Neel, herzlichen Glückwunsch zu Platz vier in Le Mans mit Rebellion. Hättest Du im Vorfeld auf so ein starkes Resultat gedacht?
Neel Jani: Insgeheim hatten wir uns Platz fünf erhofft. Wir konnten uns vorstellen, dass die beiden Toyotas im Rennen ausfallen, weil es viele Gerüchte im Fahrerlager gab... Den einen oder anderen Audi wollten wir mit viel Glück besiegen, aber P4 hatten wir uns wirklich nicht ausgerechnet. Eigentlich hatten die Audis fast mehr Glück als wir - unglaublich, was die veranstaltet haben, um ihre Autos in extrem kurzer Zeit zu reparieren und wieder auf die Strecke zu bringen! Es war verdientes Glück, denn die Audis sind einfach super-schnell. Während des Rennens fragte ich mich schon, ob denen nicht irgendwann einmal die Ersatzteile ausgehen. Audi kam mir vor wie der Terminator - die gehen einfach nicht kaputt.

Hast Du während des Rennens an einen Platz auf dem Podium geglaubt?
Neel Jani: Na klar. Als Allan McNish sein Auto in der Porsche-Kurve in die Leitplanke gesetzt hat, fuhr ich vorbei - ich sah ein großes Loch, aber kein Auto mehr. Ich dachte, 'Das ist ein großes Loch, den flicken sie nicht so schnell'. Da hatte ich schon das Podium im Sinn. Aber dann kam der Audi nach nur neun Minuten wieder auf die Strecke zurück. So in der Porsche-Kurve abzufliegen und dann doch noch weiter zu fahren, ist eigentlich unmöglich.

Euer Lola-Toyota hatte während des Rennens überhaupt keine Probleme...
Neel Jani: Unsere Kupplung wurde im Verlauf des Rennens etwas weich, aber ansonsten hatten wir absolut keine Probleme. Bei den Benzinern und Privat-Teams sind wir eh die Schnellsten. Um die Werks-Teams zu schlagen, brauchst du aber das konstanteste Auto und die schnellsten Fahrer - dann hat man vielleicht eine Chance. So war es in Le Mans mit unserem P4: Unsere Boxenstopps waren klasse, das Team arbeitete super und meine Teamkollegen Nick Heidfeld und Nicolas Prost leisteten sich kaum Zeitverluste.

Nick fuhr zum zweiten Mal in Le Mans - bist Du mit seiner Leistung zufrieden?
Neel Jani: Nick war sehr gut, schließlich hat auch er ein Drittel unseres vierten Platzes herausgefahren. Er hat sich super ins Team eingefügt, guten Input gegeben und absolut keine Star-Allüren - ein richtiger Teamplayer.

Toyota hat trotz der beiden Ausfälle einen starken Eindruck hinterlassen - siehst Du das auch so?
Neel Jani: Die waren mit Sicherheit gut unterwegs und haben innerhalb der kurzen Zeitspanne starke Arbeit geleistet. Auf der Geraden war TS030 das schnellste Auto im Feld - ich denke aber, dass Audi noch eine Schippe hätte drauflegen können. Die haben nicht alles gezeigt. Zweitweise fuhren sie Zeiten im 1:28er- bis 1:30er Bereich, dann plötzlich wieder Zeiten um 1:25 Minuten. Ich weiß nicht, ob das geplant war oder an den Änderungen der Strecke lag. Toyota fährt noch lange nicht auf Augenhöhe mit Audi. Nächstes Jahr bestimmt, da mache ich mir keine Sorgen.

Wie hast Du Anthony Davidsons Horror-Unfall erlebt?
Neel Jani: Ich saß zu diesem Zeitpunkt in unserer Hospitality vor dem Fernseher. Man hört ja immer wieder davon, dass die Autos heftig abfliegen können. Dafür wurden ja die Finne und die Löcher in den Radkästen eingeführt - dass das nicht immer hilft, haben wir wieder einmal sehen müssen. Wenn es regnet, sind diese Löcher sogar noch gefährlich, weil viel mehr Spray herausspritzt.

Blendest Du solche Unfälle als Fahrer einfach aus, wenn Dein nächster Stint ansteht?
Neel Jani: Du denkst zwar nicht daran, dass du durch die Luft fliegen könntest, aber einen möglichen Kontakt hast du natürlich im Hinterkopf. Man muss wissen, bei welchen Autos große Vorsicht geboten ist: nämlich bei den GT-Autos mit der Amateur-Aufschrift hinten drauf. Ein paar von denen wissen leider manchmal nicht, wo links und rechts ist. Wenn ich diese GTs um mich habe, würde ich niemals im letzten Moment überholen oder spät reinbremsen.

