Es war schon eine schockierende Mitteilung, die der Italiener Davide Tardozzi diese Woche zu machen hatte. Nach fast 20 Jahren in der Ducati-Familie hängt der aller erste Doppelsieger eines Superbike WM-Rennens überhaupt - 1988 in Hockenheim - seinen Job als Teamchef der Werkstruppe in der Superbike WM an den Nagel. "Es ist eine Entscheidung, die schon vor ein paar Monaten in meinem Kopf herumschwirrte, aus persönlichen Gründen", seufzte er, ehe er zur großen Erklärung gegenüber Superbikeplanet.com ansetzte. "Seit fast zwanzig Jahren, erst als Fahrer, dann als Manager, bin ich hier. Und in den letzten paar Monaten fand ich nicht mehr die Freude an der Arbeit, meinen Job zu machen, wie ich sie zuvor hatte. Dann begann ich darüber nachzudenken, dass ich 100 Prozent meines Kopfes, meines Körpers, meines Alles geben muss, um den Job ordentlich zu machen." Schließlich sei sein erster Job, die Fahrer und das Team zu motivieren. Und das geht eben nicht, wenn der Motivator an Motivationslosigkeit leidet. "Das sagte ich Claudio und Filippo, Claudio Domenicali und Filippo Preziosi."

Die Ducati-Bosse Domenicali und Preziosi waren nicht nur von Anfang an auf der Seite Tardozzis, sondern freuten sich vor allem über die Offenheit ihres Landsmannes. Gemeinsam entschied man dann, das Jahr 2009 so gut es ging über die Bühne zu bekommen. Die Bosse unterstützten Tardozzi dabei. "Am Ende gab es mir, ehrlich zu Ducati gewesen zu sein, so viel, gab mir alles, verstehst du? Es ist eine ehrliche Sache, die ich mit Ducati mache. Das bedeutet, dass ich noch immer einen gültigen Zweijahresvertrag habe, aber ich habe Claudio und Filippo gebeten, diesen Vertrag aufzulösen, um mich versuchen zu lassen, eine andere Aufgabe auszuprobieren."

Es sei einfach an der Zeit gewesen, etwas Neues zu tun. Dabei betonte Tardozzi mehrfach, wie großartig und vor allem menschlich er von Domenicali und Preziosi unterstütz wurde. "Das lässt mich einmal mehr denken, dass Ducati mir sehr viel gegeben hat, auch in diesem für mich persönlich schwierigen Moment. Ich möchte mich bei den Fahrern und meinen Jungs bedanken, den Mechanikern. Dafür, was sie für mich gemacht haben, dass sie mich gut und besser sein ließen in diesen Jahren. Aber jetzt ist Zeit für Veränderung."

Bayliss und Tardozzi sind gute Freunde, feierten viele Erfolge gemeinsam., Foto: Ducati
Bayliss und Tardozzi sind gute Freunde, feierten viele Erfolge gemeinsam., Foto: Ducati

"Es kommt der Moment in deinem Leben, wo du siehst und fühlst, dass du etwas anderes machen musst. Mein Moment ist jetzt. Ich habe das Claudio und Filippo erklärt und sie verstanden es wirklich und ich bin darüber sehr glücklich. Jetzt denke ich, warte und wette. Auf mich. [Lacht] Wir werden sehen."

Entscheidung und WM-Ausgang haben nichts gemein

Sein Entscheidung habe aber nicht mit dem Ausgang der diesjährigen Superbike WM zu tun und dass man den Titel mit Noriyuki Haga um sechs Punkte auf Ben Spies verpasste. "Als ich diese Entscheidung traf, war mein Ziel, sie nach dem Gewinn der Meisterschaft zu verkünden. Denn ich mag es, was Troy letztes Jahr gemacht hat - sich mit dem Titel in der Tasche zu verabschieden", beteuerte Tardozzi. Doch den Titel hatte er letzten Endes nicht, brachte aber der Konkurrenz trotzdem sehr viel Respekt und Anerkennung entgegen. "Leider gab es da dieses Jahr jemanden wie Ben Spies. Am Ende verdient er den Titel aber. Er ist ein Champ. Wir haben alles gegeben, um ihn zu schlagen. Leider schafften wir es nicht. Wir waren so nah dran, aber nochmal, der Ausgang der Meisterschaft ist absolut nicht der Grund. Wir arbeiten sehr gut in dieser Meisterschaft, mit den Fahrern, mit dem Team, auch wenn wir verloren. Ich wollte diese schöne Atmosphäre nicht zerstören und ich sprach mit niemandem darüber, außer mit meiner Frau."

