Die Rallyecross-WM bog am vergangenen Wochenende in Montalegre auf die Zielgerade der WRX-Saison 2024 ein. Eine Saison, die um ein Haar überhaupt nicht stattgefunden hatte. Denn die Serie stand nach einem folgenschweren Feuer im Vorjahr auf der Kippe. Bei einem Brand im Rahmen des Rallyecross-Events in Lydden Hill wurden zwei vollelektrische Lancias vollkommen zerstört. Die Folge war eine lange Untersuchung. Die Saison 2023 musste mit Autos der RX2e-Klasse zu Ende gefahren werden.

Für 2024 orientierte sich die Rallyecross-Weltmeisterschaft deshalb neu und machte aus der Not eine Tugend. Anstatt mit dem reinen Elektro-Konzept fortzufahren, das 2022 sein Debüt in der Meisterschaft gefeiert hatte, sattelte die WRX auf einen 'Kampf der Technologien' um. Während die Elektro-Antriebe der Serie erhalten blieben, sind 2024 auch wieder Verbrenner erlaubt – ausgestattet mit e-Fuels.

Elektro gegen Verbrenner: Das einzigartige Konzept der Rallyecross-WM

Ein Konzept, das in der Motorsport-Welt seines gleichen sucht und aus kommerzieller Sicht den positiven Effekt verspricht, mehrere Märkte gleichzeitig zu erreichen, wie Arne Dirks, Geschäftsführer der Rallycross Promoter GmbH, die sich um die kommerzielle Vermarktung der Serie kümmert, erklärt: "In Asien liegt der Fokus im Moment sehr stark auf Elektroautos. In Europa geht der Trend im Moment dazu, dass man anstelle von 100 Prozent Elektro auch Verbrenner beibehalten will. Und wir als Meisterschaft bieten beiden zukunftsfähigen Technologien eine Bühne."

Ähnlich verhält es sich auch mit den Fanlagern. In Europa, wo Rallyecross den Großteil seiner Popularität vor allem aus dem skandinavischen Raum gewinnt, ist die Fanbasis dem Elektro-Antrieb im Motorsport gegenüber skeptisch eingestellt. Der Umstieg in eine vollelektrische Serie war in der Fanszene des Sports also umstritten und die Verbrenner-Rückkehr von den Anhängern der Serie erwünscht. "Ich denke, dass wir mit diesem Konzept viele traditionelle Fans zurückgewonnen haben, die wir vielleicht verloren hatten", so Dirks.

"Andererseits glaube ich, dass wir durch EV auch neue Fans gewonnen haben", fügt er hinzu. Dabei bezieht er sich wiederum vor allem auf den asiatischen Markt, wo man 2023 erstmals in der Innenstadt von Hongkong gastierte. Ein Event, das trotz der Nutzung der leistungsschwächeren RX2e-Klasse reges Zuschauerinteresse hervorrief und als voller Erfolg verbucht wurde.

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Rallyecross: WM-Finale 2023 in Hongkong, Foto: Red Bull Content Pool

'Equivalence of Technologies': So funktioniert der Technologie-Kampf in der WRX

Um beide Antriebsarten zu nivellieren, herrscht in der Rallyecross-WM eine 'Equivalance of Technologies'. Diese Gleichstellung der Technologien sieht wie folgt aus, dass die Elektroautos etwa 100 PS mehr zur Verfügung haben, um ihr höheres Gewicht zu kompensieren. Während etwa der Peugeot 208 RX1e vom Hansen World RX Team mit 1440 Kilogramm (inklusive Fahrer) auskommt, bringen die Konkurrenten mit Verbrennern etwa 1280 Kilo auf die Waage.

Ob diese Angleichung erfolgreich verlaufen ist, darüber scheiden sich im Paddock die Geister. Vor allem die Elektro-Sektion sieht sich im Moment im Nachteil. "Die Benzin-Autos haben einen zu großen Vorteil mit dem Gewicht. Niemand hatte wirklich erwartet, dass das Gewicht so viel ausmachen würde", sagte Kevin Hansen, der gemeinsam mit seinem Bruder Timmy für das Familien-Team mit einem Elektro-Peugeot an den Start geht, gegenüber Motorsport-Magazin.com.

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Rennaction in der WRX: Hier führt Kevin Hansen im Peugeot 208 RX1e vor zwei Verbrennern, Foto: Red Bull Content Pool

Bei den bisherigen acht Renntagen der WRX-Saison 2024 gingen drei Siege an Elektro-Autos, fünfmal war ein herkömmlicher Antrieb erfolgreich. Allerdings gingen auch sämtliche dieser fünf Erfolge auf das Konto des sechsfachen Rallyecross-Weltmeisters Johan Kristoffersson, der bereits in den vorherigen beiden Jahren ohne unterschiedliche Technologien die WM in einer ähnlichen Manier im Griff hatte.

