Wieder einmal wird eine IndyCar-Saison im letzten Rennen der Saison entschieden. Das ist die letzten Jahre der Normalfall gewesen und das neue Auto und die neue Wettbewerbssituation auf dem Motorenmarkt haben daran nichts geändert. Will Power will im dritten Anlauf endlich seinen ersten IndyCar-Titel holen, nachdem er zuvor zweimal knapp von Dario Franchitti geschlagen wurde. Ryan Hunter-Reay ist derjenige, der nichts zu verlieren hat. Nur wenige hatten den Andretti-Autosport-Piloten vor der Saison auf der Rechnung. Dennoch spricht vieles für Power.

Der Penske-Pilot kennt die Situation: Bereits 2010 und 2011 kam der Australier als Titelanwärter ins Finale, wurde jedoch beide Male von Dario Franchitti abgefangen, 2011 unter tragischen Umständen, als Power in den tödlichen Unfall von Dan Wheldon verwickelt war und die Meisterschaft in jenem Moment zweitrangig wurde, zumal er selbst ins Krankenhaus musste. 2012 war er der dominierende Mann auf Straßenkursen, hatte aber immer wieder Pech. Vom reinen Speed her hätte Power diese Saison mindestens doppelt so viele Rennen gewinnen müssen wie seine bisherigen drei.

Meist der Schnellste, doch seit April sieglos

Ginge es nach reinem Speed, wäre Will Power schon lange Meister, Foto: IndyCar/LAT USA
Ginge es nach reinem Speed, wäre Will Power schon lange Meister, Foto: IndyCar/LAT USA

Die beiden letzten Rennen zeigen, wie es häufig in der Saison gelaufen ist: Will Power bestimmte vom Start weg das Geschehen und sah schon nach wenigen Runden wie der sichere Sieger aus. Doch dann kam immer irgendetwas dazwischen, was dazu geführt hat, dass Power seit Sao Paulo im April kein Rennen mehr gewinnen konnte. In Sonoma kam er zum Boxenstopp, kurz bevor das Safety Car auf die Strecke kam. Einige Kontrahenten nahmen viel Gas raus und tuckerten über die Strecke, Power konnte nur hinterher schleichen und durfte nicht überholen. Ryan Briscoe fuhr volles Rohr zum Boxenstopp und überholte so den bis dahin überlegen führenden Power.

Andere Situation, gleiches Resultat in Baltimore: Power holte überlegen die Pole und stürmte dem Feld auf und davon. Nach wenigen Minuten begann es zu regnen; Power kam an die Box, um Regenreifen aufzuziehen, Hunter-Reay blieb auf Slicks draußen. Eigentlich traf das Penske-Team die richtige Entscheidung, denn Power war sofort über fünf Sekunden schneller als die Konkurrenz auf Trockenreifen. Doch während des Regenschauers crashten mehrere Piloten, was mehrere Safety-Car-Phasen auslöste. Power konnte seinen Speed nicht ausspielen und als das Rennen wieder freigegeben wurde, war die Strecke wieder trocken, Hunter-Reay gewann.

Hunter-Reay im Oval ebenbürtig

Der Andretti-Autosport-Pilot hatte ebenfalls sein Pech im Laufe der Saison: In Mid Ohio warfen ihn Motorprobleme zurück, in Sonoma wurde er umgedreht und verlor eine Runde. Der Amerikaner hatte einen unglaublichen Lauf zu Mitte der Saison, als er drei Rennen in Folge gewann, zwei davon auf Ovalen. Und das bringt ihn in eine gute Ausgangsposition: Gilt Power auf Straßenkursen als fast unschlagbar, ist auf Ovalstrecken keinerlei Überlegenheit zu spüren. In der Vergangenheit wurde bei ihm sogar eine Ovalschwäche diagnostiziert, die er jedoch mittlerweile ausgemerzt hat. Schon 2011 gewann er sein erstes Ovalrennen.

Ryan Hunter-Reay könnte der erste US-Titelträger seit Sam Hornish Jr. 2006 werden, Foto: IndyCar/LAT USA
Ryan Hunter-Reay könnte der erste US-Titelträger seit Sam Hornish Jr. 2006 werden, Foto: IndyCar/LAT USA

Trotzdem sehen viele Experten die Lage vor dem Finale als ausgeglichen an: Der Superpeedway in Fontana hat seine eigenen Gesetze, wenn es am späten Sonntagabend über 500 Meilen geht. Bei Spitzengeschwindigkeiten von 400km/h wird der kleinste Fehler bestraft, sieben bis acht Boxenstopps werden erwartet. Die Gelbphasen werden auch hier das Rennen entscheiden, der Benzinverbrauch eine wichtige Rolle spielen. So kommt es auch, dass Justin Wilson, der für Dale Coyne an den Start geht und 2012 bereits einmal im Oval gewinnen konnte, beide Titelkandidaten als gleich stark für das Finale einschätzt.

"Will liegt in der Wertung vorn, ist mittlerweile auf Ovalen stark und war die letzten beiden Jahre in dieser Position", analysiert der ehemalige Formel-1-Pilot in der Sun. "Aber Ryan hat nichts zu verlieren. Er hat bereits zweimal auf Ovalen gewonnen und sein Selbstvertrauen ist groß nach dem Sieg in Baltimore." Auch gibt er zu, dass es bei einem solch langen Rennen auch auf das Glück ankommt. Power hat vor dem Finale 17 Punkte Vorsprung, was nicht viel ist, wenn man bedenkt, dass ein Sieg alleine 50 Punkte wert ist. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Finale bei aller Spannung nicht so tragisch endet wie 2011.