittmann: Das war der Achim Mörtl. Der hat mir 1999 seinen Subaru geborgt. Da habe ich mich in der ersten Prüfung rausgedreht bei 170 km/h - und der Motor war kaputt. Es war aber kein Überschlag – ich habe mich übrigens noch nie überschlagen, in meiner ganzen Karriere nicht. Auf jeden Fall hatte ich da also diesen Motorschaden in der ersten Prüfung, hatte keine gültige Zeit. Und dann habe ich mir gesagt: Das muss ich noch einmal probieren. Da hat mir dann ein Freund geholfen. Und dann war die erste Rallye, Gott sei Dank eine Schnee-Rallye, die Gorbatschow-Rallye, da bin ich gut mitgefahren. Und dann kamen die Asphalt-Rallyes – da war ich dann hinten. Da habe ich dann hart an mir arbeiten müssen. 2001 habe ich dann, mit ein wenig Glück, die österreichische Staatsmeisterschaft gewonnen.

2003 haben Sie dann noch einmal an der Jänner-Rallye teilgenommen, recht erfolgreich…

Franz Wittmann: Ich habe mir gedacht: Ich möchte aufhören mit einem Sieg. Darum bin ich die Jänner-Rallye noch ein zehntes Mal gefahren – und hab sie auch das zehnte Mal gewonnen.

Sie sind der mit Abstand erfolgreichste Rallye-Pilot in der österreichischen Motorsportgeschichte. Theoretisch könnten Sie jederzeit wieder voll einsteigen…

Franz Wittmann: Ja, aber was soll ich noch erreichen? Ich habe vom Käfer an alles miterlebt, dann BMW, Porsche, Weltpremiere des Audi Quattro. Dann bin ich Fronttriebler gefahren. Und dann auf Lancia, mit dem ich 1997 den WM-Lauf in Neuseeland gewonnen habe. Dann Toyota, das WRC. Ich hab ja praktisch alle Stufen des Rallye-Sports erlebt.

Und jetzt ist ja Ihr Sohn Franz in den Sport eingestiegen. Ich habe ihn gefragt, ob er glaubt, dass Talent vererbbar ist. Er sagte, dass er da nicht sicher sei, dass er aber auf jeden Fall den Spaß an diesem Sport von Ihnen geerbt hätte.

Franz Wittmann: Im vorigen Jahr hätte ich das nicht gesagt, denn ich war anfangs nicht so recht überzeugt. Aber heute kann ich sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass er irrsinnig schnell ist. Nur: Wir bringen keinen Sponsor zusammen.

Bei dem Namen?

Franz Wittmann: Vielleicht liegt´s an mir. Für mich selber habe ich anscheinend überzeugender reden können.

Ist es heute schwieriger als damals?

Franz Wittmann: Das glaube ich auch.

Wie war Ihr Einsteig? Hatten Sie Geld?

Franz Wittmann: Ich hatte überhaupt kein Geld. Ich bin gefahren mit dem Käfer von meinem Vater. Wir haben vom Installateur ein Rohr gekauft und eingebaut. Dann hat er es erfahren und hat geschimpft. Er sagte, er will mir kein Geld für den Sport geben, er hatte Angst, dass mir etwas passieren könnte. Dann habe ich um 7.000 Schilling einen 70 PS-Motor gekauft, und dann bin ich schon ein bisschen mehr gefahren. Und dann gab es ein Auto-Ski-Rennen in Schladming. Mit dem Auto rauf und mit den Skiern runter. Und da hat mir jemand einen Werks-Käfer geborgt. Und ich habe gewonnen. Dann war ich schon das erste Mal im Fernsehen. Dann bin ich 1972 die Meisterschaft gefahren. Und beim Training zur Kärnten-Rallye hab ich mich um fünf Uhr Früh rausgeworfen, hab mein Auto beschädigt. Am Nachmittag war der Start. Dann habe ich den Mann mit dem Werks-Käfer angerufen und ihn gefragt, ob er ihn mir wieder borgt. Er sagte, borgen würde er ihn mir nicht, aber ich könne ihn kaufen. 65.000 Schilling.

Das war damals viel Geld…

Franz Wittmann: Naja, aber Moment. Im Verhältnis nicht. 30.000 habe ich von der Versicherung für den anderen Wagen bekommen. Den Rest erhielt ich für einen Stier. Der ist an meinem Geburtstag geboren worden, der hat mir gehört – und den habe ich verkauft. Zwei Stunden später bin ich zum Start der Kärnten-Rallye – und hab sie gewonnen.

Das läuft heute nicht mehr so…

Franz Wittmann: Ja. Ich hab dann Sebring und Bosch als Sponsoren gewonnen. Dann bin ich ins Werksteam von VW gekommen. Dann war die weltweite Benzinkrise und es war aus. Doch dann hat mir der Rennleiter von Bosch einen BMW gekauft. Damit habe ich gleich zwei Europameisterschaftsläufe gewonnen. Und von da an ist es dann so richtig weiter gegangen. Aber ich würde heute nicht mehr mit dem Sport anfangen – weil es heutzutage, glaube ich, wirklich zu schwierig ist. Allein die Weltmeisterschaft – früher waren das noch Rallyes…

"Die FIA macht den Sport kaputt…"

Gutes Stichwort – die FIA.

