Im Winter ließ Ferrari die WEC-Bombe platzen und kündigte den Einstieg eines dritten 499P-Hypercars für die Saison 2024 an. Dabei handele es sich jedoch explizit nicht um einen Werkseinsatz, wie bei den anderen beiden Autos, die im vergangenen Jahr ihr Debüt in der Langstrecken-Weltmeisterschaft gaben und den Italienern auf Anhieb den Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans bescherten.

Stattdessen ist ausdrücklich die Rede von einem Kundeneinsatz, durchgeführt vom italienischen Rennstall AF Corse. Aber: Wohl nicht ganz zufällig setzt das von Amato Ferrari - keine Verwandtschaft mit dem Autobauer - geführte Team auch die beiden Werksautos aus Maranello in der WEC ein. Und mit Robert Shwartzman sowie Yifei Ye wechseln sich zwei von Ferrari ausgewählte Werksfahrer mit AF-Corse-Vertragspilot Robert Kubica am Steuer ab.

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Dritter Ferrari kämpft um Weltcup, nicht um WM

Kann man vor diesem Hintergrund wirklich noch von einem Privateinsatz in der Hypercar-Topklasse sprechen? "Zunächst einmal tritt das Auto in einer anderen Meisterschaft an", argumentierte Batti Pregliasco, der Teammanager von AF Corse, jüngst in einer Online-Medienrunde der WEC. "Es handelt sich um einen Weltcup statt um eine Weltmeisterschaft. Also tritt es (der dritte Ferrari; d. Red.) gegen JOTA und Proton an."

Zur Erklärung: Laut Artikel 3.2.3 des Sportlichen Reglements dürfen nur maximal zwei Hypercars pro Hersteller für die WM-Wertung der WEC genannt werden. Weitere Einschreibungen einer Marke treten hingegen im Team-Weltcup an, der sich faktisch an Privatteams richtet. Neben AF Corse-Ferrari setzen die beiden Kundenteams JOTA (2 Autos) mit Teamchef Dieter Gass und Proton Competition aus Deutschland (1 Auto) den LMDh-Porsche 963 ein. Für die Porsche-Werkseinsätze ist Penske Motorsport verantwortlich.

AF Corse mit Werks- und Kunden-Ferrari: "Zwei separate Einheiten"

"Es handelt es sich um zwei separate Einheiten", versicherte Pregliasco. "Klar, eine wird von Ferrari unterstützt. Wir gehen also in zwei unterschiedliche Hotels. Ein paar Dinge werden komplett unterschiedlich gehandhabt." Nur bei Themen wie dem Motor und dem komplexen Hybridsystem sei AF Corse mit seinem dritten Ferrari 499P auf die Unterstützung des Werkes angewiesen. Das ist handelsüblich bei Privatteams im Motorsport, die sich eher um den Renneinsatz, das Setup und die Strategie statt um die Technik der Fahrzeuge kümmern.

Spannend wird es sein, zu beobachten, ob der dritte AF-Corse-Ferrari die Rennen komplett unabhängig vom Werkseinsatz bestreiten darf. Schließlich handelt es sich um ein Auto, das auf dem Papier gesamtsiegfähig ist und Rennen gewinnen kann. Erleben die Fans dieses Jahr einen offenen Kampf zwischen dem privat eingesetzten AF-Corse-Ferrari und den beiden italienischen Werksautos?

Ferrari steht vor seiner zweiten Hypercar-Saison in der WEC, Foto: LAT Images
Ferrari steht vor seiner zweiten Hypercar-Saison in der WEC, Foto: LAT Images

Können Kundenteams Rennen gewinnen? Porsche: "Warum nicht"

Bei der Konkurrenz von Porsche pocht man darauf, dass die Kundenteams mit einem 963-Hypercar unabhängig um Siege kämpfen können statt nur den Werksautos, in diesem Fall von Penske Motorsport, Geleitschutz auf der Langstrecke zu bieten. Auf die Frage, ob ein Kundenteam in der Lage sei, Rennen zu gewinnen, antwortete Jonathan Diuguid, Leitender Direktor von Porsche Penske Motorsport: "Warum nicht? Solange ein Porsche gewinnt, ist es ein gutes Ergebnis."

Im technischen Bereich tauscht sich Porsche mit seinen Werksteams in der WEC (JOTA, Proton) sowie der US-Sportwagenmeisterschaft IMSA (Proton, JDC-Miller Motorsports) regelmäßig aus. In beiden Rennserien stellen die Porscheaner das größte Fahrzeugaufgebot, damit kommen mehr relevante Daten zusammen, von denen sowohl die Werks- als auch die Privatteams profitieren. "Das ist ein Vorteil", bestätigte Porsches LMDh-Werkssportleiter Urs Kuratle. "Der Nachteil ist, dass man all diese Daten auch bewältigen muss. Es kostet viel Geld und verursacht großen Aufwand, um alles zusammenzubringen."

Porsche-Leiter Kuratle: "Wenn Kunden etwas finden, sollen sie profitieren"

Porsche hat für die WEC und IMSA ein eigenes Kunden-Support-Team installiert, um die Daten untereinander zu teilen und die Autos unter anderem im Software-Bereich rund um den Hybridantrieb dauerhaft auf einem technologisch gleichen Wissensstand zu halten.

Kuratle: "Wenn Infos geteilt werden müssen, dann wird das auch gemacht. Wenn bei einem Auto etwas bricht, müssen das sofort alle Teams wissen. Ansonsten besteht keine direkte Verbindung zwischen den Teams. Wenn ein Kundenteam etwas Gutes beim Setup findet, gibt es keine Info ans Werksteam. Wir haben oft diskutiert, wie die Daten geteilt werden. Wir wollen die Teams auch alleine arbeiten lassen. Wenn die Kunden etwas herausfinden, sollen sie davon profitieren. Das gilt natürlich auch für das Porsche-Penske-Team."

Porsche hat das Langstrecken-Jahr 2024 mit dem Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Daytona erfolgreich begonnen. Welche Ziele die Zuffenhausener jetzt in der WEC verfolgen, lest ihr hier: