Timo Glock hat bei seinem zweitägigen Oval-Test auf der "Milwaukee Mile" einen schweren Unfall mit leichten Verletzungen überstanden. Der Champ Car-Neuling krachte kurz vor Ende des zweiten Testtages mit hoher Geschwindigkeit rückwärts in die Mauer. Die Kräfte, die beim Einschlag auf den Odenwälder wirkten, waren ähnlich hoch wie jene beim Unfall von Ralf Schumacher beim Formel 1-Grand Prix der USA 2004 in Indianapolis, als dieser sich Wirbelbrüche zugezogen hatte. Glock kam jedoch mit Prellungen und einem angeknacksten Schlüsselbein glimpflicher davon als Ralf Schumacher.

Das Aushängeschild der Deutsche Post Speed Academy absolvierte in Milwaukee seinen Rookie-Test, in dessen Rahmen er auf die besonderen Anforderungen der US-typischen Ovalrennen vorbereitet werden sollte. Genau eine dieser speziellen Erfordernisse des US-Motorsports wurde Glock dann am Mittwoch zum Verhängnis. In bewährter Manier hatten Pilot und Team sich im Verlauf der ersten eineinhalb Testtage zunächst sukzessive gesteigert. Unmittelbar vor dem Unfall hatte Glock noch seine persönliche Bestzeit hingelegt – mit einem Rückstand von nur sechs Zehntelsekunden auf den Schnellsten beider Testtage.

Das Rocketsports-Team nahm dann noch eine Änderung an der Abstimmung vor, die Glock auf seinem letzten Turn gegenchecken sollte – nach inzwischen schon 89 absolvierten Runden auf der Milwaukee Mile. Dabei war der gelernte Gerüstbauer bei allen Zwischenzeiten erneut schneller als auf der Runde zuvor. Doch dann kam ihm der US-Amerikaner A.J. Allmendinger in die Quere. Das amerikanische Jungtalent wollte in die Boxengasse einbiegen und fuhr deswegen in der Steilwand in langsamer Fahrt unterhalb von Glock, nachdem er wenige Sekunden vorher die Fahrspur gewechselt hatte.

Die Kombination aus Fahrbahnwechsel und langsamer Fahrt unter Glocks Ideallinie in der Steilkurve führte zu Luftverwirbelungen, wie sie im in Europa bekannten Motorsport auf herkömmlichen Rennstrecken nie vorkommen können: Eine Mischung aus den aus der Luftfahrt bekannten Wirbelschleppen hinter startenden oder landenden Maschinen durch den Fahrspurwechsel einerseits und einen Unterdruck auf der oberen, Glock´schen, Fahrspur andererseits, weil der Windschatten des auf der unteren Linie fahrenden Mitstreiters sich nicht nur – wie auf flachen Strecken – hinter dessen Auto ausbreitet, sondern auch nach oben in die Steilkurve hinein zieht.

Dieser besondere aerodynamische Effekt hat zur Folge, dass sich der oben im Oval vorbei zischende Wagen plötzlich destabilisiert. Im Fall von Glock wurde die Heckpartie urplötzlich nervös. Glock folgte seinem von der Rundstrecke bekannten Rennfahrerinstinkt, in solchen Situationen zunächst einmal vom Gas zu gehen. Damit war der ChampCar-Neuling im Oval aber falsch bedient: Die Fliehkräfte in der Steilkurve rissen das Heck blitzartig herum, sodass Glock keine Zeit mehr hatte, noch mit Gegenlenken zu reagieren.

Dreher und rückwärtiger Einschlag ereigneten sich bei Geschwindigkeiten von weit über 280 km/h binnen Sekundenbruchteilen. Die Wucht des Aufpralls wird allein schon dadurch deutlich, dass das Differenzial von Glocks Lola-Ford etwa 150 Meter von der Unfallstelle entfernt gefunden wurde. Glock wurde nach dem Crash in eine Klinik in Milwaukee gebracht, wo die Ärzte lediglich Prellungen am ganzen Körper und ein angeknackstes Schlüsselbein diagnostizierten und ihn nach eingehender Untersuchung wieder entließen.

Seither teilt er sich an der Meile ein Hotelzimmer mit John Gentilozzi, dem Sohn von Rocketsports-Teamchef Paul Gentilozzi. Der Filius kümmert sich um die Pflege von Glock, dessen Bewegungsradius aufgrund der schweren Prellungen und der damit verbundenen Schmerzen stark eingeschränkt ist. Dennoch verlor der letztjährige Jordan-Formel-1-Pilot nicht seinen Humor: "Ich bin jetzt zwar am ganzen Körper grün und blau – aber wenn ich die Runde zuende gefahren wäre, dann wäre ich sicher Testschnellster gewesen! Und in zwei Wochen in Mexiko werde ich wieder fahren."