Tardozzi betonte mehrfach, dass Spies den WM-Titel verdient gewonnen hat und man das letzte Rennen von Portimao, wo Noriyuki Haga die WM-Führung und die Meisterschaft verlor, nicht als bezeichnend für die Saison nehmen kann. "Es sind nicht diese sechs Punkte Unterschied. Ben hat die Situation im zweiten Lauf einfach kontrolliert. Fehlende Stallorder oder was auch immer in Imola passierte, ist die Entscheidung von Ducati. Das, was wirklich in Imola passierte, wissen nur zwei Personen von uns wirklich und ich denke, dass wir das für uns behalten", kommentierte er noch einmal den Vorwurf, dass Michel Fabrizio im zweiten Rennen in Imola vor Teamkollege Haga gewann und dem Japaner damit fünf Punkte stahl. "Wir wissen nicht was passiert wäre, wenn Imola anders gelaufen wäre. Bedeutet: Wir wissen, was wir entschieden, wir wissen es. Wir wissen alle, wie es war. Aber ob es anders hätte sein können oder nicht, wird nie jemand erfahren. Was ich meine ist, dass nach 28 Rennen normalerweise die Abschlusstabelle auch die Wahrheit sagt. Daher müssen wir Ben ehren, denn er war der beste Fahrer und verdient den Titel."

Dass Tardozzi die Motivation für seinen Job verloren habe, weil sein guter Freund Troy Bayliss Ende der Saison 2008 aufhörte, streitet er vehement ab. "Wir und ich wollten beweisen, dass wir auch ohne Troy gewinnen können", erklärte er. "Wir haben wirklich hart daran gearbeitet, Nori gewinnen zu lassen - aus zweierlei Gründen. Zuerst für uns, um zu beweisen, dass wir auch ohne Troy siegen können. Und zweitens um Nori zu helfen, nachdem er es so viele Jahre bei Yamaha nicht geschafft hat. Das war eine Doppel-Wette für uns. Wir haben verloren und ich schätze mal, weil wir jemanden vorfanden, der wirklich fantastisch war… der wirklich fantastisch ist. Das ist Ben. Leider machte er uns das Leben schwer, denn ich denke und ich fühle, dass unsere zwei Piloten einen wirklich sehr sehr guten Job gemacht haben. Zweiter und Dritter zu sein ist eine sehr gute Sache, ein sehr sehr sehr gutes Resultat. Den Hersteller-Titel zu gewinnen beweist auch, dass das Bike und das Team einen guten Job gemacht haben. Wir hatten ein schlimmes Problem mit dem Namen Ben Spies. Aber noch einmal. Ben verdient es."

Über seine Zukunft kann Tardozzi noch nicht viel sagen. Derzeit ist er mit seiner Frau auf den Seychellen. "Aber das war auch vorher schon unser Plan. Ich renne vor nichts weg, aber dieser Urlaub war schon monatelang geplant." Erst danach will er sich um das Weitere kümmern. "Wenn ich zurückkomme, setzte ich mich an meinen Computer und werde schauen, ob in meiner E-Mail-Box irgendwelche Nachrichten von irgendjemandem sind."

Die Frage, ob er dennoch weiter im Motorsport arbeiten wolle, beantwortete Tardozzi mit Nachdruck: "Hör mal zu! Das ist etwas, worauf ich wette. Denn meine Entscheidung mit einem gültigen Vertrag bei Ducati war nur für mich. Ich werde sehen und muss verstehen, ob Davide Tardozzi jemand ist, der in einem anderen Teil der Firma Ducati nützlich sein kann. Das ist etwas, was ich sehen und für mich selbst probieren muss. Ich will wissen, ob ich bin und was ich bin und ich tat was ich tat nur, weil ich bei Ducati bin. Vielleicht gibt es da aber auch jemanden der glaubt, dass ich etwas für ihn tun kann.