Marcel Fässler war bei Audi eine Institution. Sieben Jahre lang fuhr der Schweizer für die Ingolstädter in Le Mans und feierte mit seinen Langzeit-Teamkollegen Andre Lotterer und Benoit Treluyer drei Gesamtsiege. Audis Ausstieg machte auch Fässler arbeitslos, doch ein Mann mit insgesamt elf Jahren Erfahrung in Le Mans musste nicht lange nach einer neuen Aufgabe suchen. 2017 greift Fässler mit Corvette nach dem Sieg in der GTE-Pro-Klasse. Motorsport-Magazin.com traf ihn vor dem Rennen zum Interview:

Vom LMP1-Audi in die GT-Corvette: Marcel, wie viel Wehmut fährt bei dir an diesem Wochenende mit, wenn die Prototypen an dir auf der Strecke links und rechts vorbei ziehen werden?
Marcel Fässler: Es wäre mehr Wehmut dabei, wenn Audi noch mitfahren würde und man quasi von seinem ehemaligen Auto überrundet werden würde. (lacht) Natürlich ist es ein anderes Gefühl für mich, denn Audi war in diesem Paddock einfach lange Jahre präsent - und ich war ein Teil davon. Ich bin aber niemand, der ständig zurück blickt und möchte mich auf diese neue Herausforderung mit Corvette konzentrieren. Hier will ich jetzt eine gute Leistung bringen.

Abseits der Strecke kannst du die Sache aber entspannter angehen, oder? Denn als Audi-Werksfahrer hat man ja neben den Rennfahren noch zig Verpflichtungen in Le Mans.
Marcel Fässler: Für Audi war Le Mans ein starkes Marketinginstrument. Für VIPs und Sponsoren brauchte man natürlich auch uns Fahrer, denn im Grunde ist die ganze Woche vor dem eigentlichen Rennen eine einzige Bühne. Bei Corvette ist das alles ein bisschen kleiner und wir haben weniger Termine im Vorfeld. Dieses Jahr ist es daher etwas weniger stressig für mich, wobei der sportliche Druck keinesfalls kleiner ist als bei Audi.

Marcel Fässler fuhr sieben Jahre lang Audis LMP1-Autos, Foto: Audi
Marcel Fässler fuhr sieben Jahre lang Audis LMP1-Autos, Foto: Audi

In dieser Hinsicht hast du ja von einem erfolgsverwöhnten Team zum nächsten gewechselt. Denn Corvette ist seit 18 Jahren ununterbrochen dabei und hat dabei acht Mal die GT-Klasse gewonnen.
Marcel Fässler: Ja, Corvette ist nicht viel weniger erfolgreich als Audi - aber eben in der GT. Ich freue mich, dass ich hier sein darf, denn Le Mans ist immer etwas Besonderes.

Wie sehr musst du deine Art Rennen zu fahren nach vielen Jahren im LMP1-Cockpit nun im GT-Auto umstellen?
Marcel Fässler: Es ist etwas ganz Anderes. Die Geraden fühlen sich deutlich länger an als im LMP1, aber auch die Rennstrecke an sich ist eine komplett andere Herausforderung. Schnelle Kurven, die im LMP1 sehr einfach mit Vollgas gingen, sind im GT-Boliden deutlich anspruchsvoller zu fahren. Ich muss mich eigentlich in allen Bereichen umgewöhnen, aber zum Glück kenne ich das Auto schon.

Wird das Rennen für dich auch anstrengender? Immerhin müssen die GT-Fahrer ja ständig ein Auge im Rückspiegel haben.
Marcel Fässler: Ich war überrascht, wie einfach das bereits im Training am Mittwoch ging. Die LMP2 haben mittlerweile mehr Topspeed und überholen uns dadurch schneller - das ist auch gut für uns. Unangenehm können aber die Bremsphasen werden, wenn einer versucht, sich in letzter Sekunde innen rein zu bremsen.

In der LMP1 stehen nur noch sechs Autos am Start. Die GT-Klassen und die LMP2 hingegen boomen. Sind das die Zugpferde zukünftiger Le-Mans-Auflagen?
Marcel Fässler: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Klassen gegenseitig ablösen und andere nachrücken. Wenn man zum Beispiel an die GT1 zurückdenkt, die ausgestorben ist und von der GT2 ersetzt wurde. Ich habe mit seit Audis Ausstieg aber keine Gedanken mehr um die LMP1-Klasse gemacht, daher müsste man diese Frage vermutlich den Herren vom ACO stellen.

Was müsste deiner Meinung nach passieren, um die LMP1 wieder attraktiver für die Hersteller zu machen?
Marcel Fässler: Grundsätzlich muss es billiger werden. Die Kosten sind enorm und die Budgets hoch. Da müsste man den Hebel zuerst ansetzen.

Keine Probleme hingegen hat die GT-Klasse. Wird dieser Aufwärtstrend in den kommenden Jahren anhalten?
Marcel Fässler: BMW soll ja kommen und wir haben schon jetzt fünf starke Hersteller. Die GT-Klasse hat tolle Werkseinsätze und die Leistungsdichte ist sehr hoch. In der GT-Klasse zu siegen ist nicht einfach, denn es gibt diesmal zwölf weitere Fahrzeuge, die gegen uns um den Sieg fahren. Wenn man hier triumphiert, dann darf man die gleiche Freude und den gleichen Stolz wie bei einem Gesamtsieg haben.