Wenn sie nach einem Reifenwechsel am Lotus mit der Nummer 31 in der Boxengasse den Helm abnimmt, dann erntet sie stets staunende Blicke. Denn schließlich ist es ja nicht unbedingt üblich, dass da eine junge Frau Mechaniker-Aufgaben wahrnimmt. Vor allem nicht eine, die man im Fahrerlager eigentlich in ganz anderer Funktion kennt: Julia Spacek war früher in der Formel 1 vor allem Pressesprecherin bei HRT, jetzt bei Lotus in der LMP2 ist sie neben der Pressearbeit auch für fast die gesamte Organisation verantwortlich, hat fast die Rolle einer Teammanagerin.

Und nebenbei hilft sie eben bei den Boxenstopps aus, ist mit Feuerlöscher und dem Massekabel beim Tanken unterwegs, das eventuelle Entladungen ableiten soll: "Also richtig so die Reifen anreichen oder so, das möchte ich auch nicht, die sind einfach zu schwer, das sollen schon die Männer machen." Begonnen hat das Ganze aus der Not heraus, "als letztes Jahr in Brasilien bei uns ein Mechaniker ausgefallen ist. Da hat man sich erinnert, dass ich früher in der DTM schon mal als Reifenfänger mitgemacht habe. Und so bin ich halt eingespannt worden."

Wirklich nervös ist sie vor einem Boxenstopp eigentlich nicht, "aber ein kleiner Adrenalinstoß ist schon immer dabei. Es ist auch immer ein bisschen ein komisches Gefühl ist, wenn man in der Pitlane steht, das Auto auf einen zufährt und erst kurz vor einem einlenkt. Da denkt man schon mal, oh, oh – hoffentlich bremst der rechtzeitig. Aber die Jungs wissen schon, was sie tun."

Grundsätzlich gefällt es ihr in der WEC besser als in der Formel 1: "Es ist alles viel freundlicher, näher an den Fans, die können wirklich an die Fahrer heran kommen, Autogramme sammeln. Andererseits macht es das von der Organisation  her manchmal schwieriger – hier rennen die Fans halt manchmal einfach in die Box rein." Was für sie noch wichtig ist: "Hier kann man einigermaßen konkurrenzfähig sein, in der LMP2 gibt es ein ziemlich ausgeglichenes Feld. Da fährt man nicht nur hinterher wie in der Formel 1. Als wir letztes Jahr in Shanghai Pole-Position hatten, das hat unheimlich gut getan."

Das Wochenende von Le Mans war für sie zwar das stressigste überhaupt, "aber irgendwo auch das, das am meisten Spaß macht. Weil es einfach das Highlight des Jahres ist. Aber der Arbeitsaufwand mit Vor- und Nachbereitung ist schon extrem", von den nur wenigen Stunden Schlaf in der Rennwoche ganz zu schweigen. Diesmal kam noch der zusätzliche Gerichtsstress zu Beginn der Woche dazu, als ja wegen angeblich nicht bezahlter Rechnungen erst einmal Teile des Lotus beschlagnahmt wurden, ehe ein französischer  Richter die Vorwürfe komplett zurück wies. Dass sie dann am Sonntag früher Feierabend hatte, weil keiner der beiden Lotus die Zielflagge sah, darauf hätte sie freilich trotzdem viel lieber verzichtet. "Ankommen wäre halt mit dem neuen Auto schon das große Ziel gewesen."

Die Alleskönnerin von Lotus