Jorge Martin setzte schon am Samstagvormittag in Misano ein gewaltiges Ausrufezeichen. Der Pramac-Pilot holte nicht einfach nur die Pole-Position, sondern er zerstörte den Rundenrekord regelrecht. Am Nachmittag im Sprint setzte er seine Galavorstellung nahtlos mit einem Start-Ziel-Sieg fort. Warum der Spanier von seiner Form überrascht ist und ob er jetzt als erster Privatfahrer überhaupt MotoGP-Weltmeister werden könnte.

Misano 2022 noch katastrophal für Martin

Obwohl er von außen betrachtet eine dominante Leistung bot, betonte der WM-Zweite, dass dies kein Kinderspiel war: "Es wäre noch besser mit einem größeren Vorsprung gewesen, denn es war sehr schwer, Marco [Bezzecchi] hinter mir zu halten. Er pushte sehr. Als ich sah, dass er in einer Runde drei Zehntel aufholte, da war ich schon etwas besorgt. Dann verlor er aber auch wieder Zeit und so behielt ich einfach eine starke Pace aufrecht und versuchte, immer am Limit zu sein. Ich bin sehr glücklich über diesen Sieg hier in Italien, denn ich hatte ein sehr schwieriges Wochenende für mich erwartet."

Der Grund für seine Besorgnis kam aus dem Vorjahr. Während seine Ducati-Kollegen Francesco Bagnaia und Enea Bastianini 2022 um den Sieg kämpften, erlebte Martin ein schwaches Wochenende. Startplatz 13 und ein Neunter Rang im Rennen waren weit unter seinem normalen Niveau. Den Grund, warum es ein Jahr später so viel besser läuft, konnte er schnell ausmachen: "Ich schätze letztes Jahr lag es am Bike. Ich kam hierher und dachte, ich müsste viel leiden. Aber bisher war das mein bestes Wochenende. Ich war sogar schneller als am Sachsenring und das ist eine Strecke, die ich liebe."

Mittlerweile ist klar, dass Martin mit der Desmosedici GP23 wesentlich besser klarkommt als noch mit dem Vorgängermodell. Dies zeigt sich auch an seiner deutlich geringeren Sturzquote. Der Pramac-Pilot liefert stetig gute Ergebnisse. In Misano waren seine beiden Hauptkonkurrenten Bagnaia und Bezzecchi allerdings auch gesundheitlich angeschlagen angetreten. Martin hält dies für keine Erklärung seiner Dominanz am Samstag: "Ich glaube nicht, dass sie das allzu sehr gespürt haben. Wenn man sich die Zeiten aus dem Qualifying ansieht, dann haben wir alle den [alten] Rundenrekord gebrochen. Wenn es dir nicht gut geht, dann ist es unmöglich, das zu tun." Auch am Sonntag erwartet er wieder die drei Ducatis vorne: "Wie waren schneller als die anderen Hersteller. Hoffentlich können wir morgen auch wegziehen und um das Podest kämpfen."

Martin, Bagnaia und Bezzecchi sind die Spitzenleute bei Ducati, Foto: LAT Images
Martin, Bagnaia und Bezzecchi sind die Spitzenleute bei Ducati, Foto: LAT Images

Titelkampf? Martin vermeidet klare Kampfansage

Auch wenn Martin Bagnaias Zustand als nicht so kritisch ansieht, so hat er nun nurmehr 45 Punkte Rückstand auf den WM-Führenden. Ist da der Titel als erster Fahrer eines Privatteams doch noch möglich? Noch zögert der Pramac-Pilot mit einer klaren Kampfansage: "Ich bin ein Fahrer eines Satellitenteams. Es ist also nicht meine Aufgabe, den Titel zu holen. Aber sicher ist: Wenn ich die Chance dazu bekomme, werde ich sie ergreifen." Seine Zielsetzung will er erst einmal nicht korrigieren: "Ich sage nicht, dass ich das [den Titel zu gewinnen, Anm. d. Red.] nicht schaffen kann. Es ist nur nicht mein großes Ziel. Mein Ziel ist es, Rennen zu gewinnen." Und wer Rennen gewinnt, der wird bekanntermaßen auch keine schlechten Chancen auf den Titel haben.