Testergebnisse sind immer mit Vorsicht zu genießen. Wären sie wirklich zu 100 Prozent aussagekräftig, dann wäre seit Jahren Suzuki in der MotoGP Weltmeister und Ben Spies hätte in der Superbike WM letztes Jahr gegen Shane Byrne keinen Stich gesehen. Doch es ist kein Geheimniss, dass weder Byrne noch Suzuki in den letzten Jahren Weltmeister wurden. Doch die Testfahrten von Portimao brachten dennoch einige Erkenntnisse.

Die beiden Briten Jonathan Rea und Leon Haslam führten die Zeitenlisten an. Und es ist auch stark davon auszugehen, dass eben diese beiden Piloten in der Superbike Weltmeisterschaft 2010 vorn zu finden sein werden. Beide gehen in ihre zweite Saison, kennen nun auch alle Strecken, wobei dies bei Rea aufgrund dem Supersport-Jahr in 2008 schon letzte Saison der Fall war.

Gehört zum Favoritenkreis: Jonathan Rea., Foto: Ten Kate Racing
Gehört zum Favoritenkreis: Jonathan Rea., Foto: Ten Kate Racing

Honda-Pilot Rea hat schon bei den letzten Läufen in 2009 gezeigt, dass er den Sprung an die Superbike-Spitze vollzogen hat. Seine Ten Kate Honda ist kontinuierlich weiterentwickelt worden und es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Truppe aus den Niederlanden keine Rückschritte macht. Daher sollte Rea vom Saisonauftakt an nicht nur um Siege und Podestplätze kämpfen, sondern auch bei der Titelvergabe eine wichtige Rolle spielen.

Haslam hat ebenfalls letztes Jahr schon beeindruckt, gleich als Rookie in Australien beim Auftakt als Dritter im zweiten Lauf auf dem Podest gestanden. Er war im privaten Honda-Team von Johan Stigefelt unterwegs und der Truppe ging über das Jahr mehr und mehr das Geld aus. Trotzdem fuhr der junge Brite noch vier weitere Male auf das Podium. Er hatte aber auch Glück, dass Stigefelt ein fairer Sportsmann ist und dieser seinem Piloten frühzeitig mitteilte, dass es 2010 wohl keine Stiggy-Mannschaft mehr geben würde. Dieser Fall trat dann auch ein, doch Haslam hatte früh genug Zeit gehabt, um sich um einen anderen Platz zu kümmern. Er landete im Suzuki-Werksteam bei Alstare.

Leon Haslam will die Suzuki bändigen., Foto: Alstare
Leon Haslam will die Suzuki bändigen., Foto: Alstare

Mit Gesamtrang zwei beim Test in Valencia letzten Dezember und nun erneut Rang zwei beim Test in Portimao hat Haslam gezeigt, dass er wohl keine Eintagsfliege ist. "Ich denke, dass wir ein gutes Gesamtpaket haben, um um den Titel zu kämpfen", hatte er sich nach Portugal optimistisch gezeigt und große Ziele angeprangert. Den Verantwortlichen bei Suzuki dürfte dies mehr als recht sein, schließlich feiert die Marke in 2010 das 50. Rennsport-Jubiläum. Ob allerdings die Schwierigkeiten in Sachen Abstimmungsfenster an der GSX-R1000 nach 2009 verbessert werden konnten, ist noch ungewiss.

Toseland muss sich warm anziehen

James Toseland wird in 2010 den meisten Druck wohl aus dem eigenen Team bekommen. Sein Landsmann Cal Crutchlow hat überhaupt keinen Respekt vor dem MotoGP-Rückkehrer und fuhr ihm bei allen Tests vor der Nase herum. Der Supersport-Weltmeister denkt gar nicht daran, vor Toseland zu kuschen. Der wiederum ist mit nur einem logischen Ziel zurück in die Superbike-Szene gekehrt: Er will seinen dritten WM-Titel auf der dritten Marke. Mit Ducati und Honda hat er schon gewonnen. Außerdem ließ der Hobby-Musiker auch durchblicken, dass er den Rekord von Landsmann Carl Fogarty (Weltmeister 1994/95 und 1998/99) gern knacken würde. Doch in Portimao fehlte Toseland rund eine Sekunde auf die Spitze.

Die Yamaha-Piloten und alle die, die die Weltmeister-R1 von Spies bislang fahren durften sind sich auch einig: So überragend ist das Motorrad dann doch nicht, der Fahrer hat hier im letzten Jahr den Unterschied ausgemacht. Toseland und Crutchlow haben also noch viel Arbeit vor sich.

Die Portimao-Ducati-Komponente

Das Ducati-Werksteam testete in den letzten zwei Wochen erstmals seit dem Saisonfinale 2009. Und in Portimao kamen Haga und Fabrizio auch damals schon nicht sonderlich gut zurecht, hatten mit vielen Problemen zu kämpfen. Die Ränge fünf und sechs sind da wenig realistisch. In Valencia waren sie diese Woche schon wieder vorn bei der Musik dabei, doch sind auch die dortigen Zeiten wenig aussagekräftig. Der Asphalt war dazu einfach zu kalt.

Ducati mit altbewährter Paarung: Haga/Fabrizio., Foto: Ducati
Ducati mit altbewährter Paarung: Haga/Fabrizio., Foto: Ducati

Fakt ist, dass mit Haga und Fabrizio ab dem Auftakt auf Phillip Island zu rechnen ist und sich vermutlich die Platzierungen der Markenkollegen Carlos Checa und Shane Byrne relativieren werden. Checa war zwar in Valencia der schnellste Mann gewesen, doch muss man hier fragen: Wo soll er sonst schnell sein, wenn nicht dort? Und Byrne mochte zum Beispiel Portimao schon immer.

Klare Favoriten

Neben Rea, Haslam, Haga, Fabrizio und Cruchtlow gehört auf die Favoritenliste noch mindestens ein weiterer Name: Max Biaggi. Der Italiener geht mit der Aprilia RSV4 in die zweite Saison und hat schon letztes Jahr das Potenzial dieses Bikes durchschimmern lassen. Er fühlt sich in seiner Truppe auch sauwohl und das dürfte für den Römer eine der entscheidenden Komponenten sein, um jedes Wochenende um den Sieg und damit den Titel zu fighten. Teamkollege Leon Camier hingegen wird es aus vielerlei Hinsicht schwer haben. Zum Einen ist er als Brite in einem italienischen Team mit einem italienischen Stammfahrer - der auch noch Max Biaggi heißt- und zum Anderen ist er 2010 ein Rookie, kennt die meisten Strecken nicht. Auch die Aprilia ist noch eine relativ neue Lady für den amtierenden BSB-Champion.

Deutsche Fahrer und Motorräder

Nach der absolut verkorksten Saison 2009 ist Max Neukirchner endlich wieder zurück im Geschehen. Mit der Ten Kate Honda hat er definitiv eines der besten Motorräder des gesamten WSBK-Zirkuses unter dem Hintern. Die Stürze und Verletzungen sind abgearbeitet und vergessen und der Sachse schaut optimistisch nach vorn. Momentan wird noch tiefgestapelt. Neukirchner will und soll wieder ein Gefühl für das Motorrad erarbeiten und es zunächst etwas ruhiger angehen. Doch sicher ist schon auf Phillip Island wieder mit ihm zu rechnen - schließlich ist dies seine absolute Lieblingsstrecke.

Neukirchner soll erst wieder Gefühl fürs Bike finden., Foto: Ten Kate Racing
Neukirchner soll erst wieder Gefühl fürs Bike finden., Foto: Ten Kate Racing

BMW hat für 2010 eine Kohle nachgelegt. Troy Corser und Ruben Xaus werden erneut die Fahrer des Werksteams bilden. Es wird erwartet, dass man in der neuen Saison häufiger in die Spitze vor sticht und eventuell auch den einen oder anderen Podestplatz herausfahren kann. Der Vorteil gegenüber dem letzten Jahr ist, dass man in 2009 Unmengen an Daten hatte sammeln können, auf die man nun zurückgreifen kann. Dies sollte logischerweise bedeuten, dass man schon am Freitag viel weiter vorn beginnen kann, als das in der letzten Saison möglich war.

Andrew Pitt und Roland Resch werden im privaten Reitwagen-Team ebenfalls auf die BMW S1000RR setzen. Prinzipiell ist dazu zu sagen, dass hier wohl die intensivste Saisonvorbereitung betrieben wird. Seit Weihnachten ad acta gelegt wurde, befindet sich der Österreicher Resch in Down Under, um mit Pitt zu trainieren. Auch die Bikes werden schon sehr gewissenhaft vorbereitet. Alles in allem dürfte man bei ihnen mit vereinzelten Top Ten-Platzierungen rechnen, vielleicht mit ein paar Überraschungen mehr.

Ist die Hoffnung grün?

Wohl kaum. Chris Vermeulen und Tom Sykes sollen Kawasaki zurück an die Spitze der Superbike WM führen. Bei den ersten Testfahrten "versteckte" man sich in Almeria und scheute den direkten Vergleich mit der Konkurrenz. In Portimao fuhr man dann dort herum, wo man es von der Kawasaki ZX 10R Ninja gewohnt ist - im hinteren Mittelfeld. Und Roger Lee Hayden wird sich im privaten Pedercini-Team als Rookie auf Kawa auch keinen gefallen getan haben.