Das Sommermärchen ist geschrieben und die Hauptrollen sind vergeben: Patric Niederhauser und Teamkollege Kelvin van der Linde haben das ADAC GT Masters 2019 gewonnen. Damit tragen sich die beiden HCB-Rutronik Racing-Piloten ein in die Geschichtsbücher der "Liga der Supersportwagen": Seit Beginn des ADAC GT Masters im Jahr 2007 wurde der Fahrertitel jedes Mal am letzten Rennwochenende entschieden. Bis jetzt. Bei Kaiserwetter gewannen Niederhauser und van der Linde das drittletzte Rennen der Saison und fuhren einen Vorsprung von 55 Punkten auf die nächsten Verfolger heraus. Damit sind sie am Finalwochenende nicht mehr einzuholen.

Dabei hatte Niederhausers Heimspiel auf dem Hockenheimring die gesamte Palette an Emotionen zu bieten. Als Teamkollege van der Linde im ersten Lauf auf Podestkurs lag, wurde gegen den Audi R8 LMS mit der Startnummer 31 eine nachträgliche Zeitstrafe von 30 Sekunden verhängt. Der durchaus strittige Grund: Die Rennleitung entschied, dass van der Linde unter gelben Flaggen überholt hat. Damit fielen Niederhauser und van der Linde von Platz drei auf die neunte Position zurück. Der Frust saß tief. Doch der Schweizer ist nicht nur pfeilschnell und talentiert, sondern auch ein Kämpfer, der niemals aufgibt.

Am Sonntag war das erste Rennen schon wieder Schall und Rauch. Van der Linde holte eine beeindruckende Pole Position und brachte das Fahrerduo in die ideale Ausgangslage für den Gewinn der Meisterschaft. Einer der beiden Hauptkonkurrenten schied vorzeitig aus und der andere musste das Rennen von weiter hinten in Angriff nehmen. Van der Linde behauptete die Führung und übergab das Auto mit Vorsprung an Niederhauser. Der Schweizer aus Kehrsatz im Kanton Bern brachte Platz eins sicher über die Ziellinie.

Mit Platz vier im ersten Freien Training deuteten die beiden HCB-Rutronik Racing-Piloten bereits an, dass sie den Titel unbedingt vor dem letzten Rennwochenende in trockene Tücher bringen wollten. Niederhauser fuhr das erste Qualifying und gab diesmal Dennis Marschall im Schwesterauto den Vortritt, der seine erste Pole Position im ADAC GT Masters eingefahren hat. Dem Schweizer fehlte auf Platz vier lediglich eine Zehntelsekunde.

Im besten Fall können Niederhauser und van der Linde den Fahrertitel um eine weitere Trophäe ergänzen. In der Teamwertung liegt ADAC GT Masters-Neueinsteiger HCB-Rutronik Racing in Führung. Beim Saisonfinale auf dem Sachsenring vom 27. bis 29. September haben die Beiden also beste Chancen auf den Gewinn der Teamwertung.

Das Meisterauto geht 2020 mit der Startnummer 1 in die Saison, Foto: Gruppe C Photography
Das Meisterauto geht 2020 mit der Startnummer 1 in die Saison, Foto: Gruppe C Photography

Patric, du hast einen langen Weg im Motorsport hinter dir, hast eine Menge erlebt, hast Berg- und Talfahrten durchlebt. Ist der Gewinn des ADAC GT Masters dein vorläufiges Opus magnum?
Patric Niederhauser: Ja, das kann man so stehen lassen. Mir fehlen gerade noch die Worte. Ich habe in meiner Karriere einiges erlebt und habe einen steinigen Weg hinter mir. Es ist so wunderbar, meine Familie bei diesem Meilenstein in meiner Karriere dabei zu haben. Ich habe meinen Vater bis heute mein Leben lang nicht weinen gesehen. Das ist schon alles sehr emotional und es wird noch ein Weilchen dauern, bis ich begriffen habe, was wir da geschafft haben. Wir hatten in den letzten Jahren sehr viel Pech. Vieles hat nicht so funktioniert, wie es sollte. Vor zwei Jahren wusste ich noch nicht einmal, ob meine Karriere überhaupt weitergehen wird. Ich hatte dann einfach Glück und hatte ein paar tolle Telefonate mit den richtigen Leuten. Es fühlt sich dadurch nur noch unglaublicher an.

Wie war denn die letzte Runde für dich?
Patric Niederhauser: Du bist normalerweise im Tunnel und voll fokussiert und realisierst erst nach Überqueren der Ziellinie, was du geschafft hast. Aber ich muss zugeben, dass das Sonntagsrennen schon eher entspannter war, nachdem Kelvin vor mir schon so einen tollen Job abgeliefert hat. Das Auto lief fantastisch und ich habe schon etwa fünf Runden vor Ende per Funk gefragt, wo denn unser größter Meisterschaftskonkurrent im Rennen liegt. Allerdings hat mir mein Team das nicht verraten. Sie meinten nur, ich solle so weitermachen. Selbst, als ich über die Ziellinie gefahren bin, hieß es über Funk erst noch "Warte einen Moment!" Als ich in der Auslaufrunde vor Kurve zwei "We are Champions!" durchgefunkt bekam, war ich einfach baff.

Du schienst in deinem Stint souverän. Gleichzeitig bist du kein unnötiges Risiko eingegangen. Wie hast du die zweite Rennhälfte erlebt?
Patric Niederhauser: Ich habe keinen Druck vom Auto hinter mir bekommen und war selbst mit wenig Risiko noch schneller als die Fahrer hinter mir. Ich habe versucht, so wenig wie möglich über die Randsteine zu fahren. Du hoffst natürlich, dass nichts passiert und kannst die schwarz-weiß-karierte Flagge einfach nicht abwarten.

Kelvin und du, ihr habt einen geschichtsträchtigen Titel eingefahren. Kein anderer Fahrer konnte sich in zwölf Jahren ADAC GT Masters vor dem Saisonfinale zum Meister krönen...
Patric Niederhauser: Das bedeutet mir natürlich sehr viel. Aber es zeigt, dass dieses Jahr einfach alles gepasst hat. Es ist auch mit Ausnahme des Samstagsrennens auf dem Hockenheimring wenig gegen uns gelaufen. Wir waren immer vorne mit dabei. Großen Dank an das Team. Mit einem guten Auto und einer guten Mannschaft im Rücken fährt man einfach besser und macht weniger Fehler. Kelvin und ich wussten einfach, dass wir den Support von oben haben. Fabian Plentz und Manuel Reuter sind ja beide Rennfahrer. Das macht die Zusammenarbeit zu etwas Besonderem.

Am Sachsenring habt ihr die Möglichkeit, für HCB-Rutronik Racing den Titel in der Teamwertung zu gewinnen...
Patric Niederhauser: Ich freue mich sehr auf den Sachsenring. Kelvin hat dort eine Megabilanz. Die Hälfte aller Siege, die er im ADAC GT Masters eingefahren hat, hat er auf dem Sachsenring geholt. Ich habe ebenfalls tolle Erinnerungen an die Strecke und unser Auto sollte dort gut gehen. Aber jetzt werden wir erstmal die Meisterschaft ordentlich feiern, natürlich mit dem einen oder anderen Schluck Bier. Aber wir wissen, dass wir auf dem Sachsenring noch einiges holen können.