Franz Wittmann: Die FIA macht den Sport kaputt.

Das sagen auch in der Formel 1 nicht wenige. Das ist im Rallye-Sport auch so, Ihrer Meinung nach?

Franz Wittmann: Ja, sogar noch mehr als in der Formel 1. Bei der Monte Carlo-Rallye – als ich gefahren bin, gab es 280 Starter, jetzt sind es glaube ich 36.

Man hat im Rallye-Sport das dritte Auto verhindert. Welche Maßnahmen würden Sie setzen, um den Rallye-Sport zu verbessern?

Franz Wittmann: In der Formel 1 wollen einige wenige viel Geld verdienen…

Wie der Vater, so der Sohn…

Franz Wittmann holt sich noch einen Kaffee. Als er zurück kommt, sagt er:

Ich wollte noch etwas sagen zu meinem Sohn Franz: Ich bin nach einem Jahr nicht so weit gekommen wie er – ich habe mindestens meine fünf Jahre gebraucht. Man muss heute einen Geldgeber finden. Von der Profieinstellung her habe ich ihm aber schon viel mitgeben können. Und auch, was die Abstimmungsarbeit betrifft. Er hatte immer den Grundspeed. Ich möchte mich auch nicht einmischen. Tipps gebe ich ihm schon auch. Aber wie das halt so ist – wenn du ihm etwas erklärst, sagt er: Du Papa, das weiß ich eh. Sag ich: Okay…(lacht). Fragt er mich voriges Jahr wegen der Reifen. Sag ich: Ich würde den nehmen, das ist ein Sicherheitsreifen. Sagt er: Aber die anderen sagen was anderes. Sag ich: Wieso fragst du mich dann? Ich bin ja in der WM das Vorausauto gefahren als Schotterspion und ich habe gesagt, wir wissen welchen Reifen wir nehmen. Aber schön langsam versteht er es…

Er hat vorhin gesagt, dass er sehr viel von Ihnen lernt, vor allem bei den Reifenfragen…

Franz Wittmann: Ja, mittlerweile sieht er es so. Aber am Anfang war es schon auch schwierig.

Am Anfang möchte man halt alles selbst entscheiden. Man muss sich die Hörner abstoßen, sagt man ja. Haben Sie Angst, er könnte sich verletzen?

Franz Wittmann: Nein, er fährt so sicher. Ich habe überhaupt keine Angst..

Auch die Rallye-Autos haben sich stark verändert, wurden zu rasenden Hightechlabors. Ist dadurch, wie in der Formel 1, der Fahrer unwichtiger geworden?

Franz Wittmann: Nein, das glaube ich nicht. In der Formel 1 geht es ja um Zehntelsekunden. Und im Rallye-Sport ist die PS-Leistung ja ziemlich gleich. Sicher sind Citroen, Peugeot und Subaru die Top-Teams. Mit diesen drei Autos kannst du gewinnen. Und du hast Schotter und Schnee – da kommt es nicht so auf die Leistung an. Asphalt-Rallyes gibt es ja nur vier. Du hast fast kein Training, musst dich auf die Ansage verlassen. In der Formel 1 weiß der Pilot genau, wo er bremst, wie er raus fährt aus der Kurve, in der Formel 1 ist das Gleichgewicht der Kräfte viel mehr ausgelotet. Der Rallye-Pilot muss viel mehr improvisieren. Wenn du im Wald mit 200 km/h auf Schnee fährst, und du bremst zu spät, fällst du in eine Schneewand. Die Einheimischen kennen die Strecke, wenn du nicht einheimisch bist, dann lupfst du lieber einmal das Gaspedal.

"Ich sag immer: Schnee und schnell…"

Die Finnen, die sind ja im Schnee zuhause.

Franz Wittmann: Die Finnland-Rallye war meine Lieblings-Rallye, nur wird dort im Sommer gefahren.

Ohne Schnee – aber Sie mögen Schnee?

Franz Wittmann: Ja. Ich sag immer: Schnee und schnell. Je schneller eine Rallye ist, desto weniger musst du arbeiten.

Verstehe.

Franz Wittmann: Die Kurverei, die enge, die taugt mir überhaupt nicht.

Ihr Sohn sagt, er fühlt sich sicherer, wenn er quer fährt.

Franz Wittmann: Ja. Das Querfahren ist unsere Sicherheit. Auf dem Asphalt fahren wir eh nicht so quer, aber auf dem Schotter, auf dem Schnee. Dadurch, dass man quer fährt, drehen die Reifen, beim Allrad, innen schneller. Und man muss danach trachten, dass man in der Kurvenmitte bereits gerade steht, um die ganze Geschwindigkeit auf die Gerade mitzunehmen.