Also lieber Vorsicht walten lassen statt so schnell wie möglich vorbeikommen?
Neel Jani: Genau. Ich lasse lieber eine Sekunde Rundenzeit liegen statt ein riskantes Überholmanöver zu starten. Ich habe in der Kurve, wo der Davidson-Unfall passierte, keine Amateur-GTs überholt. Die Amateure bremsen zum Teil sehr früh und kommen auch an ihr fahrerisches Limit - da bleibt keine Zeit mehr, in den Rückspiegel zu schauen. Bei den Profis sieht das anders aus - die wissen meist, was zu tun ist. Dementsprechend richtet man sich auf die Gegner ein. Das ist eben Teil des Spiels und gehört irgendwie nach Le Mans.

Ist das Konzept, Profis und Amateure sowohl in LMPs als auch in GTs gleichzeitig fahren zu lassen, überhaupt in Ordnung?
Neel Jani: Es gehört zu Le Mans, dass man nicht nur absolute Profis auf der Strecke antrifft. Es wäre vielleicht nicht verkehrt, wenn eine Regel für die GTs eingeführt würde, die besagt, dass eine bestimmte Rundenzeit erzielt werden muss, um teilnehmen zu dürfen.

Einige Fahrer hatten sich über das extrem grelle Licht der Audis beschwert. Siehst Du eigentlich noch etwas, wenn Du einen Audi im Rückspiegel hast?
Neel Jani: Aus diesem Grund haben wir die Seitenspiegel mit dunkler Folie getönt. Du weißt nicht, ob der Audi rechts oder links hinter dir ist - du siehst in der Nacht nur Licht. Du fährst auf die Kurve zu und kannst die Position des Audis überhaupt nicht einschätzen. Bei uns geht es noch, aber die GTs haben aufgrund ihrer größeren Spiegel bestimmt keinen leichten Stand. Beim Fahrer-Briefing wurde bereits gesagt, dass die Audis während der nächtlichen Stints nicht mehr so häufig die Lichthupe benutzen sollen.

Apropos Nacht: 24h-Rennen sind extrem anstrengend. Wie hast Du dich auf das Rennen vorbereitet?
Neel Jani: Ich habe mich sowohl körperlich als auch geistig vorbereitet. Auf meinem Programm standen lange Ausdauereinheiten, etwa auf dem Fahrrad. Mit Freunden und Nachbarn ist sowieso immer Sport angesagt, wie zum Beispiel Fußball oder Slackline. Auto-Rennspiele auf der Playstation sind auch eine gute Konzentrations-Übung. Spiel, Sport und Spaß - Hauptsache, du reist ausgeruht und bestens vorbereitet nach Le Mans.

Veränderst Du vor Le Mans Deinen Schlaf-Rhythmus?
Neel Jani: Nein, daran ändere ich nichts. In der Woche vor Le Mans weißt du eh noch nicht genau, welche Stints du fährst. Wir haben schließlich festgelegt, dass ich einen langen Nacht-Stint fahre, weil ich mit diesen Bedingungen gut zurecht komme. Und ganz ehrlich: Wir sprechen bei Le Mans von einer einzigen Nacht, da kommt man schon einmal mit etwas weniger Schlaf aus. An den beiden Tagen nach dem Rennen ist allerdings Ruhe angesagt, die Anstrengung ist schon enorm.

Die Nacht birgt Gefahren, Foto: ACO / Nikon
Die Nacht birgt Gefahren, Foto: ACO / Nikon

Wie schaffst Du es, dich mitten in der Nacht ins Auto zu setzen und sofort voll zu pushen?
Neel Jani: Das habe ich mich auch kurz gefragt, als ich nachts um 1:30 Uhr in unser Auto gestiegen bin. Im ersten Moment dachte ich, 'Hui, das geht ganz schön schnell in der Nacht'. Man gewöhnt sich aber sehr schnell ans Fahren, zu Beginn musst du einfach voll konzentriert sein und schauen, dass du schnell den Rhythmus findest. Die erste Runde fühlt sich aber jedes Mal etwas komisch an.

Du warst jetzt zum vierten Mal in Le Mans am Start. Hat sich Dein Verhalten im Verlauf der Jahre verändert?
Neel Jani: Man wird abgeklärter. Du weißt, wie es läuft und wo die kniffligen Stellen liegen, vor allem in der Nacht. Du lernst immer besser, mit dem Verkehr umzugehen und weißt, wo und wie du überholen musst. Ich habe gelernt, dass du dich in der ersten Stunde gar nicht auf die größten Kämpfe einlassen musst - früher oder später wird es sowieso dazu kommen. Du wirst viel besonnener, denn am Ende setzt sich bei einem 24h-Rennen immer der Speed durch.