"Die Rundenzeiten sind insgesamt sehr ähnlich", ist Dirks deshalb von der Leistungs-Konstellation überzeugt. Da im Gegensatz zur vor allem aus dem GT3-Sport bekannten 'Balance of Performance' in der Rallyecross-WM keine laufenden Anpassungen vorgenommen werden, spielt die Streckencharakteristik auch eine bedeutende Rolle.

Start beim Final-Rennen der Rallyecross-WM WRX in Montalegre (Portugal)
WRX in Montalegre: Die Elektroautos waren am Start im Vorteil, Foto: Red Bull Content Pool

In Montalegre konnten die Elektro-Autos beispielsweise aus der langen Start-Ziel-Gerade profitieren und ihren Beschleunigungsvorteil am Start ausspielen. Dort gelang Kevin Hansen im Sonntagslauf auch sein erster Saisonsieg, nachdem sich am Samstag noch Kristoffersson nach einem harten Dreikampf vor Niclas Grönholm und Kevin Hansen durchgesetzt hatte. Insgesamt führt der sechsfache Weltmeister inzwischen 46 Punkte vor dem jüngeren Hansen-Bruder die WM an. Bei noch 60 verfügbaren Punkten ist ihm der siebte Weltmeister-Titel kaum mehr zu nehmen.

Wie sieht die Zukunft der Rallyecross-WM aus?

Wie das langfristige Konzept der Serie aussehen soll, steht noch in den Sternen. Für die Zukunft hofft Dirks darauf, dass das Duell Elektro vs. Verbrenner möglicherweise auch noch um weitere Technologien ergänzt wird. "Der Kampf der Technologien bezieht sich nicht notwendigerweise auf EV gegen Verbrenner. Er könnte auch eine Einführung von Wasserstoff oder anderer Technologien, die in Zukunft aufkommen, beinhalten", so Dirks.

Kurzfristig liegt eine der zentralen Herausforderungen der Meisterschaft wohl darin, das Starterfeld wieder zu vergrößern. Im Moment besteht dieses in der Topklasse nämlich aus nur acht Vollzeit-Fahrzeugen – vier Verbrenner, vier Elektro. In den ersten Jahren der WM, die 2014 ihr Debüt feierte, waren 20 Starter oder mehr keine Seltenheit, auch nach dem werksseitigen Ausstieg von VW, Peugeot und Audi 2018.

Die Kosten sind im Championat, das ausschließlich aus Privatteams besteht, der entscheidende Faktor. "Die FIA arbeitet daran, die WRX günstiger zu machen", betont Dirks. Eine Kostendeckelung befindet sich auch im Gespräch. Das kleine Feld ist zu einem gewissen Maße aber auch die Folge des Elektro-Wechsels 2022. Durch diesen wechselten viele Privatteams aus der Weltmeisterschaft in die EM, wo sie mit ihrer vertrauten Technologie weitermachen konnten, und auch bessere Erfolgsaussichten haben.

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Foto: Red Bull Content Pool

Infolge der Verbrenner-Rückkehr könnte sich diese Tür wieder öffnen. Die Ressourcen für eine WM-Teilnahme müssen aber erst wieder aufgebaut werden. Ex-Weltmeister Timmy Hansen erklärte: "Ich würde mich sehr freuen, wenn einige der Fahrer aus Europa in die WM aufsteigen würden und wir damit in der Weltmeisterschaft ein größeres Feld haben."

Er warnt aber davor, dem kleinen Starterfeld in der Topklasse zu viel Bedeutung über den allgemeinen Zustand des Sportes beizumessen. "Der Sport ist gesund. Es gibt so viele Teams und Starter, auch wenn wir natürlich die großen Hersteller von vor fünf oder sechs Jahren vermissen. Aber im Moment deutet alles in die richtige Richtung", ist er überzeugt.

Rallyecross-WM 2025: Wie sieht der Rennkalender aus?

2025 will die Meisterschaft nach dem erzwungenermaßen auf fünf Events komprimierten Kalender dieses Jahres zu einem ausgedehnteren Rennkalender zurückkehren. Neben den gewohnten Austragungsstätten der vergangenen Jahre soll ein Event im Rahmen eines Automobil-Festivals in der britischen Stadt Coventry abgehalten werden.

Außerdem blickt die Rennserie weiter über den Tellerrand Europa hinaus. "Der Plan ist es, auf drei oder sogar auf vier Kontinenten zu fahren", verriet Dirks. 2024 findet mit dem Final-Wochenende, das im Oktober in China über die Bühne geht, nur ein Event außerhalb Europas statt. In der Vergangenheit gastierte die WRX regelmäßig in Südafrika und in den Jahren vor der Corona-Pandemie war auch ein Lauf in Kanada eine Fixstelle im Kalender.