Man lenkt mit dem Gas.

Franz Wittmann: Ja, wobei: Als ich damals in das WRC eingestiegen bin, habe ich lange gebraucht, ich bin anfangs zu wild gefahren, zu quer. Bei den ganzen elektronischen Differentialen ist es besser, wenn man ein bisschen früher bremst und nicht zu quer fährt, nicht so brutal, etwas sanfter muss man fahren.

Sie sind schon einmal mit einem Formel-Rennwagen gefahren?

Franz Wittmann: Ja, mit einem Formel 1.

Wo? Mit welchem?

Franz Wittmann: Auf dem Österreichring - ich weiß nicht mehr, welche Marke es war. Ich hab mir leider den Helm nicht fest genug eingestellt, den hat es mir immer wieder runter gezogen. Aber es war schon toll. Die Beschleunigung – die hat mich fasziniert. Im Porsche-Cup bin ich mitgefahren. Da habe ich meine schnellste Runde in der vorletzten Runde gefahren, mit den abgenützten Reifen, denn da gab es einen Kampf. Dann bin ich Rallye-Cross gefahren, da hatte ich Trainingsbestzeit. Aber im Rennen dann war ich im Pulk, und bumm, hat mich der nächste rausgehaut. Ich hab mir gedacht: Sag mal, spinnt´s ihr alle?

Das kann mitunter recht brutal sein. Mit Anklopfen und so.

Franz Wittmann: Ja, dem war ich nicht gewachsen, muss ich ehrlich sagen.

Wie schaut´s aus mit der Dakar? Reizt Sie das?

Franz Wittmann: Das ist mir zu viel Risiko.

Finanzieller Natur?

Franz Wittmann: Nein, wenn ich kein Geld habe, kann ich eh nicht fahren. Aber – du fährst ja doch 200 in der Wüste, und irgendwann geht´s dann steil bergab. Da müsste man ganz vorsichtig fahren. Aber dann geht links eine Miene hoch. Das sind halt viele Unsicherheitsfaktoren. Aber: Sag niemals nie.

Wenn Sie bei der Jänner-Rallye zuschauen – tut Ihnen das weh?

Franz Wittmann: Das kann ich ganz einfach beantworten: Wenn ein Schnee ist, ist es furchtbar. Wenn kein Schnee ist, ist´s mir egal.

Jean Alesi fährt Eisrennen. Wäre das was für Sie?

Franz Wittmann: Da brauchst du halt auch ein Budget. Aber da würde ich sofort mitfahren, das wäre wirklich interessant. Aber ich bin mit dem Management vom Franz und der Julia schwer beschäftigt.

"Irgendwann muss Schluss sein!"

Da suchen Sie ja Sponsoren. Eine letzte Frage, ein kleiner Scherz: Ein guter Sponsor wäre doch dieser Kekshersteller, der den Slogan "Wenn ich nur aufhören könnt" propagiert?

Franz Wittmann (lacht): Ja, das könnte passen. Aber ich habe jetzt schon ein bisschen Abstand gewonnen. Dadurch, dass der Franz fährt, ist mir das leichter gefallen. Es gibt einfach Lebensabschnitte, dessen muss man sich bewusst sein. Je älter ich werde, desto bewusster wird mir, dass man es irgendwann als Abschnitt des Lebens betrachten muss. Irgendwann muss Schluss sein.

Das klingt ein bisschen so, als würden Sie sich das gerade selber einreden…

Franz Wittmann (lacht): Das muss ich ja. Sonst kann ich ja nicht aufhören. Da musst du dir ja selber was einreden, oder?

Ja. Aber die Jänner-Rallye 2006 reizt Sie ja doch irgendwie…

Franz Wittmann: Mein Problem ist: Ich könnte die Jänner-Rallye immer wieder fahren. Aber dann möchte ich sie auch gewinnen. Und dann wird es halt wieder ein Riesenaufwand.

Und wenn Sie künftig jedes Jahr nur die Jänner-Rallye fahren würden, hätten Sie ja einen Trainingsrückstand…

Franz Wittmann: Naja, wenn Schnee liegt kann ich glaube ich auch in zehn Jahren noch schnell sein. Am Asphalt ist es anders.

Sie sind ja noch nie zurückgetreten.

Franz Wittmann: Einmal haben sie mich gezwungen damals. Das war überraschend. Ich habe 14 Rennen hintereinander gewonnen. Und dann haben sie gesagt, sie können mich nicht mehr verkaufen, weil ich nur mehr gewonnen habe. Auf einmal haben sie gesagt, dass ich kein Auto mehr bekomme. Dann gab es ja eine große Rücktritts-Pressekonferenz, das war so kurzfristig, da konnte ich gar nicht aus. Aber offiziell bin ich noch nie zurückgetreten.

Und wollen auch nicht wirklich zurücktreten…

Franz Wittmann: Nein, nicht wirklich. Aber: Wenn ich es sage, dann höre ich auf.

Jedenfalls herzlichen Dank für das Gespräch.