Es ist ein schöner Tag im Februar. Die Menschen genießen den Sonntag, verbringen Zeit mit ihren Familien und erfreuen sich an den für Februar warmen Temperaturen. In Italien soll dieser 6. Februar 2011 das Leben eines Menschen für immer verändern. Um neun Uhr morgens rast ein Skoda Fabia nach einer Kurve in die Mauer einer Kirche, am Steuer sitzt der Formel-1-Pilot Robert Kubica. An diesem Tag endet seine Karriere in der Königsklasse - und beinahe sein Leben.

Kurz nach Robert Kubicas Unfall hofften die Fans noch auf eine baldige Rückkehr des Polen in die Formel 1, Foto: Sutton
Kurz nach Robert Kubicas Unfall hofften die Fans noch auf eine baldige Rückkehr des Polen in die Formel 1, Foto: Sutton

Sofort wurde Kubica ins Krankenhaus gebracht, die inneren Blutungen gestoppt und die multiplen Brüche in seinem rechten Bein versorgt. Die größte Herausforderung aber erwartete die Ärzte mit der rechten Hand des Polen. Knochen und Sehnen waren zerstört, die Hand fast abgestorben. Insgesamt sieben Stunden kämpften die Ärzte, um eine Amputation zu vermeiden - mit Erfolg.

Sobald klar war, dass sich Kubica wieder erholen würde, stand die bange Frage im Raum: Wird er jemals wieder am Steuer eines Formel-1-Boliden sitzen können? Zweieinhalb Jahre später ist klar, die Antwort lautet wahrscheinlich nein. Der Pole hat für sich eine neue Herausforderung gefunden - seit der Rallye Portugal 2013 nimmt er in einem Citroen DS3 RRC an der WRC2 teil. Die Option auf ein Cockpit in der DTM lehnte der 28-Jährige ab.

"Meine Situation ist komplexer, als sie aussieht, aber nicht von gesundheitlicher Seite. Ich fuhr in der höchsten Motorsport-Klasse der Welt - in der Formel 1. Sie steht über allen anderen Serien und das nicht ein wenig, sondern sehr, sehr weit", erklärt Kubica mit etwas Wehmut in der Stimme. "Ich musste etwas ändern, um weiterhin die gleiche Herausforderung zu spüren. Daher entschied ich mich für den Rallye-Sport."

Der Servicepark steht voller WRC-Boliden, unter ihnen der Citroen von Kubica. Der Pole lehnt an seinem Wagen, die rechte Hand umklammert seinen Trinkbehälter und ist leicht versteckt. Niemand soll die Einschränkungen und Narben sehen. Ein Streckenposten kämpft sich durch die Journalisten-Meute und bittet um ein Autogramm. Jetzt wird deutlich, wie sehr Kubica auch zweieinhalb Jahre nach seinem Unfall noch mit den Folgen kämpft. Die rechte Hand umklammert unverändert die Trinkflasche, mit der linken kritzelt der frühere Rechtshänder mühsam seine Signatur auf das Leibchen des strahlenden Mannes.

Durch die bis heute andauernden Einschränkungen fährt er ein durch die FIA genehmigtes, abgeändertes Getriebe, das mit einer Schaltwippe an der linken Seite des Lenkrads bedient werden kann. Viel schwieriger als die körperlichen Einschränkungen wiegt aber die Umstellung auf den Rallye-Sport. "Ich war mein gesamtes Leben auf Asphalt unterwegs und bin zu 100 Prozent mit diesem Untergrund vertraut. Auf Schotter herrschen andere Regeln", schildert Kubica.

Robert Kubica überzeugte in der WRC2 auf ganzer Linie, Foto: Citroen
Robert Kubica überzeugte in der WRC2 auf ganzer Linie, Foto: Citroen

Vor seinem ersten Einsatz in Portugal testete er rund 400 Kilometer auf Schotter, dann folgte das erste Rennen seines Lebens auf losem Untergrund - und endete sagenhaft mit Rang drei in seiner Klasse. Damit nicht genug, denn es folgte Sieg auf Sieg und der Eindruck, Kubica hätte in seinem Leben noch nie etwas anderes als Rallyefahren getan. Immer wieder ist es aber der Pole, der die Erwartungen dämpft. "Wenn du in Portugal die erste Schotterrallye deines Lebens fährst und danach gleich mehrfach gewinnst, sieht das natürlich gut aus. Ich habe aber noch einen langen Weg vor mir, muss konstanter fahren und viele Dinge neu lernen." Tag für Tag, Rallye für Rallye versteht Kubica das Auto besser und lernt die Streckenbedingungen einzuschätzen. "Ich werde dadurch nicht unbedingt schneller, aber gewinne mehr Kontrolle über das Auto", schildert der 28-Jährige.

Viele Außenstehende werden sich an jedem Rennwochenende die Frage stellen, wo Kubica seine Schwächen sieht, schließlich gewinnt er Wertungsprüfungen, holt Siege und klettert in der Gesamtwertung immer weiter nach oben. Der Pole selbst hat eine andere Sicht der Dinge: "Ich verbrachte die letzten Jahre mit der Genesung von meinem schweren Unfall und hatte schwierige Verletzungen. Vielleicht liegt es an den Dingen, die hinter mir liegen, dass ich vieles oft anders sehe. Ich bin immer noch nicht zu 100 Prozent fit und weiß, dass ich noch weit von dem entfernt bin, wo ich eines Tages sein möchte."

Wo er im Motorsport eines Tages sein möchte, weiß Kubica selbst noch nicht. Für eine längerfristige Zukunft im Rallye-Sport kommt es auch auf die Finanzierung an. "Es ist sehr schwierig, für das Rallyefahren bezahlt zu werden, aber wenn ich Geld bekommen wollte, wäre ich auf der Rundstrecke geblieben", sagt der Pole. "Im Moment hilft mir mein eigener Geldbeutel. Ich investiere in diesem Jahr sehr viel von eigener Seite, aber wir werden sehen, was die Zukunft bringt."

Die nahe Zukunft brachte eine Unterschrift bei M-Sport. In der kommenden Saison wird der Pole an der Seite von Mikko Hirvonen und Elfyn Evans in einem Ford Fiesta RS WRC in der Königsklasse an den Start gehen. Mit konkurrenzfähigerem Material glauben viele Fans an Siege und den Weltmeistertitel. Davon ist der Pole seiner Meinung nach aber noch weit entfernt. "Rallye ist ein Sport, in der Erfahrung ungeheuer wichtig ist. Mit meiner limitierten Erfahrung bin ich daher noch sehr eingeschränkt - aber ich versuche mein Bestes", erklärt Kubica gegenüber Motorsport-Magazin. Aber wie schon der österreichische Psychiater Viktor Frankl einst sagte: "Die Spielregeln des Lebens verlangen von uns nicht, dass wir um jeden Preis siegen, wohl aber, dass wir den Kampf niemals aufgeben." Und aufgegeben hat Kubica nie.

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